BERLIN. Mehrere Online-Kanäle des rechtsradikalen Kochbuch-Autors Attila Hildmann sind von Hackern übernommen worden. Auf seiner Webseite erschien am Montag ein Banner des Hackerkollektivs »Anonymous«. Auch Hildmanns Telegram-Kanal enthält eine Nachricht der Aktivistengruppe.
Das Hackerkollektiv hat in einem Blogbeitrag die Übernahme der Kanäle für sich reklamiert und behauptet, im Besitz zahlreicher E-Mails von Hildmann und anderen sensiblen Daten zu sein.
Dem Bekennerschreiben zufolge soll ein ehemaliger Vertrauter Hildmanns die Zugriffsdaten zur Verfügung gestellt haben. Der Verschwörungserzähler bestätigte die Übernahme seiner Kanäle in einer Sprachnachricht auf einem weiteren Telegram-Kanal, der ihm zugeordnet werden kann.
Dem jungen Mann, der in Hildmanns Umfeld als IT-Administrator gearbeitet haben soll, war es offenbar gelungen, den Eindruck zu erwecken, die Daten seien bei ihm sicher vor dem Zugriff der deutschen Strafverfolgungsbehörden. Deswegen habe Hildmann ihm die Logins und Internet-Domains freiwillig übergeben.
Details sollen folgen
»Anonymous« behauptet, die Daten gäben einen tiefen Einblick in die Welt des Holocaust-Leugners. In den kommenden Tagen würden Details veröffentlicht werden, damit die Presse und Strafverfolgungsbehörden sie auswerten könnten. So soll aus den erbeuteten E-Mails hervorgehen, welche Unternehmen nach der Radikalisierung Hildmanns sich von ihm distanziert und eine Zusammenarbeit mit dem einst erfolgreichen TV-Koch eingestellt haben und welche Firmen die Kooperation fortgesetzt haben.
In dem Bekenner-Beitrag schreibt »Anonymous« auf der Internetseite anonleaks.net zudem, das Kollektiv sei im Besitz von Bildern, die den Vorwurf untermauern würden, dass der Haftbefehl gegen Hildmann aus der Berliner Justiz durchgestochen worden sei. Die Berliner Staatsanwaltschaft hatte im Mai 2021 mitgeteilt, dass gegen Unbekannt wegen Verletzung von Dienstgeheimnissen ermittelt werde. Es werde vermutet, dass Informationen über einen Haftbefehl gegen Hildmann aus den eigenen Reihen unzulässig weitergereicht wurden.
Kein Stillstand im Ermittlungsverfahren
Gegen Hildmann wird auch wegen des Verdachts der Volksverhetzung ermittelt. Im Juli teilte die Berliner Staatsanwaltschaft mit, dass ein Ende der Ermittlungen nicht abzusehen sei. Es kämen auch neue Verdachtsfälle durch aktuelle Äußerungen im Internet hinzu, sagte eine Sprecherin der Berliner Staatsanwaltschaft. Es gebe keinen Stillstand in dem Ermittlungsverfahren.
Ein Haftbefehl gegen Hildmann kann nicht vollstreckt werden - er soll zuletzt in der Türkei gewesen sein. Der 40-Jährige hat laut Staatsanwaltschaft neben der deutschen auch die türkische Staatsbürgerschaft.
Früher als veganer Kochbuchautor und Fitness-Guru bekannt, nennt Hildmann sich inzwischen selbst »ultrarechts« und einen Verschwörungsprediger. Er trat bei Protesten gegen die Corona-Schutzmaßnahmen auf. Seine Äußerungen lösten Kritik und Entsetzen aus - etwa bei seinem Kochbuch-Verlag, der die verlegerische Zusammenarbeit schon vor Jahren einstellte.
Seit dem Sommer 2020 fiel Hildmann auf dem Messenger-Dienst Telegram mit immer unverhohlenerem Judenhass auf. Er postete wiederholt Hakenkreuze, leugnete den Holocaust und überzog Personen des öffentlichen Lebens mit antisemitischen Schmähungen. »Ich bin Nationalsozialist«, schrieb er im Mai dieses Jahres.
Rechtsanwalt Christian Solmecke wies darauf hin, dass Hildmann gegen die Übertragung der Internet-Adressen (Domain) an eine andere Person bei der Denic-Organisation einen Widerspruch einlegen kann. »Damit könnte verhindert werden, dass die Domain noch weiter übertragen wird.« In einem zivilrechtlichen Verfahren müsste dann geklärt werden, wer der wahre Eigentümer der Domains sei.
Rückübertragung des Accounts möglich
Neben der eigentlichen Domainübertragung stünden dem Verschwörungserzähler auch Ansprüche aus seinem Namensrecht, dem Markenrecht und dem Urheberrecht zu. »Mit Hilfe dieser Rechte könnte er auch eine Rückübertragung seines Telegram-Accounts fordern.«
Die angekündigte Veröffentlichung der Tausenden E-Mails wertete der Spezialist für Onlinerecht als Verletzung der Persönlichkeitsrechte von Hildmann. Dabei könnten viele Tausend Euro Schadensersatz auf die Beteiligten zukommen, sofern sie denn gefasst werden können. »Letztlich haben in unserem Rechtsstaat auch Verschwörungstheoretiker Rechte und können sie mithilfe einer Justiz, deren Existenz sie teils selbst leugnen, durchsetzen.«
Dabei spiele auch keine Rolle, dass Hildmann selbst in die Türkei geflohen sei, um den deutschen Strafverfolgungsbehörden zu entgehen, da es hier um einen zivilrechtlichen Anspruch und nicht um die Verfolgung durch den deutschen Staat gehe. (dpa)