BERLIN/REUTLINGEN. Die Union zeigt ein ganz neues Gesicht. Die Partei, die von der Konkurrenz gern als Kanzlerwahlverein verulkt wird, weil sie stets auf Zusammenhalt und Geschlossenheit großen Wert legt, entdeckt das öffentliche Debattieren. Mit dem Ende der Merkel-Ära stellt sich die Frage der Kanzlerkandidatur der Union in ganz neuer Schärfe. Der Reutlinger CDU-Bundestagsabgeordnete Michael Donth hat sich vor wenigen Tagen mit mehreren Parlamentariern dafür ausgesprochen, Markus Söder ins Rennen zu schicken.
Im Gespräch mit dem GEA erläutert er seine Beweggründe: »Ich habe den Eindruck, dass in den vielen Jahren mit Angela Merkel eine eher auf Konsens orientierte Politik geführt wurde – und das war auch gut so. Nun ist es an der Zeit, mit jemand anzutreten, der als Macher wahrgenommen wird. Das ist für mich Markus Söder. Armin Laschet ist eher ein Brückenbauer, der den Konsens sucht«, erläutert Donth seine Festlegung. Er glaube, dass in Zeiten einer Corona-Pandemie, die Bürger eher einen Macher und Krisenmanager erwarten.
Die CDU fällt in den Umfragen weiter zurück. Das sorgt für Nervosität und zeige den Veränderungsbedarf. »In dieser Lage ist es ein großer Vorteil, wenn jemand wie Söder polarisieren kann«, mein Donth. So werde das Profil der Union wieder sichtbarer. Dennoch sei der CSU-Chef aber kein Spalter, sondern könne auch zusammenfuhren. Als Beispiel nennt er das Bienen-Volksbegehren im Freistaat. Da habe Söder gezeigt, wie man erfolgreich die berechtigten Interessen von Landwirten und Umweltschützern zusammenführen kann.
Viele Rückmeldungen aus der Bevölkerung bekommen
Auch wenn Donth in der Südwest-CDU nicht die Mehrheitsmeinung abdeckt, fühlt er sich dennoch nicht als Außenseiter. »Ich habe ganz viele Rückmeldung aus der Bevölkerung erhalten, die meine Festlegung für richtig halten und mich dafür ausdrücklich loben.« Zudem bestätige ihn auch der Blick auf die Umfragen. Da liege Söder klar vor Laschet.
Auch für die Reutlinger CDU-Stadtverbandsvorsitzende Gabriele Gaiser ist die Sache ziemlich klar: »Ich würde mir auf Grund der Anzeichen in der breiten Bevölkerung wünschen, dass es Söder wird.« Gaiser hält den CSU-Chef für »pointierter«, er habe eine klarere Linie, sagt sie. Auch wenn sich das CDU-Präsidium heute für Armin Laschet entschieden hat, hält sie den Kampf noch nicht für verloren; in den Beliebtheitswerten führe Söder schließlich deutlich, sagt sie. »Ich würde mir wünschen, dass die Basis bei der entgültigen Entscheidung mehr involviert wird.«
Der frisch gewählte CDU-Landtagsabgeordnete Manuel Hailfinger hätte sich gewünscht, dass sich Armin Laschet und Markus Söder am Wochenende in Sachen Kandidatur geeinigt hätten. »Diese Riesendiskussion hätten wir so nicht gebraucht«, sagt Hailfinger, der auch Vorsitzender des CDU-Kreisverbandes ist. Das sei alles andere als optimal für den Zusammenhalt der Partei. Er urteilt diplomatisch und attestiert Armin Laschet eine Fährigkeit zu überraschen: »Er hat schließlich 2017 Hannelore Kraft geschlagen, das hätte auch keiner gedacht.« Trotzdem habe Markus Söder stärkere Umfragewerte. »Er gefällt vielen zumindest im Süden besser, weil er einfach eine klarere Linie hat.« (GEA)