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Aktuell Brandmauer

Diskussion um Zusammenarbeit mit der AfD: Zerreißprobe für die Union

Die Diskussion um eine Zusammenarbeit mit der AfD ist nach den jüngsten Umfrageergebnissen in Bund und Ländern besonders im Lager der CDU erneut entbrannt. Noch sträubt sich die Mehrheit der demokratischen Parteien gegen Kooperationen und Koalitionen mit der Rechtsaußen-Partei. Die Frage ist, ob das nach den Wahlen machbar bleibt. Besonders die Christdemokraten sind in ihrer Haltung zum Umgang tief gespalten.

In der CDU gehen Meinungen, wie die Partei mit der AfD politisch umgehen soll, stark auseinander.
In der CDU gehen Meinungen, wie die Partei mit der AfD politisch umgehen soll, stark auseinander. Foto: Hauke-Christian Dittrich/dpa
In der CDU gehen Meinungen, wie die Partei mit der AfD politisch umgehen soll, stark auseinander.
Foto: Hauke-Christian Dittrich/dpa

REUTLINGEN. Die CDU ringt derzeit um die Strategie der Partei für die fünf Landtagswahlen im kommenden Jahr. In bundesweiten Umfragen kommt die AfD inzwischen auf 25 bis 27 Prozent und hat mit der Union gleichgezogen. In Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern, wo nächstes Jahr neue Landesparlamente gewählt werden, ist die AfD in den Umfragen bereits mit Abstand stärkste Partei. Merz hatte zuletzt erneut einen klaren Abgrenzungskurs gegenüber der AfD angekündigt, distanzierte sich aber vom Begriff der Brandmauer. Auch die anderen Parteien der Mitte und der Linken sträuben sich aktuell noch gegen Kooperationen und Koalitionen mit der Rechtsaußen-Partei. Die Frage ist, ob sie diese komplette Verweigerungshaltung nach den Wahlen im kommenden Jahr aufrechterhalten können beziehungsweise sollen. Denn dadurch könnten Landesregierungen handlungsunfähig werden.

Die Diskussion bei den Christdemokraten ist viel beachtet. Deswegen werden Stellungnahmen und Äußerungen oft auf die Goldwaage gelegt. So zum Beispiel die der CDU-Vize-Generalsekretärin Christina Stumpp. Diese antwortete unlängst in einem Podcast-Interview von »Politico« auf die Frage, ob das mögliche Tolerieren einer AfD-geführten Minderheitsregierung auch eine Form der Zusammenarbeit sei, mit »Nein!«. Zuvor hatte Stumpp wiederholt deutlich gemacht, dass es keine Zusammenarbeit, keine Absprachen und auch keine Koalition der CDU mit der AfD geben werde. Die CDU habe eine klare Haltung. Noch vor Veröffentlichung des Podcasts schob Stumpp zudem ein Dementi vor. In dem Podcast könne der Eindruck entstehen, sie würde eine Tolerierung der AfD durch die CDU befürworten, schreibt die Abgeordnete aus dem baden-württembergischen Waiblingen auf der Plattform X und ergänzt: »Das ist falsch, ich hatte die Frage missverstanden.«

Im Gegensatz dazu sehen es einige Christdemokraten im Osten pragmatischer. »Wenn wir unsere Entscheidungen weiterhin mehr an Brandmauern als an Inhalten ausrichten, springen immer mehr Menschen über die Brandmauern. Daraus müssen wir lernen«, erklärte der CDU-Landtagsabgeordnete Sven Eppinger, Vorsitzender der Heimatunion, einer betont konservativen Gruppe innerhalb der Union, die den Wert von Familie, Vaterland und Patriotismus betont. Eppinger sagt, es komme auf die Inhalte der Politik an, wie zum Wohle des deutschen Volkes gehandelt und wie Schaden von ihm abgewendet werde. »Es kommt nicht darauf an, welche der demokratisch gewählten Abgeordneten diese Inhalte unterstützt haben.«

Breites Spektrum zum Umgang mit der AfD

Soweit die unterschiedlichen Enden des Meinungsbildes in der CDU. Die Varianz resultiert in großen Teilen auch aus den zu erwartenden Wahlergebnissen, der im kommenden Jahr anstehenden Landtagswahlen. In Baden-Württemberg sieht es wie folgt aus: Wenn an diesem Sonntag Landtagswahl wäre, kämen die Christdemokraten mit ihrem Spitzenkandidaten Manuel Hagel auf 29 Prozent – ein Minus von 2 Prozentpunkten im Vergleich zum Mai, wie eine repräsentative Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Infratest dimap im Auftrag des Südwestrundfunks ergab. Vor einem Jahr lag die CDU noch bei 34 Prozent. Die AfD, die in Baden-Württemberg als rechtsextremistischer Verdachtsfall eingestuft wird, gewinnt hingegen zwei Prozentpunkte hinzu und liegt in dieser Umfrage mit 21 Prozent erstmals auf Rang zwei.

