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Coronavirus-Ausbruch versetzt Deutschland in den Krisenmodus

Hunderte unter Quarantäne in NRW, die deutsche Industrie fürchtet Folgen für die Konjunktur, mindestens 15 europäische Länder sind inzwischen betroffen: Das neuartige Coronavirus verändert die Welt.

Gesundheitsminister zu Coronavirus
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn. Foto: dpa/Gateau
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn.
Foto: dpa/Gateau

Berlin (dpa) - Nach den ersten Ausbrüchen des neuartigen Coronavirus steht Deutschland am Beginn einer Epidemie. In mehreren Bundesländern wird intensiv nach möglichen Sars-CoV-2-Infizierten gesucht.

Nach den bisher bekannten Zahlen ist das neue Virus laut Robert Koch-Institut (RKI) tödlicher als die Grippe. Wie viel höher die Sterberate sei, sehe man erst nach dem Ende der Epidemie, sagte Institutspräsident Lothar Wieler am Donnerstag in Berlin. Bundesinnenminister Horst Seehofer und Bundesgesundheitsminister Jens Spahn richten einen Corona-Krisenstab ein.

In mindestens 15 europäischen Ländern gibt es inzwischen Fälle, 14 Tote wurden gezählt bei etwa 500 Infizierten, wie es vom europäischen Zentrum für die Prävention und Kontrolle von Krankheiten (ECDC) hieß. In Deutschland stehen im bevölkerungsreichsten Bundesland Nordrhein-Westfalen Hunderte Menschen unter Quarantäne.

Sars-CoV-2 kann die Lungenkrankheit Covid-19 verursachen. Die meisten Infizierten haben nur eine leichte Erkältungssymptomatik mit Frösteln und Halsschmerzen oder gar keine Symptome. 15 von 100 Infizierten erkrankten schwer, sagte der Chef des Robert Koch-Instituts (RKI) am Donnerstag. Sie bekommen etwa Atemprobleme oder eine Lungenentzündung.

Nach bisherigen Zahlen sterben ein bis zwei Prozent der Sars-CoV-2-Infizierten, was höher als bei der Grippe ist. Das Virus verbreitet sich durch Tröpfcheninfektion etwa beim Husten und Sprechen. Eine Ansteckung über Oberflächen gilt weiter als unwahrscheinlich. Das gilt für Lebensmittel ebenso wie für andere Waren. Regelmäßig gründliches Händewaschen gilt als der beste Schutz.

Die Behörden in vielen Ländern versuchen das Virus zum Teil mit drastischen Maßnahmen einzudämmen. Warum? Die Folgen, die ein Übergreifen von Sars-CoV-2 auf große Teile der Bevölkerung hätte, sind schwer abzuschätzen. Zudem gibt es anders als bei der Grippe weder einen Impfstoff noch speziell zugeschnittene Medikamente.

Die deutsche Industrie sieht das neuartige Coronavirus als »Stresstest« für die Wirtschaft und fürchtet Folgen für die Konjunktur. BDI-Hauptgeschäftsführer Joachim Lang forderte die Bundesregierung am Donnerstag zu einem koordinierten wirtschaftspolitischen Vorgehen auf. »Die Unsicherheit über die Auswirkungen des Virus ist groß. Der Konjunktur drohen spürbare negative Effekte.«

In Nordrhein-Westfalen, wo bis Donnerstagmorgen fünf Fälle bekannt waren, suchen die Behörden nach möglichen weiteren Infizierten. Mehrere Hundert Menschen stehen dort unter häuslicher Quarantäne. Das schätzte der Kreis Heinsberg. Betroffen seien vor allem Besucher einer Karnevalssitzung in Gangelt, die ein infiziertes Paar besucht hatte. Die Maßnahme gelte auch für das Personal und Kinder des Kindergartens, in dem die Frau als Erzieherin beschäftigt ist. Auch die Menschen, die mit diesen Betroffenen in einem Haushalt leben, sollen zu Hause bleiben, sagte der Sprecher des Kreises. Die Leute dürften 14 Tage lang ihre Wohnungen nicht verlassen und müssten sich von Freunden, Verwandten oder Nachbarn mit Lebensmitteln versorgen lassen, die dann die Einkäufe vor der Haustür abstellten.

In Baden-Württemberg halten die Gesundheitsbehörden Familie, Freunde und Kollegen von vier Infizierten im Blick. Am Dienstagabend wurde ein Nachweis bei einem Italien-Rückkehrer in Göppingen bekannt. Nach Angaben der Behörden steht der Fall in Zusammenhang mit zwei Nachweisen in Tübingen. Bei einem Fall im Landkreis Rottweil war ein Mann mit seiner Familie aus einem Risikogebiet, dem Ort Codogno in der italienischen Provinz Lodi, eingereist.

In Deutschland waren vor mehr als zwei Wochen insgesamt 16 Sars-CoV-2-Infektionen gemeldet geworden, die nicht zu weiteren bekannten Ansteckungen geführt haben.

Aus weiteren Ländern wurden erste Fälle gemeldet, etwa aus Israel, Dänemark, Norwegen, Estland und Rumänien. In Italien gibt es mit mehr als 500 Infizierten und mindestens 14 Toten den größten Ausbruch Europas. Saudi-Arabien hat aus Sorge vor einer Verbreitung seine Grenzen für Pilgerreisen von Ausländern in die beiden Städte Mekka und Medina geschlossen. Vorerst ausgesetzt würden auch Einreisen mit Touristenvisa aus Ländern, in denen die Verbreitung des Virus eine Gefahr darstelle, teilte das Außenministerium in Riad mit. Für welche Länder dies gelte, blieb zunächst unklar.

In Südkorea verschieben die Streitkräfte des asiatischen Landes und der USA ihr Frühjahrsmanöver auf unbestimmte Zeit. Die Gesundheitsbehörden des Landes meldeten im Verlauf des Donnerstags 505 neue Fälle und damit mehr als China. Die Zahl der Menschen, die sich nachweislich mit dem neuartigen Coronavirus angesteckt haben, kletterte auf 1766. Bisher wurden 13 Todesfälle mit dem Virus in Verbindung gebracht. Die Mehrzahl der neuen Infektionen konzentriert sich auf die südöstliche Millionen-Stadt Daegu und die Region. Etwa die Hälfte aller Fälle im Land entfällt auf Anhänger der in Daegu stark vertretenen christlichen Sekte Shincheonji-Kirche Jesu, die auch Verbindungen nach China hat.

Japan will im Kampf gegen das neuartige Virus alle Schulen schließen. Die Maßnahme trete Montag in Kraft, sagte Premierminister Shinzo Abe am Donnerstag. Die Schließung soll demnach bis zum Beginn der zehntägigen Frühlingsferien Ende März gelten.

In China stieg die Zahl erfasster Infektionen auf rund 78 500, die Zahl der Toten lag in der offiziellen Statistik für Festlandchina bei 2744. Seit einer neuerlichen Änderung der Zählweise vergangene Woche hat sich der täglich berichtete Anstieg der neuen Infektionen mit dem Virus und der Todesfälle in der Statistik Chinas deutlich reduziert.

Beides wird von amtlichen Stellen gerne zitiert, wenn dazu aufgerufen wird, an anderen Orten des Landes zur Normalität zurückzukehren und die Produktion wieder aufzunehmen. Experten gehen aber von einer sehr hohen Dunkelziffer aus. (dpa)