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Leistungsschutzrecht: »Eine Frage von Leben und Tod«

Europaparlament stimmt über Leistungsschutzrecht ab. Verleger und Journalisten solidarisch

Die Werte, die Europa ausmachen, müssen verteidigt werden. Valdo Lehari jr. kämpft seit Jahrzehnten für unabhängige Medien.  FOT
Die Werte, die Europa ausmachen, müssen verteidigt werden. Valdo Lehari jr. kämpft seit Jahrzehnten für unabhängige Medien. Foto: dpa
Die Werte, die Europa ausmachen, müssen verteidigt werden. Valdo Lehari jr. kämpft seit Jahrzehnten für unabhängige Medien.
Foto: dpa

BRÜSSEL/REUTLINGEN. Es ist nicht selbstverständlich, dass Verleger und Journalisten solidarisch sind. In der Frage eines Leistungsschutzrechts für Zeitungs- und Zeitschriftenverlage im Rahmen der europäischen Urheberrechtsreform besteht an dieser Solidarität aber aktuell nicht der geringste Zweifel. Sammy Ketz, Krisenreporter der französischen Nachrichtenagentur Agence France Presse, wandte sich in einem dramatischen Appell an die europäischen Parlamentarier, um die Reform nach zweijähriger, endlos scheinender Diskussion am Mittwoch (12. September) endlich Realität werden zu lassen. »Es ist eine Frage von Leben und Tod« schreibt Ketz. Zahlreiche Journalistinnen und Journalisten haben das Schreiben unterzeichnet und damit das Parlament aufgefordert, die Position der Zeitungs- und Zeitschriftenverlage zu stärken. Nahezu alle Nachrichtenagenturen Europas unterstützen die Initiative.

Warum geht es? Journalistische Qualität wird von den internationalen Internetgiganten seit Jahren massiv bedroht. Google, Facebook, Amazon und andere nutzen Tageszeitungsinhalte lizenzlos, ohne auch nur einen Cent dafür zu bezahlen. Gegen diese Ausbeutung journalistischer Arbeit können sich die Verlage europaweit bisher nicht wehren. Anders als Rundfunkanbieter, Film- und Musikproduzenten haben Verleger und Journalisten bis heute auf europäischer Ebene keine Rechte an den eigenen Produktionen.

»Verleger- und Journalistenverbände haben europaweit Einigung in dieser Frage erzielt, das ist ein großer Schritt«, sagt Valdo Lehari jr., Verleger des Reutlinger General-Anzeigers, Vizepräsident des Verbandes Deutscher Zeitungsverleger (BDZV) und der europäischen Zeitungsverleger (ENPA). »In Europa ist unstrittig, wie wichtig guter Journalismus ist. Guter Journalismus ist überlebensnotwendig für die Demokratie und damit auch für die Zukunft der EU. Nur guter Journalismus ist in der Lage, Fake News wirksam entgegenzusteuern. Es kann nicht sein, dass die journalistischen Produktionen der Tageszeitungen weiter ungeschützt sind.«

Plattformen wie Google und Facebook sollen zukünftig für Übernahmen aus den Tageszeitungen eine Lizenz erwerben und nach Verlagsentscheid Honorare bezahlen. Kritiker sehen durch die Vorschläge dagegen das freie Internet bedroht. Axel Voss von den europäischen Christdemokraten zeigte sich im Juli bitter enttäuscht von dem ersten Negativvotum des Europaparlaments. Die »beispiellose Kampagne der Internetgiganten, die aus Eigeninteresse Unwahrheiten über eine vermeintliche Zensur des Internets verbreitet haben«, habe offenbar Früchte getragen. »Wir können nicht zulassen, dass kultureller Diebstahl im Internet legalisiert wird.« Verleger und Journalisten beklagen massenhafte Verletzungen des Urheberrechts im Netz. Letztlich gehe es um die Frage, ob journalistische Vielfalt erhalten werden könne, und um Augenhöhe bei Verhandlungen mit den Online-Riesen. Denn ohne ein eigenes Schutzrecht der Presse können Netzgiganten weiter digitale Produkte der Zeitungen und Zeitschriften für kommerzielle Zwecke nutzen. Der Vorschlag zur Urheberrechtsreform geht auf den damaligen EU-Digitalkommissar Günther Oettinger zurück, der ihn 2016 vorgelegt hatte.

Im Grunde geht es um nichts anderes als einen handfesten Skandal, um den täglichen Diebstahl von geistigem Eigentum durch die weltweit operierenden Internetgiganten. Valdo Lehari sagt: »Es geht uns nicht um Konfrontation, es geht um Gleichbehandlung mit Film, Fernsehen und Musikindustrie und um Augenhöhe mit den Technologiekonzernen.« Lehari, auch Präsident der Südwestdeutschen Zeitungsverleger (VSZV), vertritt eine klare Linie: »Es geht um Klarheit, es geht um eine Entscheidung. Es geht nicht um Kompromisse, die das Ziel nur verwässern würden.« Kurz vor der Entscheidung in Straßburg erklärten sich auch die US-Zeitungsverleger mit ihren europäischen Kollegen solidarisch. Das gab es zuvor eher selten.

»Es geht um Klarheit, um eine Entscheidung. Es geht nicht um Kompromisse, die nur verwässern«

In einer aktuellen Umfrage sprechen sich 86 Prozent der deutschen Bürgerinnen und Bürger dafür aus, dass der Schutz und die faire Honorierung von Kreativen durch staatliche Regelungen sichergestellt werden soll. In Deutschland gibt es ein Leistungsschutzrecht seit fünf Jahren, wird seitdem aber von Google juristisch bekämpft. Was den deutschen Verlegern aber den Optimismus nicht nimmt. »Wir haben uns auf eine grundsätzliche Auseinandersetzung eingestellt, es geht um die Frage, wem die Inhalte gehören und ob Google sich an deutsches und europäisches Recht hält«, sagt der Kölner Verleger Christian DuMont Schütte. »Verfahren über diese Fragen sind Langstreckenläufe, keine Sprints.«

Valdo Lehari: »In diesem Geschäft muss man Berufsoptimist sein.« Sollte die Reform die Hürde des Parlaments erneut nicht nehmen, müsste das Projekt zurück in die Ausschüsse gehen. Und das, obwohl der Rat der EU der Reform bereits zugestimmt hat. (GEA)