Im Osten ist die Situation schon jetzt deutlich zu Gunsten der AfD gekippt. Sie erreicht ein Jahr vor der Landtagswahl in Sachsen-Anhalt ihren bislang höchsten Umfragewert. Die vom Landesverfassungsschutz als gesichert rechtsextrem eingestufte Partei kommt in der Wählergunst aktuell auf 40 Prozent, wie das Meinungsforschungsinstitut Insa ermittelte. Die den Ministerpräsidenten stellende CDU erreicht demnach 26 Prozent. Dahinter folgen die Linke (11 Prozent), SPD (6), BSW (6), FDP (3) und Grüne (3). Damit baut die AfD ihren Umfragevorsprung weiter aus: In einer Anfang September veröffentlichten Infratest-dimap-Umfrage lag die AfD in Sachsen-Anhalt bei 39 Prozent und die CDU bei 27 Prozent. Bei nötigen Zweidrittelmehrheiten hätte die AfD alleine die Sperrminorität. Zu welchen Szenarien dies führen kann, zeigt die Landtagszusammensetzung in Thüringen.

Pragmatismus im Osten, Wertewandel im Bund

Entsprechend wenig verwundert es, dass sich jüngst vor der CDU-Präsidiumsklausur mehrere ostdeutsche CDU-Politiker dafür ausgesprochen haben, den Umgang mit der AfD zu überdenken. Der Fraktionsvorsitzende im Thüringer Landtag, Andreas Bühl, sagte der »Bild«-Zeitung: »Wenn ein Gesetz, das aus sachlichen Erwägungen und nach demokratischer Deliberation für richtig befunden wurde, auch Zustimmung von den politischen Rändern findet, ist das kein Grund zur Revision.« Wer seine Politik alleine daran ausrichte, von wem sie Zustimmung erfahre, verwechsele Moral mit Politik. Der sächsische CDU-Generalsekretär Tom Unger kritisierte, die Art und Weise, wie alle anderen Parteien in den vergangenen Jahren mit der AfD umgegangen seien, habe nicht dazu geführt, dass sie schwächer geworden sei.

Die neuste Wahlumfrage aus Baden-Württemberg. Die AfD ist nun zweitsträrkste Kraft.
Die neuste Wahlumfrage aus Baden-Württemberg. Die AfD ist nun zweitsträrkste Kraft. Foto: infratest dimap
Die neuste Wahlumfrage aus Baden-Württemberg. Die AfD ist nun zweitsträrkste Kraft.
Foto: infratest dimap

Während der Osten eher aus Pragmatismus handelt und auf mögliche oder bereits reale Mehrheitsverhältnisse in den Parlamenten reagiert, gibt es aber auch einflussreiche Unionspolitiker, die auf Bundesebene einen Kurswechsel im Umgang mit der AfD fordern. Der frühere CDU-Generalsekretär Peter Tauber und der einstige Vorsitzende der CDU-Grundwertekommission Andreas Rödder machten sich im »Stern« für eine Abkehr von der Brandmauer gegen die AfD stark. Diesen Bestrebungen setzte zumindest der Bundeskanzler ein ganz klares Ende. Eine Zusammenarbeit mit der AfD wird es unter ihm nicht geben. Die Rechtspartei sei für ihn der »Hauptgegner«, der mit einer erfolgreichen Regierungsarbeit zurückgedrängt werden könne, erklärte Friedrich Merz das Thema mit Befehl von oben vorerst für beendet. Spätestens nach den Landtagswahlen im kommenden Jahr werden sich der Kanzler und die gesamte Partei mit dem Thema erneut beschäftigen müssen. Dann könnte die Kontroverse zur Zerreißprobe für die Union werden.

Merz mit klarer Kante

Um den Trend doch noch umzukehren möchte Merz mit der Bundesregierung als gutem Beispiel vorangehen. Es habe Versäumnisse in der Vergangenheit gegeben, die die versprochene Halbierung der AfD verhindert hätten, erklärte Merz. Seine Regierung habe in den letzten sechs Monaten ebenfalls Fehler gemacht. »Ich bin mit manchen Entscheidungsabläufen nicht zufrieden«, kritisierte der CDU-Vorsitzende und blickte auf die letzte Woche, »wo wir eigentlich nach einem sehr erfolgreichen Koalitionsausschuss plötzlich eine Auseinandersetzung in der SPD-Bundestagsfraktion um das Wehrdienstgesetz gesehen haben.« Der Kanzler gab sich kompromisslos: »So etwas darf sich nicht wiederholen.« Er habe deswegen mit Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) telefoniert und man werde sich in den nächsten Tagen zusammensetzen, um das Problem zu lösen.

»Die Regierung darf nicht den Eindruck erwecken, dass sie zerstritten ist – wir sind es nicht«, mahnte Merz. Wichtig sei, der AfD eine erfolgreiche Regierungsarbeit entgegenzusetzen, »und das ist nicht nur eine Aufgabe der Union, nicht nur eine Aufgabe von CDU und CSU, das ist auch eine Aufgabe unseres Koalitionspartners, der Sozialdemokraten.« In der CDU-Zentrale blicken sie dabei nicht nur auf die fünf Landtagswahlen in 2026, sondern bereits auf das Superwahljahr 2029 vor, in dem Bundestag und Europäisches Parlament gewählt werden. (GEA)