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Weltstar im Ruhestand: Tina Turner wird 80

Sie ist die Personifizierung der Rocklegende. Tina Turner baute sich eine Weltkarriere. Mit Ehrgeiz, Sexappeal - und Perücke.

Tina Turner
Eine Karriere und ein Leben voller Höhen und Tiefen - aber Tina Turner hat sich nie unterkriegen lassen. Foto: Britta Pedersen/dpa
Eine Karriere und ein Leben voller Höhen und Tiefen - aber Tina Turner hat sich nie unterkriegen lassen. Foto: Britta Pedersen/dpa

ZÜRICH. Die Löwenmähne ist noch da, aber statt Netzstrümpfen mit High Heels und Minirock ist Tina Turner kurz vor ihrem 80. Geburtstag eher hochgeknöpft und in flachen Tretern zu sehen.

Die Rocklegende genießt ihren Ruhestand: Zehn Jahre nach ihrem Bühnenabschied sagt sie: »Ich hatte keinen Bock mehr darauf, zu singen und alle anderen glücklich zu machen«. Das war bei einer seltenen Audienz, die die Queen of Rock in diesem Sommer einer Reporterin der »New York Times« gewährte, in ihrer Villa Algonquin in Küsnacht am Zürichsee. »Fully retired« - absolut im Ruhestand, so bescheidet Tina Turners Managerin eigentlich jede Anfrage.

Singen und andere glücklich machen, das hat Turner Jahrzehnte lang getan. Erst im Kirchenchor, dann in Nachtclubs mit Ike Turner, schließlich solo, wo sie den Zenit ihrer Karriere erreichte: Wenn sie im sexy Outfit »The Best« oder »Private Dancer« anstimmte, lagen ihr die Fans zu Füßen. Die Männer wegen ihrer erotischen Ausstrahlung, die Frauen, weil Turner allen Widrigkeiten jenseits der 40 zum Trotz noch eine Weltkarriere hinlegte. Als sie sich 2009 von der Bühne verabschiedete, kamen zur Welttournee mehr als eine Million Besucher.

Musikalisch thront die Sängerin mit der unglaublich tiefen Stimme auf dem Olymp der Rockgeschichte neben Ikonen wie David Bowie, Keith Richards und Mick Jagger. Das Musikmagazin »Rolling Stone« rühmte sie als »eine der größten Stimmen aller Zeiten«.

Tina Turner, mit bürgerlichem Namen Anna Mae Bullock, wuchs im Südstaatennest Nutbush in Tennessee in einer Baumwollpflücker-Familie auf. Als Mädchen sang sie im Gospelchor, ehe der acht Jahre ältere Gitarrist Ike Turner sie entdeckte. Er formte die »Ike and Tina Turner Revue«. Mit ihrer ersten Single »Fool in Love« stürmten sie 1960 die Hitparaden. Es folgten Hits wie »River Deep - Mountain High« und »Nutbush City Limits«. 1969 schafften sie den Durchbruch mit ihrem Auftritt im Vorprogramm der Rolling Stones.

Die beiden hatten 1962 geheiratet, Ike stellte sich als brutaler Ehemann heraus. Sie schaffte es erst 1976, ihn zu verlassen. Um die Scheidung schnell hinter sich zu bringen, gab sie alle finanziellen Ansprüche auf. Sie habe Jahrzehnte gebraucht, um ihm zu vergeben, sagte sie viel später. Ike Turner starb 2007.

Mit ein paar Cents in der Tasche und als alleinerziehende Mutter zweier Söhne fing Turner von vorn an. Sie sang und tanzte zuerst in Clubs, Hotels und auf Betriebsversammlungen. Sie habe geputzt, wo sie unterkam, sagte sie. »Lieber jemand anderes Putzfrau als Ike Turners Ehefrau!« Und dann kam 1984. Mit 45 schaffte sie den Durchbruch mit ihrem Album »Private Dancer«. Sie gewann vier Grammys. Der Hit »What's Love Got To Do With It?« klang wie ein selbstironischer Rückblick auf die Ehe mit Ike.

Turner füllte Säle und Stadien der Welt. Als sie 1988 in Rio de Janeiro vor mehr als 180.000 Zuschauern sang, kam das Riesenpublikum ins Guinness-Buch der Rekorde. In Deutschland sang sie zuletzt 2009 vor Hunderttausenden Fans in Köln, Berlin, Hamburg und München.

Seitdem läuft das Leben in der Villa am Zürichsee nach ihrem Gusto. Sie lebt dort seit Mitte der 90er Jahre, und ist inzwischen auch Schweizerin geworden. Sie benannte das 5000 Quadratmeter großen Anwesen nach ihren indianischen Vorfahren »Algonquin«. Es liegt hinter einem hohen schmiedeeisernen Tor. »Vor 12 Uhr nicht läuten«, steht dort am Tor. »Ich singe nicht. Ich tanze nicht. Ich mache mich nicht zurecht«, sagte sie der »New York Times«.

Die Reporterin fand die Villa charmant wie den Palast aus einem Zeichentrickfilm: mit Efeuranken am Haus, einer meterhohen Pferdeskulptur, die von der Decke hängt, und einem Gemälde von Turner in Aufmachung einer ägyptischen Königin an der Wand.

Turner lebt dort mit ihrem deutschen Mann Erwin Bach. Sie traf den Musikmanager Mitte der 80er Jahre. Er ist 16 Jahre jünger als sie. Die Beziehung hielt, und 2013 heirateten die beiden in Küsnacht. Bach nennt seine Frau »Schatzi«, wie er der »New York Times« verriet, manchmal auch »Bärli«. 2017 spendete Bach seiner Frau eine Niere. Tina Turner schrieb darüber 2018 in einer neuen Biografie.

Turner zeigt sich manchmal noch, zum Beispiel in diesem Jahr bei der Premiere des Musicals über ihre Lebensgeschichte, »Tina - Das Tina Turner Musical«. In einer Talkshow im britschen Fernsehen ließ sie sich mit 78 noch einmal zu einem ihrer heißen Hüftschwünge hinreißen, die ihre Auftritte so legendär machten. Und die Löwenmähne? Alles fake, wie sie freimütig einräumt. »Ich trage Perücke, und zwar immer«, sagte sie der »Zeit«. »Ich ziehe Perücken an wie andere Menschen ihre Kleider.« (dpa)