Ein fluffiges Cornetto zum Frühstück, Pasta zum Mittag und eine saftige Pizza am Abend: Die italienische Küche hat ihre ganz besonderen Vorzüge. Doch sie hinterlässt ihre Spuren. Das hat auch Luciano Fregonese am eigenen Körper erfahren müssen. Der Bürgermeister von Valdobbiadene im Norden Italiens ist seit zehn Jahren im Amt - und hat seitdem 50 Kilo zugenommen. Um die Pfunde nun purzeln zu lassen, ließ er sich eine ganz besondere Idee einfallen. Und seine Bürger unterstützen ihn tatkräftig beim Abnehmen.
Fregonese führt sein Übergewicht auf seine »gesellschaftlichen Verpflichtungen« als Bürgermeister zurück. Er sei von morgens bis spätabends für Termine und Begegnungen mit Bürgern seiner Gemeinde unterwegs und habe einfach keine Zeit, um Sport zu treiben, sagt er im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur. Zudem esse er gern. Aber unregelmäßig. Meist kommt er erst kurz vor Mitternacht zum Essen - und dann natürlich sehr ausgiebig.
Mehr als 200 Bürger sind bei den Spaziergängen dabei
Inzwischen bringt Fregonese etwa 140 Kilo auf die Waage. Viel zu viel, sagt der 47-Jährige. Deswegen macht er seit Beginn des Sommers flotte Spaziergänge. Aber nicht allein. Er hat die Einwohner von Valdobbiadene eingeladen, mit ihm meist für etwa anderthalb Stunden laufen zu gehen. Mehr als 200 Bürger der malerischen Gemeinde in Venetien haben sich mittlerweile seinen wöchentlichen Läufen durch die hügelige Gegend angeschlossen.
Valdobbiadene, eine Gemeinde mit rund 10.000 Einwohnern, liegt im Herzen der Prosecco-Region Venetien. Die Gemeinde ist auf der ganzen Welt bekannt für ihren Weinanbau, insbesondere der Glera-Rebe für den berühmten Prosecco di Conegliano Valdobbiadene. 2019 wurde dessen Herkunftsgebiet feierlich in die Unesco-Welterbeliste aufgenommen.
Kampf gegen Kilos als Wahlversprechen
Jeden Donnerstag treffen sich Fregonese und seine Bürger für ihre zügigen Spaziergänge. Meist finden sie sich auf der zentralen Piazza Guglielmo Marconi zusammen und beginnen ihren Lauf durch die Straßen von Valdobbiadene. Später geht es dann auch durch die Weinberge der Gegend. In den sozialen Medien verbreitet der Bürgermeister Fotos von den Spaziergängen: In großer Gruppe laufen sie gemeinsam durch die weiten Weinstock-Felder.
Die Idee kam ihm kurz vor seiner Wiederwahl als Bürgermeister im Juni. Seit einiger Zeit plagten ihn wegen des Übergewichts gesundheitliche Probleme - das Gehen fiel ihm immer schwerer, auch Rücken und Knie schmerzten. Seine Freunde scherzten, nach der Wahl sollte sein erstes Ziel sein, auf seine Gesundheit zu achten, erzählt er.
»Viele Leute kommen, um mich anzufeuern«
Er wurde wiedergewählt und seine Freunde drängten ihn, gemeinsam Sport zu treiben. Doch immer musste er sie vertrösten. »Vor etwa einem Monat sagte ein Freund: «Heute Abend gehen wir laufen!»«, erzählt Fregonese. Wieder konnte er nicht, hatte zur gleichen Zeit seine Bürgersprechstunde. »Da sagte mein Freund: Warum machen wir nicht beides zusammen? Sag den Bürgern, sie sollen mit dir laufen gehen!« Und so war die Idee geboren.
Kurzerhand trommelte er für den ersten Lauf 45 seiner Bürger zusammen. Danach kamen von Woche zu Woche immer mehr. Vor zwei Wochen waren es gar mehr als 200. Und die Einwohner nehmen nach Fregoneses Worten das Angebot der Bürgersprechstunden beim Spaziergang gut an. »So viele Leute kommen, um mich anzufeuern, um mir den Willen zu geben, weiterzumachen, denn allein würde ich es ehrlich gesagt nicht schaffen.«
Knapp die Hälfte der Italiener ist übergewichtig
Außerdem will er seinen Bürgern Mut machen, sich auch zu bewegen und auf ihre Gesundheit zu achten. In Italien sind einem aktuellen Bericht der Istat-Statistikbehörde 47,6 Prozent der Erwachsenen übergewichtig. Von ihnen sind 11,5 Prozent gar fettleibig. Viele der Betroffenen erkennen demnach ihr Gewichtsproblem nicht: Mehr als die Hälfte der Übergewichtigen und Fettleibigen halten sich den Daten zufolge für normalgewichtig.
Auch in Italien ist Übergewicht ein Tabuthema. Vor wenigen Monaten schmierte jemand in Valdobbiadene das Wort »panzone« (»Fettwanst«) an eine Mauer und meinte damit Fregonese. »Das hat mich nicht berührt. Aber es hat mich zum Nachdenken gebracht.« Die Menschen sollen sich nach seinen Worten nicht für ihr Übergewicht schämen. »Man muss aber einfach verstehen, dass es nicht gesund ist und man etwas machen muss.«
Auf Prosecco will Fregonese nicht verzichten
Ihm geht es auch nicht in erster Linie darum, den dicken Bauch loszuwerden. Deswegen hat er sich seit dem ersten Spaziergang mit seinen Bürgern noch nicht gewogen. »Ich weiß nicht, ob ich schon abgenommen habe, aber ich fühle mich besser - körperlich und seelisch. Und das ist mir das Wichtigste«, so Fregonese. »Es tut gut, draußen Leute zu treffen.«
Die Bürgersprechstunden in Sportkleidung und Turnschuhen sind beliebt. Ab und zu bekomme er von Leuten, die auf der Strecke seiner Läufe wohnen, zum Plausch ein Glas Wein angeboten. Das lehne er aber immer ab. Zu einem Glas Prosecco könne er jedoch nicht nein sagen. »Ein Glas Prosecco hat gar nicht so viele Kalorien«, scherzt Fregonese. Darauf wolle er einfach nicht verzichten - auch, wenn das der Abnehm-Kur ein wenig schadet.
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