Allein in der Hauptstadt wurden in den eiskalten Nächten der vergangenen Tage zwei Menschen ohne festen Wohnsitz tot aufgefunden - einer auf einer Parkbank, ein weiterer auf dem Gelände eines ehemaligen Schwimmbads. Einer der Männer starb in der Nacht zum Freitag und ist in der Zählung der Arbeitsgemeinschaft noch nicht erfasst. Die Todesursache war bei beiden zunächst noch unklar.
Da von Bund, Ländern und Kommunen keine offiziellen Statistiken zu Kältetoten geführt würden, sei die Definition nicht immer einfach, sagte Rosenke. Die Arbeitsgemeinschaft stütze sich bei ihrer bundesweiten Zählung auf Medienberichte. »Es geht dabei um Menschen, die auf der Straße durch die Einwirkung von Kälte gestorben sind«, erläuterte sie. »Auch Herzversagen kann dabei mit Unterkühlung zusammenhängen.« Oft würden Obduktionsberichte aber gar nicht öffentlich - oder gar keine Untersuchungen zu den Todesursachen veranlasst.
Die Arbeitsgemeinschaft zählt Kältetote in Deutschland seit dem Beginn der 1990er Jahre. 314 Fälle seien seitdem dokumentiert, berichtete Rosenke. Bei 38 weiteren Menschen bestehe der Verdacht, dass Unterkühlung mit zur Todesursache gehörte. Früher seien pro Jahr 20 bis 30 Fälle bekannt geworden. »Es hat etwas gebracht, dass es in vielen Großstädten jetzt Kältebusse oder Kältepatrouillen gibt«, sagt Rosenke. Auch Kältetelefone, über die Bürger Hilfe rufen können, wenn sie Obdachlose nachts draußen sehen, seien eine Hilfe.
Dass Obdachlose trotz eisiger Nächte keine der bereitstehenden Notquartiere aufsuchten, habe manchmal auch etwas mit Restriktionen beim Einlass zu tun. Wer alkoholisiert, mit Hund oder großen psychischen Problemen vor der Tür stehe, dürfe nicht bei jeder Einrichtung ins Warme. »Da muss man schauen, ob sich solche Restriktionen lockern lassen«, ergänzte die Geschäftsführerin. Dennoch sei die Situation kein Vergleich mit der im Nachbarland Polen. Dort erfrören jeden Winter Dutzende Obdachlose, weil sie bei generell streng geführten Unterkünften abgewiesen würden.
Die größte Herausforderung für deutsche Kommunen sieht die Arbeitsgemeinschaft im Umgang mit obdachlosen EU-Bürgern. Die Zahl perspektivloser Menschen, die nicht selten bei ihrer Arbeit in Deutschland um ihren Lohn geprellt wurden und dann auf der Straße landeten, wachse. »Da müssen die Städte ran. Und zwar nicht nur im Winter«, sagte Rosenke. »Auch diese Menschen haben Rechte und ihre Ansprüche an das Sozialsystem müssen individuell geprüft werden.« Migration innerhalb der EU werde eher noch zunehmen, da sich die Armutsschere zwischen den Staaten mittelfristig nicht schließe, sondern eher größer werde.
Kälte kann für Menschen lebensgefährlich werden, weil der Körper nach und nach auskühlt und wichtige innere Organe versagen. Bei weniger als 20 Grad Körpertemperatur gilt die tödliche Schwelle nach Angaben von Ärzten in der Regel als überschritten. Meist kommt es dann zu Herzversagen. Doch bereits bei weniger als 26 Grad Körpertemperatur ist ein Mensch oft nicht mehr ansprechbar. Normal sind um die 37 Grad.
Wie viel Kälte ein einzelner Mensch aushält, hängt von einer Vielzahl von Faktoren ab. Dabei spielen nicht nur Temperatur, Wind, Feuchtigkeit und Kleidung eine Rolle, sondern auch Körperbau und Muskelarbeit. Dass Alkohol gegen Kälte hilft, ist ein Irrtum: Er beschleunigt die Unterkühlung. Stark betrunkene Menschen bemerken die Lebensgefahr zudem oft nicht. Sie fühlen sich warm, obwohl ihre inneren Organe vor dem Kollaps stehen.