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Toxische Männlichkeit: »So laut Du kannst« im ZDF

Eine Vergewaltigung im Luxushotel. Ein Mann aus reichem Haus setzt eine Hostess unter Drogen, benutzt und schlägt sie - nach außen spielt er den braven Familienvater. Ein wichtiger Film im ZDF.

»So laut du kannst«
Kim (Friederike Becht 2.v.r.) und Maja (Nina Gummich, r.) in einer Szene des TV-Krimis »So laut du kannst«. Foto: Marion von der Mehden
Kim (Friederike Becht 2.v.r.) und Maja (Nina Gummich, r.) in einer Szene des TV-Krimis »So laut du kannst«.
Foto: Marion von der Mehden

Von der Nacht, die ihr Leben zerbrechen ließ, hat Maja (Nina Gummich) nur noch Fetzen von Erinnerungen. Sie wacht morgens in einem Hamburger Luxushotel auf. Splitternackt, benebelt, ihr Körper von Misshandlungen zerschunden. Durch einen Nebelschleier sieht sie, wie ein gepflegter Mann seinen Anzug zuknöpft, noch von einer »heißen Nacht« spricht und die Tür hinter sich zuzieht.

Was ist geschehen? Selten hat ein deutscher Fernsehfilm so radikal die Perspektive einer vergewaltigten Frau gezeigt. In einer Flut von Krimis, die Verbrechen an Frauen als oberflächliches Handlungselement benutzen, ragt der Thriller »So laut Du kannst« von Esther Bialas himmelweit heraus. An diesem Montag läuft er um 20.15 Uhr im ZDF.

Rückblende: Maja steht mit ihrer Freundin Kim (Friederike Becht) in einer Parade von rot uniformierten Hostessen, die sich von einer Vielzahl alter, weißer Männer begaffen lassen. Es ist der jährliche »Gentlemen's Evening«, Treffpunkt von reichen Unternehmern, Anwälten und anderen fleißigen Netzwerkern der hanseatischen Wirtschaftselite. Und jetzt soll der gemütliche Teil des Abends mit »guten Gesprächen« beginnen. Während sie ihre Vetternwirtschaft untermauern, flirten und grapschen die Wirtschaftsvertreter, wo immer sie nur können.

Als die zwei Freundinnen endlich Feierabend haben und ihren letzten Hostessen-Job vor der eigenen Praxis-Gründung feiern wollen, bekommt Kim einen Drink spendiert. Doch sie nippt nicht einmal dran, weil sie ihren alten Schulfreund Max getroffen hat. Sie nimmt das Angebot von Max an, sie zu ihrer Wohnung zu fahren. Maja bleibt zurück. Sie trinkt den Cocktail aus. Das Glas war kurze Zeit unbeaufsichtigt.

Am nächsten Tag ist nichts wie zuvor. Besonders verstörend: Die Freundinnen identifizieren sogar den Täter. Doch Majas Anzeige wegen Vergewaltigung mit K.O.-Tropfen läuft ins Leere. Der Unternehmersohn und vermeintlich saubere Familienvater leugnet nicht den Sex. Doch er beharrt, alles sei freiwillig passiert. Maja will am liebsten vergessen und ihr altes Leben zurückhaben, doch die Tat holt sie stetig wieder ein. Immer neue Flashbacks kommen hoch. Kim will sich damit nicht abfinden und beginnt, auf eigene Faust zu ermitteln. Im Umfeld des illustren Männerclubs stößt Kim auf weitere Vergewaltigungen und ein Geflecht aus Beziehungen und Mitwissern. Und die Leute, die alles vertuschen wollen, sind ihr schon so nahe, wie sie es nicht erwartet hat.

Nina Gummich, die Maja spielt, war zunächst überrascht und glaubte an eine Verwechslung bei der Besetzung der Rollen. »Ich werde eher als starke, toughe Power-Frau gesehen, die schnell die Klappe aufreißen kann.« Seit Jahrzehnten verbreite die Filmbranche ein Bild: »Opfer müssen schmal und blass und flüsternd sein, einer starken Frau würde so ein sexueller Übergriff vielleicht nicht passieren«, so Gummich im ZDF-Interview. Die Produzentin Heike Wiehle-Timm sehe das nicht so, sie stehe damit für eine sehr moderne Sichtweise. »Jede Frau kann zum Opfer werden. Die wirklich interessante Frage ist doch, wie wir damit umgehen können.« Mit dem Thema Machtmissbrauch sei die Gesellschaft lange nicht durch.

Für toxische Männlichkeit in der Oberschicht reiche »höchst gefährlich« als Beschreibung nicht aus, sagt auch ihre Kollegin Becht im dpa-Interview. »Die Worte «toxische Männlichkeit» sprechen ja für sich. Und ich will diese Kombination nicht in meinem Leben haben.«

Der Film in der Mediathek

© dpa-infocom, dpa:221114-99-513079/3