REUTLINGEN. Klar kann man sagen, der BND-Chef muss ja warnen. Das ist sein Job. Allerdings, ist Deutschlands neuer oberster Geheimdienstler weder Scharfmacher noch einer, der eine politische Agenda hat. Martin Jäger ist Realist. Insofern darf es schon beunruhigen, wenn so jemand einerseits von »heißer Konfrontation« spricht und andererseits attestieren muss, dass Deutschland weder militärisch noch in der Spionageabwehr oder mental für eine solche gerüstet sei. Leider unterstreicht Jägers Bericht einmal mehr, dass wir in einer anderen Realität angekommen sind. Und so, wie wir uns an die längste Friedensperiode unserer Republik angepasst haben, so müssen wir uns an die diese neue Zeit, in der militärische Stärke angesagt ist, anpassen.
Kritiker behaupten, dass diese Argumentation der Kriegstreiberei dient und warnen ihrerseits vor Überwachungsstaat, Militarisierung und Provokation. Und ja, sie haben recht. Es sollte schon hingeschaut werden, was da alles im Namen der nationalen Sicherheit getan wird. Doch untätig abzuwarten, wie sich die Sicherheitslage entwickelt, kann selbst für die Pazifisten im Bundestag keine Option mehr sein.
Der nötige mentale Wandel, in der Bevölkerung, wird schwierig sein. Denn die gesellschaftliche Resilienz für einen Kriegsfall oder ähnliches ist verloren gegangen. Noch vor 30 Jahren hatte jede Familie genug Vorräte, um problemlos zwei Wochen ohne Supermarkt auszukommen. Noch vor 25 Jahren war die allgemeine Wehrpflicht in der Bevölkerung fest verankert. Noch vor 20 Jahren vertraute der Bürger auf Politiker und Medien und nicht auf unregulierte Dampfplauderer in sozialen Medien. Dass sich dies erneut wandelt, scheint ohne immanente Bedrohung unwahrscheinlich.

