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Lebenslang für rechtsradikalen Maskenverweigerer

Getrieben vom Hass auf die vom Staat verhängten Corona-Maßnahmen greift ein Mann zur Waffe. Nach Ansicht des Gerichts hat er sein Opfer eher zufällig ausgewählt. Das eigentliche Ziel waren ganz andere.

Prozess: Mord nach Maskenstreit
Der Angeklagte betritt den Gerichtssaal neben seinem Verteidiger Alexander Klein (l). Foto: Thomas Frey
Der Angeklagte betritt den Gerichtssaal neben seinem Verteidiger Alexander Klein (l).
Foto: Thomas Frey

Es war die mörderische Tat eines Rechtsradikalen: Das Landgericht Bad Kreuznach hat einen Maskenverweigerer für den tödlichen Schuss auf einen Tankstellen-Mitarbeiter zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt. Eine verminderte Schuldfähigkeit sah die Schwurgerichtskammer trotz des erheblichen Alkoholkonsums des heute 50-Jährigen bei der Tat nicht. Das Gericht folgte damit der Argumentation der Staatsanwaltschaft.

Aber anders als von Staatsanwaltschaft und Nebenklage gefordert, stellte das Landgericht am Dienstag keine besondere Schwere der Schuld fest. In diesem Fall wäre eine Haftentlassung des heute 50-Jährigen nach 15 Jahren im Gefängnis rechtlich zwar möglich gewesen, aber in der Praxis so gut wie ausgeschlossen.

Viel Alkohol im Blut

Die Verteidigung hatte den Tatvorwurf des Mordes zurückgewiesen. Die beiden Anwälte des Deutschen hatten auf Totschlag mit erheblich eingeschränkter Schuldfähigkeit des Angeklagten plädiert, der nach Schätzung eines Gutachters zum Zeitpunkt des Schusses rund zwei Promille Alkohol im Blut hatte. Die Tat am 18. September 2021 an einer Tankstelle im rheinland-pfälzischen Idar-Oberstein hatte bundesweit für Entsetzen gesorgt.

Nach Ansicht des Gerichts war die rechtsradikale Einstellung des 50-Jährigen und seine Feindschaft gegen den Staat das Hauptmotiv für die Tat. Den Kassierer habe er als Repräsentanten für den Staat und die in seiner Sicht völlig verfehlte Corona-Politik gesehen. Als der junge Mann ihm kein Bier verkaufen wollte, da er keine Maske trug, habe der 50-Jährige beschlossen, an ihm »ein Exempel zu statuieren«, sagte die Vorsitzende Richterin Claudia Büch-Schmitz.

Dem Angeklagten sei bewusst gewesen, dass seine Tat von Überwachungsvideos aufgezeichnet werde und er hinter Gittern landen würde, sagte sie weiter. Doch der 50-Jährige habe mit der Tat ein Zeichen des Widerstands gegen den Staat, die Corona-Politik und die Pandemiebeschränkungen setzen wollen. Getrieben von seinem Hass auf das politische System und die damalige Regierung habe er sein Opfer »mehr oder weniger zufällig« ausgewählt, da er nicht an die damalige Bundeskanzlerin Angela Merkel oder Gesundheitsminister Jens Spahn (beide CDU) herangekommen sei, sagte die Richterin unter Hinweis auf entsprechende Äußerungen des Schützen in seiner polizeilichen Vernehmung.

Der Verurteilte habe eine »extreme Haltung« gegenüber Corona und pandemiebedingten Beschränkungen gezeigt, sagte die Richterin weiter. Für ihn sei Covid-19 nichts anderes als eine Grippe gewesen, und die Pandemie sei in seinen Augen von Politikern missbraucht worden, um die Freiheiten des Volkes einzuschränken. Die Pandemie habe dabei seine bereits vorhandene staatsfeindliche Gesinnung nur noch verstärkt. Der 50-Jährige habe schon vorher rechtsradikales Gedankengut vertreten und eine ausländerfeindliche und rassistische Einstellung gehabt. Er sei bereit gewesen, ein Menschenleben für seine politischen Motive zu opfern.

Großes Medieninteresse

Oberstaatsanwältin Nicole Frohn zeigte sich zufrieden mit dem Urteil. Es sei wichtig, dass das Gericht die Tat als Mord und nicht als Totschlag gewertet habe. Die Feststellung einer besonderen Schwere der Schuld sei eine Abwägungsfrage, in der das Gericht zu einer anderen Auffassung als die Anklage gekommen sei. Es werde geprüft, ob Revision gegen das Urteil eingelegt werden soll.

In ihrem Plädoyer hatte Frohn erklärt, die Tat vor fast genau einem Jahr sei das erste Mal gewesen, dass es in Deutschland im Zusammenhang mit den Corona-Maßnahmen zu tödlicher Gewalt gekommen sei. Das große Medieninteresse an dem Strafverfahren beweise, dass der Fall die Öffentlichkeit weiter bewege.

Verteidiger Alexander Klein sagte, das Urteil entspreche dem Bild in der Öffentlichkeit von diesem Fall. Sein Mandant sei zwar erleichtert, dass keine besondere Schwere der Schuld festgestellt worden sei und das Urteil ihm damit eine Perspektive nach 15 Jahren lasse. Doch werde er prüfen, ob er Rechtsmittel einlegen werde, da in dem Richterspruch die psychische Verfassung des 50-Jährigen und die besonderen Tatumstände nicht hinreichend gewürdigt seien, sagte Klein. Besonders die Rolle des »Haus- und Hofsachverständigen« müsse nochmals hinterfragt werden.

Keine erkennbare Gefühlsregung beim Verurteilten

Der Gutachter hatte erklärt, der Angeklagte sei trotz des Alkoholkonsums schuldfähig gewesen. Auch Anzeichen für eine krankhafte seelische Störung, den Verlust der Steuerungsfähigkeit oder eine Anpassungsstörung nach dem Suizid des Vaters sah er nicht. Das Gericht war dem gefolgt.

Der 50-Jährige verfolgte das Urteil mit gesenktem Kopf ohne erkennbare Gefühlsregung. Die Mutter des Opfers, die als Nebenklägerin an dem Prozess teilnahm, hatte vor dem Verlesen des Urteils angesichts der vielen Kameras um sie herum geweint. Später gewann sie ihre Fassung teilweise zurück und stellte sich nach dem Ende des Prozesses sogar den Fragen wartender Journalisten.

»Wir werden jetzt erstmal die ganzen Scherben, die in den letzten Monaten gefallen sind, zusammensuchen«, sagte die Mutter des 20-Jährigen, die an vielen Verhandlungstagen persönlich erschienen war. Ob sie das Urteil als gerecht empfinde? »Ganz ehrlich: 15 Jahre für ein Menschenleben? Egal, wie das Urteil ausgegangen wäre, es hätte ja nichts daran geändert, was passiert ist und welcher Mensch verloren gegangen ist. Es bringt nie wieder mein Kind zurück.«

© dpa-infocom, dpa:220913-99-738996/11