London (dpa) - Als Headliner beim berühmten Glastonbury Festival sorgte Stormzy im vergangenen Sommer vor rund 100.000 Menschen in einer stichsicheren Weste mit schwarz-weißem Union Jack für Aufsehen. Abseits der Bühne mag es der britische Hip-Hop-Superstar bequemer.
Beim Interview der Deutschen Presse-Agentur in einem Tonstudio im Londoner Stadtteil Chiswick trägt der 26-Jährige im Dezember gefütterte Pantoffeln. »Die kann ich dir nur empfehlen, die sind sowas von gemütlich«, schwärmt Stormzy und lacht. Seine gute Laune und die freundliche Art sind ansteckend.
Der Londoner, der mit dem Debüt »Gang Signs & Prayer« vor zwei Jahren die britischen Albumcharts toppte, hat jetzt sein zweites Album »Heavy Is The Head« veröffentlicht. Der Titel ist die Kurzform von »Heavy is the head that wears the crown« (Schwer ist der Kopf, der die Krone trägt) und eine Metapher für die Last des Erfolgs - seines Erfolgs. »Es geht darum, wie ich mit der Last umgehe, ich stelle mich der Herausforderung«, erklärt er. »Aber ich sage auch, diese Herausforderung ist beängstigend und krass.«
Mit der Popularität kam die Verantwortung. Denn längst ist Stormzy (bürgerlicher Name: Michael Ebenazer Kwadjo Omari Owuo Jr.) für viele ein Vorbild. Das »Time Magazine« zählte ihn zu den »Anführern der nächsten Generation«. Dieser Auszeichnung will Stormzy, der 2020 vier Deutschland-Konzerte gibt, gern gerecht werden. »Ich bin superglücklich darüber«, sagt er. »Und es ist ja nicht so, dass ich mich eines Morgens rumgewälzt habe und in dieser Lage aufgewacht bin. Ich habe dafür gebetet und gearbeitet.«
Die stichsichere Weste vom Glastonbury-Auftritt, die der Künstler Banksy gestaltet hatte, war ein Hinweis auf die steigende Zahl von Messerangriffen in Großbritannien. Auf dem Albumcover von »Heavy Is The Head« hält Stormzy eine ähnliche Weste in den Händen. »Das Problem geht viel tiefer als ein Rapper mit einer stichfesten Weste, ein Song oder tausend neue Polizisten in den Straßen«, betont er. »Das ist ein soziales, ein wirtschaftliches Problem, ein Rassismus-Problem. (...) Ich kenne die Antworten darauf nicht.«
Ob die Politik eine Lösung hat? Vor der Wahl in Großbritannien forderte Stormzy in sozialen Medien dazu auf, sich dafür registrieren zu lassen, und empfahl, die Labour-Partei zu wählen. »Es gibt eine sehr lange Liste von Dingen, die in diesem Land erledigt werden müssen«, sagt er. »Ich würde gern sehen, dass die Benachteiligten ein bisschen bevorzugt werden und die Schwächeren gestärkt werden.« Labour-Chef Jeremy Corbyn sei dafür der Richtige, glaubt Stormzy.
Dem konservativen Premierminister Boris Johnson traut er indes nichts zu: »Ich glaube, er kümmert sich einen Scheiß darum.« Was er von Johnson hält, machte der Rapper schon im Sommer in Glastonbury deutlich, als er sein Publikum dazu brachte, »Fuck Boris« zu rufen.
Nicht seine erste Attacke gegen die Tories. »Theresa May, wo ist das Geld für Grenfell?«, rief er während seines Auftritts bei den Brit Awards 2018 und erinnerte an die Opfer des Hochhausbrandes im Sommer 2017 mit 72 Toten - und an deren Angehörige, die immer noch auf Entschädigung warteten.
Dass fast alles, was er sagt, rappt, singt oder twittert, große Aufmerksamkeit bekommt, findet Stormzy manchmal »überwältigend und entmutigend«. »I am not your poster boy for mental health« (Ich bin nicht euer Model für psychische Gesundheit) rappt er auf dem neuen Album im Song »One Second«. Er bezieht sich auf ein Titelblatt des Musikmagazins »NME« mit der Schlagzeile »Stormzy für psychische Gesundheit«. »Das haben die einfach ohne Genehmigung gemacht«, sagt er. »Die haben ein Bild von mir gekauft und das dazu geschrieben.«
Er habe damals ein schlechtes Gewissen gehabt. »Ich wollte nicht wie jemand wirken, der dieses Thema benutzt, um in die Schlagzeilen zu kommen«, erklärt der zweifache Brit-Award-Gewinner. »Ich habe nur einmal in einem Interview etwas dazu gesagt. Ich habe nie so getan, als wäre ich ein Sprecher dafür, aber plötzlich machen die mich zum Aushängeschild und ich werde darin verwickelt. Das könnt ihr doch nicht machen! Ich weiß selbst nicht, wie man mit dem Mist umgeht.«
Anders als in seinen Texten, in denen Stormzy wie viele seiner Rapper-Kollegen große Sprüche klopft, spricht er abseits der Bühne bescheiden und überlegt. Vom Ruhm wolle er sich so wenig wie möglich vereinnahmen lassen, versichert der 1,96 Meter große Musiker, der auf dem neuen Album die Single »Own It« mit Superstar Ed Sheeran performt und längst selbst ein gefragter Kollaborationspartner ist. »So sehr ich versuche, ein großartiger Musiker zu sein, so sehr versuche ich, derselbe Mensch zu bleiben, der ich vorher war«, sagt er. Zumindest bisher gelingt ihm das ganz gut.
Deutschland-Konzerte: 20.02. Berlin - Columbiahalle, 24.02. Hamburg - Docks, 28.02. Köln - Carlswerk, 01.03. Mainz - Altes Postlager