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Regierungsbildung: Die Kleinen ganz groß

Christian Lindner von der FDP und Annalena Baerbock von den Grünen: Beide können sich vorstellen, in einer neuen Regierung mitzu
Christian Lindner von der FDP und Annalena Baerbock von den Grünen: Beide können sich vorstellen, in einer neuen Regierung mitzuarbeiten. Foto: Gregor Fischer/dpa
Christian Lindner von der FDP und Annalena Baerbock von den Grünen: Beide können sich vorstellen, in einer neuen Regierung mitzuarbeiten.
Foto: Gregor Fischer/dpa
Das offene Flirten von Liberalen und Grünen ist eine der Überraschungen des Wahlabends. FDP-Chef Christian Lindner stellt infrage, was in der deutschen Politik lange Usus war: Die stärkste Partei erbt automatisch den Führungsanspruch, darf versuchen, eine Regierung zu bilden und den Kanzler zu stellen. Doch wenn sowohl CDU als auch SPD nur 25 Prozent auf die Wagschale bringen, kann man durchaus fragen, ob das noch zeitgemäß ist.

FDP und Grüne drehen den Spieß um. Sie wollen selbst die Sondierungsgespräche einberufen und schauen, wo es zwischen diesen beiden so unterschiedlichen Parteien politische Schnittmengen gibt. Erst danach wird mit Armin Laschet und Olaf Scholz verhandelt. Diese Umkehr der üblichen Reihenfolge illustriert die Machtverschiebung und macht klar: In einem Dreierbündnis wird ein Kanzler von den Kleinen klein gehalten. Baerbock und Lindner können Union und SPD gegeneinander ausspielen und sich danach den schwächsten Partner aussuchen. So können sie ihre eigenen Ziele maximal durchsetzen.

Natürlich ist das ein riskantes politisches Projekt. Denn FDP und Grüne sind grundverschieden. Während die Liberalen auf Marktwirtschaft, weniger Steuern, Wirtschaftswachstum und Freiheitsrechte setzen, wollen die Grünen einen höheren Mindestlohn, mehr Staat, höhere Steuern und Verbote. Doch gerade in der Gegensätzlichkeit steckt der Reiz, wie es auch Grünen-Chef Robert Habeck formulierte. Denn die beiden könnten im besten Fall den Beweis antreten, wie man Deutschland zu einem klimaneutralen Industrieland umbaut, auf das in Europa Verlass ist. Einen Versuch ist es allemal wert.

davor.cvrlje@gea.de