Sexueller Missbrauch, körperliche Gewalt, Lügen, Drogenexzesse: Die Anwälte von Johnny Depp (58) und seiner Ex-Ehefrau Amber Heard (36) haben in ihren Abschlussplädoyers am Freitag noch einmal heftige Anschuldigungen vorgebracht - und alles daran gesetzt, die Jury auf ihre Seite zu ziehen.
Im Gericht im Bezirk Fairfax im US-Bundesstaat Virginia - und über Kameras per Livestream in alle Welt verbreitet - wurden schockierende Handyvideos, Tonaufzeichnungen mit übelsten Beschimpfungen und Fotos mit Blutergüssen präsentiert.
Prozessbeobachter rechnen nicht mit schnellem Urteil
Nach sechs Prozesswochen mit Dutzenden Zeugenaussagen und Auftritten von Depp und Heard im Zeugenstand muss nun die Jury ein Urteil finden. Richterin Penney Azcarate erinnerte die sieben Geschworenen daran, zu einem einstimmigen Schluss kommen zu müssen. Noch am Freitagnachmittag nahm das Gremium die Beratungen auf - mit einem Blitzurteil rechneten Prozessbeobachter nicht. Wegen eines Feiertags am Montag tritt die Jury kommende Woche erst wieder am Dienstag zusammen.
Der »Fluch der Karibik«-Star trug zum Prozess-Schlussakt einen dunklen Anzug, die »Aquaman«-Schauspielerin erschien mit hellgrauer Jacke, die blonden Haare seitlich geflochten. »Es gibt ein Opfer von häuslicher Gewalt in diesem Gerichtssaal, aber das ist nicht Frau Heard«, sagte Depps Verteidigerin Camille Vasquez in ihrem Schlussplädoyer. »Frau Heard ist vielmehr die Täterin und Herr Depp der Missbrauchte.«
Wer hat wen geschlagen?
Heard habe vor Gericht genau das erzählt, was die Jury ihrer Meinung nach hören musste, um Depp als »Missbrauchstäter und Vergewaltiger« zu verurteilen, sagte Vasquez. Sie habe ständig gelogen und in Fotos angebliche Verletzungen manipuliert, so dass sie sich als Opfer habe ausgeben können. Zudem habe sie in Tonaufzeichnungen zugegeben, dass sie in einem Streit gegenüber Depp handgreiflich geworden sei und ihn geschlagen habe.
Heards Anwalt Benjamin Rottenborn wiederum zeichnete ein Bild von Depp als wütendem, aggressivem Mann, der vor allem unter dem Einfluss von Alkohol und Drogen zum »Monster« geworden sei. Er zeigte ein Handyvideo, von Heard aufgenommen, in dem Depp auf Küchenschränke einschlägt. Er verlas eine angeblich von Depp geschriebene SMS mit schockierenden Beschimpfungen, etwa über Heards »faulende Leiche«. »Diese Worte sind ein Fenster in das Herz und die Seele von Amerikas liebsten Piraten«, spottete Rottenborn. »Dies ist der wirkliche Johnny Depp.«
Heard beschreibt mehr als ein Dutzend Missbrauchsfälle
Es gebe »überwältigende Beweise für Missbrauch«, betonte der Anwalt. »Herr Depp kann einfach nicht beweisen, dass er Amber nicht mindestens einmal missbraucht hat.« Die Schauspielerin hatte im Zeugenstand mehr als ein Dutzend Vorfälle von angeblicher Gewalt seitens Depp beschrieben. Ein Urteil gegen Heard sei eine niederschmetternde Botschaft für Missbrauchsopfer auf der ganzen Welt, sagte Rottenborn.
Depps Anwalt Benjamin Chew wiederum stellte den Hollywood-Star als angesehenen Mann dar, dessen Leben und Karriere durch Heards »bösartige Lügen« zerstört worden sei.
Depp hatte zum Auftakt des Prozesses im Zeugenstand erklärt, er wolle »die Wahrheit« ans Licht bringen und seinen Ruf wiederherstellen. In ihrer Beziehung habe es Streit gegeben, räumte der Schauspieler ein. »Aber niemals bin ich an den Punkt gekommen, Miss Heard auf irgendeine Weise zu schlagen, noch habe ich jemals in meinem Leben eine Frau geschlagen«, betont Depp unter Eid.
Depp wirft Heard vor, seinen Ruf geschädigt zu haben
In seiner Zivilklage beschuldigt Depp die Schauspielerin, in einem 2018 von der »Washington Post« veröffentlichten Kommentar zum Thema häusliche Gewalt falsche Aussagen gemacht zu haben. Dies hätte seinem Ruf geschadet. Wegen Verleumdung verlangt Depp 50 Millionen Dollar (gut 46 Millionen Euro) Schadenersatz. Heard pocht in einer Gegenklage auf 100 Millionen Dollar. Sie macht geltend, dass Depps Ex-Anwalt Adam Waldman mit einer Schmutzkampagne ihrem Ansehen geschadet habe.
Der bittere Rosenkrieg tobt schon seit Jahren. 2016 hatte Heard nach nur 15 Monaten Ehe die Scheidung eingereicht. Sie warf dem Hollywood-Star häusliche Gewalt vor.
Vor zwei Jahren hatte Depp in London mit einer Klage gegen die Boulevardzeitung »Sun« eine Niederlage einstecken müssen. Es ging um einen Artikel, in dem behauptet wurde, Depp habe als Frauenschläger (»wife beater«) Heard körperlich misshandelt. Nach einem Prozess mit heftigen Vorwürfen wies der High Court die Klage am Ende ab.
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