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Aktuell Kommentar

Die Regierung muss das Thema Pflege nicht nur angehen, sondern dauerhaft regeln

Die Pflege ist wie einige andere Themen ein Dauerbrenner in der Sozialpolitik. Doch mittlerweile ist ein Grad erreicht, bei dem Kosten und Leistungen nicht mehr zusammenpassen. Das hat gesellschaftliche Sprengkraft, kommentiert GEA-Nachrichten-Chef David Drenovak.

Eine Reform des Pflegesystems ist für Patienten und Pflegekräfte  dringend nötig. Sie muss vor allem sozialverträglich sein.
Eine Reform des Pflegesystems ist für Patienten und Pflegekräfte dringend nötig. Sie muss vor allem sozialverträglich sein. Foto: Bernd Thissen/dpa
Eine Reform des Pflegesystems ist für Patienten und Pflegekräfte dringend nötig. Sie muss vor allem sozialverträglich sein.
Foto: Bernd Thissen/dpa

REUTLINGEN. Die schwarz-rote Koalition traut sich nun gezwungenermaßen an das nächste große, sozialpolitische Thema mit enormer gesellschaftlicher Sprengkraft heran: die Pflege. Die Probleme des Systems sind nicht neu, sondern alte Bekannte, die durch die gleichen oder zumindest ähnliche Faktoren, wie bei den Themen Bildung, Rente oder Gesundheitsversorgung entstanden sind. Die betroffenen Strukturen sind von der Politik in Jahrzehnten nicht oder zumindest nicht ausreichend an den Wandel der Gesellschaft, die demografischen oder finanziellen Veränderungen angepasst worden. Jetzt ist allerdings ein Punkt erreicht, an dem Soll- und Ist-Zustand so weit auseinanderstehen, der dringendes Handeln erfordert - nicht nur wegen der Belastungen für den Staatshaushalt.

Hohe Kosten und überlastete Pflegekräfte, bei denen sogar noch ein Mangel herrscht und die aufgrund strammer Kalkulationen immer weniger Zeit für den einzelnen Patienten haben, sowie Umfragen, in denen knapp zwei Drittel der Deutschen die Leistungen und die Versorgung in den Einrichtungen als »schlecht« beurteilen, sind die Realität.

Natürlich darf es im Pflegebereich keine pauschale Aburteilung geben und es gehört ebenfalls zur Wahrheit, dass die Pflegeversicherung nie als Vollleistung konzipiert war und deshalb nur einen Teil der anfallenden Pflegekosten deckt. Trotzdem haben die Regierungen der vergangenen Jahrzehnte notwendige Reformen immer wieder geschoben, weil diese teuer, arbeitsaufwändig und kompliziert sind. Mittlerweile ist es aber so, dass Eigenanteile für einen Pflegeheimplatz 3000 oder mehr kosten und qualifizierte ausländische Kräfte für Pflege in den heimischen vier Wänden nicht mehr deutlich billiger sind. Kosten, die sich selbst Menschen mit ehemals gutem Verdienst im Arbeitsleben und entsprechender Rente nicht mehr leisten können.

Oft genug springen dann Angehörige mit eigenem Engagement oder finanzieller Unterstützung ein. Und somit betrifft das Pflegeproblem nicht nur die Alten, sondern die Kinder- und manchmal sogar Enkel-Generation. Allem voran die Prämisse, dass Großeltern oder Eltern trotz Krankheit im letzten Lebensabschnitt ein angemessenes Dasein ermöglicht wird, ohne den finanziellen Faktor zu sehr in Betracht zu ziehen. Das im Bewusstsein, treibt das Thema selbst den Jungen die Sorgenfalten auf die Stirn und manch älterer Mensch wünscht sich ein selbstbestimmtes Lebensende, damit die materielle Lebensleistung nicht in wenigen Jahren aufgezehrt wird und das selbstgebaute Häuschen nicht verkauft werden muss, sondern doch noch an die Nachkommen geht.

Überlegungen, wie die Abschaffung des Pflegegrades 1 oder weitere Beitragserhöhungen zur Pflegeversicherung trotz sinkender Leistungen, sind für Betroffene Hiobsbotschaften. Zudem ist es ein Fakt, dass viele am Ende ihres Lebens im Pflegeheim landen, weil sie mit schwerer körperlicher Arbeit und ihren Steuern den Wohlstand des Landes erwirtschaftet haben. Deshalb muss es die Aufgabe der Regierung sein, diesen Menschen trotz Inflation, trotz demografischem Wandel und trotz aller haushalterischen Zwänge durch die Versorgung mit erschwinglicher Pflege im hohen Alter ein würdevolles Leben zu ermöglichen.

david.drenovak@gea.de