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Kölner CSD - Laut gegen Abbau queerer Rechte

Der Kölner CSD ist diesmal noch politischer als sonst, denn die queere Community sieht sich unter Druck. Prominente Verstärkung erhält die große Parade aus Politik und Showbusiness.

ColognePride – Parade zum Christopher Street Day (CSD)
Karl Lauterbach ruft beim CSD in Köln zum Zusammenstehen auf. Foto: Christoph Reichwein/DPA
Karl Lauterbach ruft beim CSD in Köln zum Zusammenstehen auf.
Foto: Christoph Reichwein/DPA

Bunt, laut und politisch - viele Tausend Menschen haben beim Kölner Christopher-Street-Day-Umzug ein Zeichen für Toleranz und Vielfalt gesetzt. Laut Veranstalter kamen zu der Parade am Sonntag schätzungsweise 1,2 Millionen Besucherinnen und Besucher und zum ganzen CSD-Wochenende 1,4 Millionen. 

Die CSD-Parade selbst bestand laut Veranstalter aus 65 000 Teilnehmern und 250 Gruppen, darunter 90 Festwagen. Die Polizei sprach von Zehntausenden Teilnehmenden. Es sei die größte, die Köln je gehabt habe, sagte Cologne-Pride-Vorstandsmitglied Hugo Winkels. Staatsministerin Claudia Roth (Grüne) schwärmte: »Köln ist der wichtigste CSD, nicht nur im ganzen Land, nicht nur in Europa, sondern das strahlt in die ganze Welt.« 

Kaulitz-Brüder mit auf dem Wagen

Auch die Zwillingsbrüder Tom und Bill Kaulitz von der Band Tokio Hotel fuhren auf einem der Wagen mit. In einem WDR-Interview sprach Bill Kaulitz darüber, wie befreiend sein Coming-out gewesen sei: »Mich rührt das auch unglaublich, wie viele Leute dann zu mir kommen und Mut darin finden in meiner Geschichte«, so der Sänger. »Ich habe die ersten Jahre einfach sehr privat gelebt und durfte das einfach nie nach außen tragen.«

ColognePride – Parade zum Christopher Street Day (CSD)
Auch Tom und Bill Kaulitz sind dieses Jahr beim Kölner CSD dabei. Foto: Christoph Reichwein/DPA
Auch Tom und Bill Kaulitz sind dieses Jahr beim Kölner CSD dabei.
Foto: Christoph Reichwein/DPA

Politiker warnen vor »Rollback« queerer Rechte

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach verwies darauf, dass immer mehr Übergriffe gegen queere Menschen registriert würden und Hassgewalt gegen sie zunehme. »Der CSD ist eine ganz wichtige Demonstration für Demokratie, Freiheit, für die Rechte von queeren Menschen«, sagte der in Köln lebende SPD-Politiker der Deutschen Presse-Agentur. »Ich finde, es ist bestürzend, wenn wir sehen, wie die Rechte jetzt schon innerhalb von Europa eingeschränkt werden.« 

Der CSD sei deshalb noch nie so politisch gewesen wie jetzt. Auch Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD) sagte: »Wir merken, im Moment gibt es Faschisten und Nazis, die ein Rollback wollen.« Sie wollten die Rechte und Freiheiten der LGBTIQ+ Community wieder abbauen. Dem müsse man sich entschlossen entgegenstellen, so Bas. 

Der Queer-Beauftragte der Bundesregierung, Sven Lehmann (Grüne), forderte eine Aufnahme der sexuellen Identität in Artikel 3 des Grundgesetzes. Bisher steht in dem Artikel, dass niemand »wegen seines Geschlechts, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden« darf.

»Diesen Schutz ins Grundgesetz bringen«

Queere Menschen seien die letzte von den Nazis verfolgte Gruppe, die noch keinen expliziten Schutzstatus im Grundgesetz genieße, kritisierte Lehmann. In seiner jetzigen Form habe das Grundgesetz in der Vergangenheit Menschenrechtsverletzungen wie den erst 1994 abgeschafften Paragrafen 175 des Strafgesetzbuches, der sexuelle Handlungen zwischen Männern unter Strafe stellte, nicht verhindern können. 

»Wir brauchen eine Zwei-Drittel-Mehrheit in Bundestag und Bundesrat«, sagte Lehmann. »Ich möchte, dass das gelingt noch vor der nächsten Bundestagswahl, dass wir das schaffen, diesen Schutz ins Grundgesetz zu bringen und damit unsere Rechte nie wieder abschaffen zu lassen.« 

Zunehmende Gewalt trifft nicht nur die queere Community 

Auch Drag Queen Meryl Deep, die in diesem Jahr Kölner Unterstützung für den CSD im sächsischen Pirna organisiert hatte, sagte, es sei gerade in diesen Zeiten wichtig, laut und präsent zu sein. »Es gilt, alles, was erreicht ist, zu schützen, und uns nicht wegnehmen zu lassen.« Die zunehmende Gewalt treffe im Übrigen viele gesellschaftliche Gruppen und nicht nur die queere Community.

Mehrere Drohungen gegen die Veranstaltung beschäftigten laut Polizei die Sicherheitsbehörden, darunter Landes- und Bundeskriminalamt. Am Samstag sei im Internet per Video ein Angriff auf die heutige Versammlung der queeren Community angekündigt worden. Am Sonntag sei der Staatsschutz mit weiteren Drohungen befasst gewesen. »Nach eingehender Prüfung ergaben sich keine Hinweise auf eine Ernsthaftigkeit. In Abstimmung mit dem Veranstalter konnte die Parade wie geplant stattfinden«, hieß es weiter. Die Ermittlungen zu den Drohungen dauern an.

Auch in Rostock fand am Sonntag eine CSD-Veranstaltung statt, an der etwa 4.200 Menschen teilnahmen. Mit dem CSD wird an Ereignisse im Jahr 1969 in New York erinnert: Polizisten stürmten damals die Bar »Stonewall Inn« in der Christopher Street und beendeten einen mehrtägigen Aufstand von Schwulen, Lesben und Transsexuellen.

© dpa-infocom, dpa:240721-930-180035/4