BERLIN. Auch wenn die Kriminalitätsbelastung insgesamt abgenommen hat: Die Zahl der wegen Totschlags Verurteilten stieg 2019 im Vergleich zum Vorjahr um rund 18 Prozent auf 370.
Von ihnen waren 46 Prozent Ausländer, wie aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der AfD-Fraktion hervorgeht. In den zehn Jahren zuvor lag der höchste Wert bei 354 Verurteilten im Jahr 2009. Von ihnen hatten 32 Prozent keinen deutschen Pass.
»Totschlag ist in der Regel ein Spontandelikt in Konfliktsituationen, die entgleisen - häufig findet die Tat in der Öffentlichkeit statt«, sagte Rafael Behr, Kriminologe an der Akademie der Polizei Hamburg. Er ist überzeugt: »Der Migrantenstatus spielt hier weniger eine Rolle.« Wichtiger sei die sozio-ökonomische Situation der Täter.
Gesunken ist dagegen seit 2009 die Zahl der Menschen, die wegen Vergewaltigung oder sexueller Nötigung verurteilt wurden. Wie aus den vom Justizministerium gelieferten Daten der Strafverfolgungsstatistik weiter hervorgeht, war in etwa jedem zweiten Fall von sexueller Nötigung, der 2019 mit einer Verurteilung endete, der Angeklagte ein Ausländer.
Unter den knapp 19.000 Menschen, die im vergangenen Jahr wegen gefährlicher Körperverletzung verurteilt worden, waren 60 Prozent Deutsche. Ein Grund für den relativ hohen Ausländeranteil bei Sexualdelikten sei auch, dass »Fremde, Migranten und Unbekannte schneller angezeigt werden als Menschen, mit denen das Opfer bekannt ist«, erklärte Behr.
Der AfD-Rechtspolitiker Stephan Brandner forderte ein »entschiedenes Vorgehen des Rechtsstaates gegen jeden, der in unser Land kommt und hier kriminell wird«. »Wer angeblich Schutz sucht und anderen Menschen das Leben zerstört, sie verletzt oder bestiehlt, der hat hier nichts zu suchen«, fügte er mit Blick auf Asylzuwanderer hinzu.
Von den durchschnittlich rund 83,09 Millionen Menschen, die im vergangenen Jahr in Deutschland lebten, waren 10,24 Millionen Ausländer, das entspricht einem Anteil von knapp 12,5 Prozent an der Wohnbevölkerung. Das Justizministerium stellt in seiner Antwort, die der Deutschen Presse-Agentur vorliegt, allerdings fest: »Ein Vergleich der tatsächlichen Kriminalitätsbelastung der nichtdeutschen Wohnbevölkerung mit der deutschen ist aufgrund einer Vielzahl von Faktoren nicht möglich.« Dazu zählten das Dunkelfeld, also jener Teil an Taten, der den Behörden nicht bekannt wird. Dann gibt es auch Ausländer, die hier leben, aber den Behörden nicht bekannt sind und damit nicht im Ausländeranteil erfasst werden.
Hinzu kommen Ausländer, die hier verurteilt werden, aber nicht in Deutschland leben, zum Beispiel Touristen, Durchreisende, Besucher oder Grenzpendler. Auch Streitkräfte anderer Nationen, die hier stationiert sind, fließen nicht in die Bevölkerungsstatistik ein. Das bedeutet: In die Statistik gehen Verurteilungen von Ausländern ein, die gar nicht in Deutschland leben und somit nicht Teil des Ausländeranteils sind.
Ein Faktor ist die Alters-, Geschlechts- und Sozialstruktur. »Die sich in Deutschland aufhaltenden Personen ohne deutsche Staatsbürgerschaft sind im Vergleich zur deutschen Bevölkerung im Durchschnitt jünger und häufiger männlichen Geschlechts«, schreibt das Justizministerium. »Sie leben eher in Großstädten, gehören zu einem größeren Anteil unteren Einkommens- und Bildungsschichten an und sind häufiger nicht erwerbstätig. Bei der entsprechenden deutschen Bevölkerungsgruppe (junge Männer unterer Einkommensschicht) ist die Kriminalitätsrate ebenfalls höher als im deutschen Bevölkerungsdurchschnitt.«
Bei allen Einschränkungen fällt dennoch der bei einigen Delikten sehr hohe Ausländeranteil an den Verurteilten auf. Nur sehr wenige Menschen ohne deutschen Pass finden sich dagegen unter den 116 Menschen, die 2019 wegen Subventionsbetrugs verurteilt wurden.
Häufig seien bei Straftaten, die von Ausländern verübt würden, auch die Opfer Menschen mit Migrationshintergrund, sagte Helge Lindh, Mitglied der Arbeitsgemeinschaft Migration und Integration der SPD-Bundestagsfraktion. Täter und Opfer entstammten oft dem gleichen sozialen Milieu.
Bei straffälligen Ausländern, die noch nicht lange im Land seien, müsse anders reagiert werden als bei Menschen, die in Deutschland aufgewachsen seien. Ein wichtiger Präventionsfaktor sei hier, in den Schulen für eine »gemischte soziale Lage« zu sorgen. Lindh: »Wir müssen diese Fragen nüchtern und nicht auf der rassistischen Schiene diskutieren.« (dpa)