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Fall Cleo Smith: Kidnapper muss lange ins Gefängnis

Vor eineinhalb Jahren hält die Entführung eines kleinen Mädchens in Australien die halbe Welt in Atem. Bei der Urteilsverkündung gibt es erstmals Antworten auf viele offene Fragen.

Urteil im Fall Cleo Smith
Bangten zweieinhalb Wochen um Cleos Leben: Mutter Ellie Smith und Stiefvater Jake Gliddon (Mitte). Foto: Aaron Bunch
Bangten zweieinhalb Wochen um Cleos Leben: Mutter Ellie Smith und Stiefvater Jake Gliddon (Mitte).
Foto: Aaron Bunch

Die Entführung der kleinen Cleo Smith in Australien hatte 2021 weltweit Schlagzeilen gemacht - nun ist das Urteil gegen den Angeklagten gefallen: 13 Jahre und sechs Monate Haft, verkündete das zuständige Gericht in Perth.

Dem 37-Jährigen, der sich schuldig bekannt hatte, drohten wegen des Vorwurfs des Kindesraubes bis zu 20 Jahre Haft. Jedoch habe Richterin Julie Wager seine schwierige Kindheit und sein frühes Schuldeingeständnis als mildernde Umstände anerkannt, berichtete der australische »Guardian«.

Traumatisches Erlebnis

Die Entführung habe aber »unermessliche Angst und Not« verursacht, sagte Wager. Die Auswirkungen der Tat auf das Kind und seine Eltern seien dauerhaft. »18 Tage ohne Kontakt oder Erklärung und dabei stundenlang völlig allein und ohne Zugang zur Außenwelt zu sein, das ist für ein Kind sehr traumatisch.« Im Gericht waren auch Mutter Ellie Smith und Cleos Stiefvater.

Ein Rückblick: Die damals vierjährige Cleo ist mit ihrer Familie bei einem Campingausflug in Point Quobba, etwa 75 Kilometer nördlich ihres Heimatortes Carnarvon. Es ist der 16. Oktober 2021, als die Mutter im Familienzelt aufwacht und feststellt, dass Cleo nicht mehr da ist. Auch ihr Schlafsack ist verschwunden. Der Schrecken wächst, als klar wird: Der Reißverschluss des Eingangs ist so weit hochgezogen, dass das Kind ihn nicht selber geöffnet haben kann.

Keine Spur von Cleo

Die Polizei richtet eine 100-köpfige Sonderkommission ein. Derweil gehen die verzweifelten Eltern immer wieder mit dramatischen Aufrufen an die Öffentlichkeit. Die Regierung des Bundesstaates Western Australia setzt sogar eine Belohnung von einer Million australischen Dollar (rund 614.000 Euro) für Hinweise aus, die zum Auffinden des Mädchens führen - aber alle angeblichen Sichtungen verlaufen zunächst im Nichts.

Nach 18 Tagen schließlich die erlösende Nachricht: Cleo wird wohlbehalten in einem Haus entdeckt - überraschenderweise in ihrem Heimatort. Auf einem ersten Foto ist sie wenig später winkend im Krankenhausbett zu sehen, eingehüllt in eine weiße Decke. Der Besitzer des Hauses wird in der Nähe auf einer Straße festgenommen. Seither waren viele Fragen zum Motiv und zu Cleos Gefangenschaft offen - Fragen, auf die Richterin Wager nun Antworten gab.

Drogen, Alkohol, Gewalt

Der Angeklagte leidet demnach an einer »schweren und komplexen Persönlichkeitsstörung« und stand in der Nacht der Tat unter Drogen. Bereits im Mutterleib sei er Drogen und Alkohol ausgesetzt gewesen, die Kindheit sei von Gewalt geprägt gewesen. »Ich akzeptiere voll und ganz, dass Ihre Persönlichkeitsstörung durch die Umgebung verursacht wurde, in der Sie aufgewachsen sind, und durch die Entbehrungen, die Sie als Kind erlitten haben«, sagte Wager. Es gebe keine wirklich vergleichbaren Fälle.

Vom Gericht beauftragte Psychiater erklärten, der Mann habe sich immer eine eigene Familie gewünscht. Richterin Wager sagte, obwohl er ein isoliertes Leben lebte, habe er sich eine »Fantasie-Familie« erschaffen und Profile in sozialen Netzwerken angelegt, in denen er vortäuschte, Kinder zu haben. Die große Puppensammlung, die in seinem Haus gefunden wurde, passe zu diesem Wunschdenken.

Cleo habe er in einem Schlafzimmer eingesperrt, in dem sie die meiste Zeit allein gewesen sei. Teilweise habe er das Radio laut aufgedreht, damit sie nicht zu hören war. »Sie hat darum gefleht, zu ihren Eltern zu dürfen«, sagte die Richterin. »Ihre Eltern wussten nicht, ob sie lebte oder tot war. Sie wussten nicht, was mit ihr passiert war oder ob sie jemals zurückkehren würde.«

Der Polizeichef von Westaustralien sprach von einem »abscheulichen Verbrechen«. Was die Familie durchgemacht habe, sei der »Alptraum aller Eltern«. Der Verurteilte kann vorzeitige Entlassung auf Bewährung beantragen. Dem Sender 9News zufolge könnte er frühestens 2033 freikommen.

© dpa-infocom, dpa:230405-99-216370/3