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Herrschaft der alten Männer? Charles hat ein schweres Erbe

Zum Staatsbegräbnis für die Königin hat sich die britische Monarchie gewaltig inszeniert. Der Tod der beliebten Queen ist eine Zeitenwende. Der neue König steht vor einer Herkulesaufgabe.

König Charles III.
König Charles III. tritt nach dem Tod seiner Mutter ein schweres Erbe an. Foto: Carl De Souza
König Charles III. tritt nach dem Tod seiner Mutter ein schweres Erbe an.
Foto: Carl De Souza

»It's the End of the World as We Know it« - es ist das Ende der Welt, wie wir sie kennen. Der Hit der US-Band R.E.M. trifft ziemlich genau das Gefühl der Menschen im Vereinigten Königreich.

Der Tod von Queen Elizabeth II., der mit einem nie da gewesenen Staatsakt betrauert wurde, besiegele das Ende des 20. Jahrhunderts, kommentierten britische Medien. Doch die Zweifel sind groß, dass ausgerechnet Elizabeths 73-jähriger Sohn König Charles III. die Monarchie in der Moderne des 21. Jahrhunderts verankern kann. Schon werden Stimmen laut, die den Tod der ewigen Regentin nutzen, um das System der parlamentarischen Monarchie grundsätzlich anzuzweifeln.

»Die Monarchie ist der größte Anachronismus der britischen Gesellschaft«, kommentierte die liberale Zeitung »Guardian« am Dienstag. Und kritisierte: »Doch eine Flut von infantilisierender Berichterstattung sowie einige echte Trauer um eine geliebte Monarchin scheinen jede Diskussion über Reformen erstickt zu haben.«

67 Prozent wollen die Monarchie behalten

Sieht man die Bilder der Menschenmassen, die erst in Edinburgh, dann in London und schließlich in Windsor den Weg von Elizabeths Sarg verfolgt haben, sieht man die Tausenden Blumen und Bilder oder auch die vielen Tränen, so wirkt die Unterstützung der Institution gewaltig. Auch Zahlen belegen das: 67 Prozent der Briten wollen laut einer Umfrage die Monarchie behalten. Das sind fünf Punkte mehr als noch zum 70. Thronjubiläum der Queen.

Doch nach Ansicht vieler Beobachter dürfte es sich um ein kurzfristiges Hoch handeln. Zehn Tage befand sich fast das ganze Land im nationalen Taumel, das stundenlange Schlangestehen für ein paar Sekunden am Sarg der Queen, die pompösen Uniformen, das minuziös durchgetaktete Zeremoniell waren für viele Menschen der Inbegriff des Britisch-Seins. »Es war wie ein zehntägiger Rückzug aus dem modernen Leben«, eine Flucht von der Realität, schrieb die Kolumnistin Helen Rumbelow in der Zeitung »Times«.

Massive Probleme Großbritanniens sind nicht verschwunden

»Vielleicht hat der Tod der Monarchin eine Welle der Verbundenheit und Solidarität ausgelöst. Aber solche Gefühle können so schnell verschwinden, wie sie gekommen sind«, betonte der »Guardian«. Nun könnte ein heftiger Kater folgen. Denn die massiven Probleme, vor denen das Königreich steht, sind nicht verschwunden, sie waren nur tagelang von Queen-Porträts und der royalen Dauerberichterstattung übertüncht. Der Alltag hat die Briten wieder und damit die Sorgen um explodierende Energiekosten, sinkende Reallöhne und ein schlechtes Gesundheitssystem. Dafür ist natürlich nicht der neue König zuständig, sondern die neue Premierministerin Liz Truss.

Doch in Zeiten großer Herausforderungen dient das Staatsoberhaupt vielen als Stütze. 70 Jahre lang auf dem Thron - die Queen war eine Konstante. Viele bezweifeln nun, ob Charles trotz seiner jahrzehntelangen Vorbereitungszeit als Thronfolger von Anfang an die gleiche Rolle einnehmen kann. Der neue König sei »düster gekleidet, nervös, traurig, manchmal kapriziös«, hat Rumbelow beobachtet. Während die Queen nie die Nerven zu verlieren schien, ist Charles in den ersten Tagen seiner Regentschaft schon zwei Mal aufgefallen.

Wie wird Charles mit Harry umgehen?

Zudem lauern schwierige Themen, die die Popularität gefährden könnten: Wie geht Charles mit seinem Sohn Prinz Harry sowie dessen Vorwürfen gegen den Palast um? Welche Rolle gedenkt er seinem Bruder Prinz Andrew nach dessen Verwicklung in einen Missbrauchsskandal zu?

Dass es für den Neuen schwer werden würde, war bereits vor dem Tod seiner Mutter klar. Als ältester König bei Amtsantritt der britischen Geschichte verkörpert er nicht den Schwung, den die Queen mitbrachte, als sie mit 25 Jahren auf den Thron kam. Eher dürfte er ein Monarch des Übergangs werden denn eine »karolinische Ära« prägen. So erfolgreich König Charles auch sein werde, es bleibe das Gefühl, dass er das Symbol für Großbritanniens Niedergang sein werde, schrieb Rumbelow. »Das ist zumindest ein Teil der Trauer nach dem Tod von Queen Elizabeth II.: dass ihr Nachfolger geringer ist.«

Nun könnte eine »Regentschaft alter Männer« folgen, wie die Kolumnistin warnt. Nach Charles warten sein Sohn Prinz William (40) und dann sein Enkel Prinz George (9) auf den Thron. Frei nach R.E.M. also: Es ist das Ende der Welt, wie Großbritannien sie kennt. Was folgen wird, ist unklar. Auch deshalb dürften nicht alle den Zusatz unterschreiben, der in dem Song folgt: »And I Feel Fine« (aber ich fühle mich gut). Eine Zweiflerin ist die achtjährige Romilly. Sie sagte am Rande der Trauerzeremonie in Windsor: »Ich vermisse die Königin. Ich will keinen König.«

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