BERLIN. Trotz schärferer Auflagen zum Ausbau des schnellen mobilen Internets in Deutschland sind auch zukünftig Funklöcher möglich.
Die Bundesnetzagentur legte am Montag Vergaberegeln fest, auf deren Basis im Frühjahr 2019 5G-Frequenzen versteigert werden sollen - bis Ende 2022 sollen mindestens 98 Prozent der Haushalte in Deutschland Zugang zum schnellen Mobilfunk haben. Das Downloadtempo muss bei mindestens 100 Megabit pro Sekunde liegen. Eine hundertprozentig Abdeckung in der Fläche ist demnach nicht vorgesehen. Allerdings müssen alle Autobahnen, Bundes- und Landstraßen sowie wichtige Zugstrecken und Wasserwege mit dem schnellen Netz versorgt werden. Hier gelten Mindestvorgaben von 100 beziehungsweise 50 MBit/s.
Die Deutsche Telekom beklagte, dass es bei den verschärften Ausbauauflagen geblieben sei, die deutlich über das hinausgingen, was die Bundesnetzagentur zuvor selbst als zumutbar und verhältnismäßig beschrieben habe. »Die Umsetzung dieser Auflagen ist schon aus heutiger Sicht unrealistisch.« Deutschland habe die längsten Genehmigungsverfahren für Antennenstandorte in Europa. »Wenn jetzt, wie auch von Mitgliedern des Beirats angekündigt, schnell zusätzliche gesetzliche Verschärfungen in Richtung verpflichtendes National Roaming und Diensteanbieterverpflichtung geplant sind, wird die Auktion endgültig zum Spielball der Politik - zum Nachteil des Digitalstandortes Deutschland.«
Die Bedenken der Provider hatten zahlreiche Politiker nicht daran gehindert, möglichst hohe Auflagen zu verlangen, um besonders den ländlichen Raum zu stärken und dadurch Arbeitsplätze auch in strukturschwachen Gegenden zu ermöglichen - 5G ist für die Industrie wichtig, Innovationen wie autonomes Fahren oder Telemedizin benötigen eine möglichst schnelle Datenübertragung.
Netzagentur-Präsident Homann zeigte sich nach dem Votum des Beirats erleichtert. »Durch die Vergabe der Frequenzen schaffen wir Planungs- und Investitionssicherheit und tragen zu einem schnellen und bedarfsgerechten Ausbau der Mobilfunknetze in Deutschland bei«, sagte er. Der Vorsitzende des Beirats, Joachim Pfeiffer (CDU), sprach von einem »Sprung nach vorne in die Gigabitgesellschaft«.
Die Behörde hatte sich um einen Mittelweg zwischen Interessen der Netzbetreiber und der Öffentlichkeit bemüht. So werden die Telekommunikationsunternehmen nicht gezwungen, ihre Netze für ein nationales Roaming zu öffnen. Nationales Roaming bedeutet, dass ein Verbraucher in einem Funkloch kostenlos das Netz eines anderen Anbieters nutzen kann - bisher ist das nur im Ausland möglich. Die Netzbetreiber werden den Vergaberegeln zufolge aber von der Bundesnetzagentur verpflichtet, über eine technische und vertragliche Kooperation mit ihren Wettbewerbern zu verhandeln. Tun sie das nicht, könnte die Netzagentur als Schiedsrichter einschreiten und hohe Bußgelder verhängen. Außerdem könnte durch Gesetzesveränderungen später doch noch ein nationales Roaming erzwungen werden.
Der Beirat forderte die Bundesnetzagentur auf, »ihre Möglichkeiten auszuschöpfen, die Marktteilnehmer zu maximaler Kooperation zu bewegen, damit allen Endkunden möglichst durchgängige Netze zugänglich sind«. Hierbei ging es um Anrechnungsmöglichkeiten - wenn an einer Landstraße nur ein Netz empfangbar ist, ist das aus Sicht der Netzagentur kein Funkloch - obgleich Kunden der anderen Netzbetreiber dort keinen Empfang haben. Der Beirat machte deutlich, dass die Firmen in solchen Fällen zusammenarbeiten sollten.
Auch der Vize-Vorsitzende des Beirats, Niedersachsens Umweltminister Olaf Lies (SPD), wertete die Vergaberegeln insgesamt zwar positiv, sagte aber auch: »Mir reicht das überhaupt nicht aus, um eine flächendeckende Versorgung in Deutschhland herzustellen.« Er rechnet damit, dass mindestens 10 Prozent der Fläche der Bundesrepublik Funklöcher bleiben werden. Der Beirat forderte die Bundesregierung und Bundesnetzagentur auf, für dieses Problem ein Gesamtkonzept zu erstellen. Nach Vorstellungen von Lies könnten diese weißen Flecken auf der Mobilfunk-Landkarte mit einer »negativen Auktion« geschlossen werden - der Staat gibt also demjenigen Anbieter Geld, der eine Funkloch-Gegend am billigsten mit mobilem Internet versorgt.
Unzufrieden zeigte sich die FDP - deren Vertreter im Beirat, Reinhard Houben und Frank Sitta, stimmten gegen das Regelwerk. Sie monierten, dass sich Versorgungsauflagen weiterhin auf die Zahl der abgedeckten Haushalte bezögen. »Dieser Ansatz wird dem potenziellen Anwendungsspektrum des Mobilfunks nicht gerecht. Wir fordern statt einer Haushaltsauflage die Umstellung auf Fläche.«
Die Grünen bemängelten, auch beim 5G-Ausbau gelte für die Bundesregierung das Credo »Straße vor Schiene«. Die deutsche Automobilindustrie profitiere besonders. »Einmal mehr konnten eilig Lobbyinteressen durchgesetzt werden. Den Autokonzernen wird auf Kosten der Steuerzahler eine komplette 5G-Infrastruktur errichtet. Der Ausbau von 5G auf der Schiene wird zweitrangig behandelt«, kritisierten die Grünen-Abgeordnetinnen Margit Stumpp und Katharina Dröge.
Die Deutsche Bahn begrüßte dagegen die Auflagen. »100 Mbit/s für die fahrgaststarken Bahnstrecken bis 2022 bedeuten einen spürbaren Gewinn für alle Kunden der DB und einen historischen Technologieschub für den Schienenverkehr«, erklärte Sabina Jeschke, Vorstand Digitalisierung und Technik.
5G spielt für Privatkunden derzeit noch eine untergeordnete Rolle, da die meisten verfügbaren Anwendungen noch mit 4G (LTE) gut nutzbar sind. Auch sind noch keine 5G-fähigen Smartphones auf dem Markt. Erste 5G-Verträge dürften nicht vor 2020 in Deutschland zu haben sein. (dpa)