REUTLINGEN. Ja, das Bild der Innenstädte in Deutschland hat sich in den vergangenen Jahren verändert. Und ja, das liegt zu einem gewissen Teil daran, dass seit rund zehn Jahren viele Menschen als Flüchtlinge hierhergekommen sind. Diese nutzen den öffentlichen Raum stark und haben oft nicht das klassische Aussehen eines Mitteleuropäers. Aber sollte das der Grund sein, dass mehr Menschen abgeschoben werden? Nein! Haben Hautfarbe und Herkunft generell etwas mit Kriminalität zu tun? Nein! Bundeskanzler Friedrich Merz hat sich leider ein weiteres Mal heftig im Ton vergriffen.
Eine gewisse Skepsis gegenüber dem Fremden ist bei uns Menschen tief verankert, und sich häufende Fälle von Gewalt tun ihr übriges, dass manch Einheimischer sich in gewissen Bereichen seiner Stadt nicht mehr wohl oder sicher fühlt. Das ist nachvollziehbar und gegen Kriminalität muss etwas unternommen werden. Ein generelles Urteil, wie von Merz vielleicht ungewollt angedeutet, lässt sich aber nicht fällen. Das ist Kleinstadtdenken und Stammtischgerede und erinnert an die Stereotypen zu Beginn der Gastarbeiterjahre.
Unglücklicherweise ist es nicht das erste Mal, dass Merz verbal entgleist. Er muss sich nun endgültig darüber klar werden, dass dieses populistische Geschwätz nicht in den Bundestag gehört. Vom Bundeskanzler erwarten die Bürger Redegewandtheit. Oberflächliche Parolen sind in diesem Amt fehl am Platz. Ob »Drecksarbeit«, »Zahnarzttermine« oder »Stadtbild«: Solche Äußerungen braucht ein renommierter Politiker nicht, um Aufmerksamkeit zu erregen. Sie schaden nur der eigenen Reputation. Viel besser ist da Klartext mit Niveau - und dass er den auch kann, hat Friedrich Merz bereits öfter bewiesen.

