BERLIN. Wirtschaftsverbände fordern die Bundesregierung kurz vor deren Kabinettsklausur auf Schloss Meseberg zu einem politischen Kurswechsel und zu spürbaren Entlastungen für Unternehmen auf. Die Regierung drohe den wirtschaftspolitischen Neustart zu Beginn der zweiten Regierungshalbzeit zu verstolpern, sagte Rainer Dulger, Präsident der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA).
Schon lange stand keine Regierung bei der Gestaltung der Zukunft so unter Druck wie derzeit die Ampel-Koalition. Die Corona-Pandemie und der Krieg in der Ukraine haben das Staatssäckel geleert, das Land lebt derzeit auf Pump: Nach vorläufigen Berechnungen des Statistischen Bundesamts lag das Finanzierungsdefizit des Staates im ersten Halbjahr bei 42,1 Milliarden Euro. Das Loch in der Kasse war damit um 37,6 Milliarden Euro größer als im Vorjahreszeitraum. In Meseberg wird es nun darauf ankommen, genügend Garn zum Stopfen zu finden.
Auf dem Tisch liegt einiges an Verhandlungsmasse: Die Kindergrundsicherung könnte kleiner ausfallen, als von Familienministerin Lisa Paus (Grüne) gewünscht. Es wäre dann Geld da, um das Wachstumschancengesetz von Finanzminister Christian Lindner (FDP) zu bezahlen. Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, dass Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD) dringend frisches Geld braucht, um dem lahmenden Wohnungsbau auf die Sprünge zu helfen. Ihr Parteifreund Boris Pistorius kann als wohl einziger Ressortchef für sein Verteidigungsministerium mit einer Aufstockung des Etats rechnen, hat aber bereits erklärt, dass das nicht reicht. Das Regierungsbündnis muss also eifrig den Rechenschieber bewegen. Es wäre aber wohl ein Fehler, sich vorrangig auf das Finanzielle zu konzentrieren. Denn die Erwartungshaltung von außen an die Ampel ist zwar enorm groß, die Tonalität aber hat sich im Vergleich zu anderen Krisen gewandelt: Es geht nicht mehr in erster Linie ums Geld.
Die Wählerinnen und Wähler sehnen vielmehr klare Ansagen herbei, das zeigen die Umfragen deutlich. Die deutsche Wirtschaft zeigt sich über alle Branchen hinweg einig wie selten und fordert ebenfalls Perspektiven. (GEA/dpa)