MENLO PARK. Facebook stand schon sehr oft in der Kritik von Datenschützern und Politikern – und erholte sich wieder davon. Doch jetzt stürzt ein Skandal um die Datenanalyse-Firma aus dem Wahlkampf von Donald Trump das Online-Netzwerk in seine tiefste Krise. Cambridge Analytica soll sich durch einen Trick einige Daten von rund 50 Millionen Facebook-Mitgliedern beschafft haben.
Facebook selbst sieht sich als Opfer eines Betrugs – doch es ist alles andere als Sympathie, die dem weltgrößten Online-Netzwerk entgegenschlägt. Politiker auf beiden Seiten des Atlantiks setzen zu einer härteren Regulierung an. Anleger stoßen Facebook-Aktien ab. Bei Twitter macht der Hashtag »#deletefacebook« (lösche Facebook) die Runde. Er wurde unter anderem von WhatsApp-Mitgründer Brian Acton aufgegriffen, der den Messaging-Dienst für rund 22 Milliarden Dollar an Facebook verkauft hatte und bis vor Kurzem auch dort beschäftigt war.
Das sind Zeichen dafür, dass die öffentliche Stimmung so einhellig gegen Facebook ist wie vielleicht noch nie zuvor. Die Soziologin Zeynep Tufekci schreibt in der »New York Times« von »Facebooks Überwachungsmaschine«. Der frühe Facebook-Investor Roger McNamee warnt eindringlich, wenn die Firma nicht reagiere, würden sich Nutzer abwenden. Das könne die Plattform »dauerhaft bedrohen«.
Von Gründer und Chef Mark Zuckerberg war in der Krise zunächst tagelang nichts zu hören. Am Mittwoch übte er sich in einem Facebook-Eintrag in Demut: »Wir haben die Verantwortung, Ihre Daten zu schützen – und wenn wir dies nicht können, verdienen wir es nicht, Ihnen zu dienen.« Facebook habe Fehler gemacht und werde die Daten künftig besser schützen. Eine ausdrückliche Entschuldigung gab es erst in einem CNN-Interview am Abend: »Das war ein grober Vertrauensbruch und es tut mir sehr leid, dass das passiert ist«, sagte er. Er kündigte neben Reformen der sozialen Plattform an, – falls nötig – auch vor dem US-Kongress zu dem Datenskandal auszusagen.
Umfrage mit Daten-Krake
Bis vor Kurzem konnte die Facebook-Führung noch glauben, dass der Fall Cambridge Analytica ausgestanden sei. Was passierte, ist schnell erzählt. Die Firma, die unter anderem für Trump aktiv war, suchte nach Nutzer-Daten für gezielte politische Werbung. Und zwar mit dem Ansatz, dass verschiedene Persönlichkeitsgruppen unterschiedlich beeinflussbar seien. Aber wie kommt man an so etwas heran, wenn Facebook es nicht verkauft? Indem man sich die Informationen von den Nutzern selbst geben lässt. Also setzte ein britischer Professor eine Facebook-App mit einer Umfrage auf, bei der Nutzern am Ende ihr psychologisches Profil versprochen wurde. Rund 270 000 Mitglieder luden sich nach Angaben von Facebook die Umfrage herunter.
Was sie nicht wussten: Ihre Daten gingen direkt an Cambridge Analytica für die Erstellung psychologischer Profile. Und nebenbei auch noch Profildaten ihrer Facebook-Freunde, wie zum Beispiel »Likes« und Interessen. Den Nutzern war das nicht bewusst. Facebook schränkte solchen Schnittstellen-Zugriff auf Freundes-Profile bereits 2015 ein. Als das Online-Netzwerk über Medienberichte im selben Jahr Wind von der Aktion der Datenanalytiker bekam, wurde ihnen auferlegt, die Informationen zu löschen. Und Facebook gab sich mit der Zusicherung zufrieden, dass dies geschehen sei. Die Sache schien geregelt.
Doch zum vergangenen Wochenende wurde klar, dass einer der Beteiligten, der Datenanalytiker Christopher Wylie, sich seine Sünden von der Seele reden will. Dabei kam unter anderem die schockierende Zahl von 50 Millionen betroffenen Nutzern auf. Der Zeitung »Guardian« zufolge gerieten im Schnitt mindestens 160 weitere Facebook-Mitglieder pro Umfrage-Teilnehmer in den Datenpool von Cambridge Analytica. Zuckerberg sagte, es seien Dutzende Millionen von Facebook-Freunden der Umfrage-Teilnehmer betroffen gewesen. (dpa)
UMGANG MIT FACEBOOK
Wie erfahre ich, was Facebook so alles über mich weiß?
Ein Blick in das eigene Archiv reicht dafür aus. Das geht über die Einstellungen. Dort ist unterhalb der allgemeinen Kontoeinstellungen ein unscheinbarer Link namens »Lade eine Kopie deiner Facebook-Daten herunter«. Wer ihn anklickt, wird auf eine neue Seite geleitet, auf der die Zusammenstellung des persönlichen Facebook-Archivs eingeleitet werden kann. Nach Eingabe des Passworts landet wenige Minuten später ein Download-Link im Posteingang der bei Facebook hinterlegten E-Mail-Adresse.
Lädt man sein persönliches Archiv später herunter, sind darin unter anderem alle gegenüber Facebook gemachten Angaben zu sehen, aber auch alle Chats mit Freunden und Bekannten, Veranstaltungen und Vorlieben. Auch die zu Werbezwecken gesammelten Interessen sind gelistet. Die Dateien in dem heruntergeladenen Archiv können mit einem beliebigen Browser angesehen werden. (tmn)