Los Angeles (dpa) - »Glückwunsch diesen Männern«: Mit dieser spitzen Bemerkung brachte es Issa Rae im Januar beim Verlesen der Oscar-Nominierungen mit ernster Miene auf den Punkt.
Zuvor hatte die schwarze Schauspielerin und Produzentin die Namen der fünf Männer in der Sparte »Beste Regie« verkündet. Wieder keine Frau nominiert, dabei gab es mit Greta Gerwig (»Little Women«), Lulu Wang (»The Farewell«) oder Lorene Scafaria (»Hustlers«) für die 92. Academy Awards reichlich Auswahl.
Unter dem Hashtag #OscarsSoMale - die Oscars sind so männlich - steht Hollywoods größte Trophäenshow unter Druck. Eine Ausnahme unter den diesjährigen männerlastigen Oscar-Favoriten um Krieg (»1917«) oder Crime (»Joker«, »The Irishman«) ist Gerwigs Romanverfilmung »Little Women«. Die von Kritikern gefeierte Schwestern-Geschichte holte immerhin sechs Nominierungen, darunter als »Bester Film« und für die Schauspielerinnen Saoirse Ronan und Florence Pugh.
Mit einer Regie-Nominierung hätte Gerwig Oscar-Geschichte geschrieben, denn noch nie sprach die Akademie einer Frau zweimal diese Ehre zu. 2018 war Gerwig für ihre Tragikomödie »Lady Bird« als erst fünfte Frau überhaupt für den Regiepreis ins Rennen gegangen. Bislang ist Kathryn Bigelow (»Tödliches Kommando - The Hurt Locker«, 2010) die einzige Oscar-prämierte Regisseurin.
»Veränderung in Hollywood ist ein langer Marathon«, konstatiert die Bloggerin Melissa Silverstein im Interview der Deutschen Presse-Agentur. Mit ihrer Initiative »Women and Hollywood« macht sich die Amerikanerin für die Gleichberechtigung von Frauen in der Filmbranche stark. Die Strukturen der über 90 Jahre alten Oscar-Akademie, mit überwiegend weißen, älteren und männlichen Mitgliedern, änderten sich nur langsam, sagt Silverstein.
Wirbel gab es auch schon 2016 um die »weißen Oscars«, als zum zweiten Mal in Folge bei den Nominierungen Afroamerikaner in den vier Schauspielkategorien völlig übergangen wurden. Seither bemüht sich die Akademie um mehr Vielfalt und lädt jedes Jahr deutlich mehr Frauen und Vertreter von Minderheiten als neue Mitglieder ein. 2019 waren es über 800 Neuzugänge, die Hälfte davon Frauen. Der Frauenanteil in der rund 9000 Mitglieder starken Organisation kroch damit nun auf 32 Prozent hoch, verglichen mit nur 25 Prozent im Jahr 2015.
Nina Rausch setzt vor allem auf weibliche Solidarität. »Frau hilft Frau«, so beschreibt die deutsche Schauspielerin und Produzentin ihre Erfahrung in Hollywood. Seit elf Jahren lebt die gebürtige Schwäbin in Los Angeles, sie spielte in Serien wie »Mad Men«, »Grey’s Anatomy« und »Orange Is The New Black« mit, in Deutschland stand die Ingersheimerin zuletzt in dem Spielfilm »Wendezeit« als CIA-Agentin vor der Kamera.
Rausch ist Mitglied in der Organisation »Women in Film«, die sich für Chancengleichheit im Filmgeschäft engagiert. Doch wichtiger sind ihr Frauen aus dem Bekanntenkreis, etwa aus der Schauspielschule, die jetzt Jobs in der Branche haben und andere Frauen anheuern. »Man spürt einen Push in Hollywood, dass sich langsam etwas ändert und Frauen mehr zusammenhalten, statt sich als Konkurrentinnen zu sehen«, meint Rausch.
Die 37-Jährige, die nebenbei Schauspiel unterrichtet, Werbung und Kurzfilme dreht und Astronomie studiert, schreibt zudem an einem Pilotfilm für eine Serie, die sie gerne selber produzieren möchte. Reese Witherspoon ist ihr Vorbild, schwärmt Rausch. »Die macht alles, schreiben, produzieren, schauspielern.« Und mit ihrer Firma »Hello Sunshine« packe die Oscar-Gewinnerin vor allem Frauenthemen an.
Auch Melissa Silverstein verspricht sich mehr Veränderung durch Frauen in der Branche, wie etwa Donna Langley, die Vorsitzende des Studios Universal Pictures. »Sie hat in den letzten Jahren viele Frauen eingestellt, das macht einen großen Unterschied.«
Auch in Sachen Schutz am Filmset tut sich etwas. Der größte Schauspieler-Verband in den USA sprach sich Ende Januar für den Einsatz sogenannter Intimitäts-Koordinatoren bei Drehs aus. Bei Nackt- und Liebesszenen sollen sie ein sicheres Umfeld für Schauspielerinnen schaffen.
Der laufende Prozess gegen den früheren Hollywood-Mogul Harvey Weinstein wegen Vergewaltigung und sexuellen Übergriffen öffne vielen die Augen über Sexismus und Machtmissbrauch, sagt Silverstein. »Ein verkrustetes System von männlicher Dominanz war in Hollywood lange normal«, klagt die Aktivistin.
Am Vorabend der Oscar-Verleihung, bevor die Sicherheitskräfte alles abriegeln, flaniert Nina Rausch traditionell über den Hollywood Boulevard, wo am Sonntag die Stars über den roten Teppich laufen. »Man kann ja träumen«, grinst sie. Diesmal drückt sie ihren beiden Lieblingsfilmen »Jojo Rabbit« und »Bombshell« die Daumen.
»Bombshell« rechnet mit Sexismus und Machtmissbrauch bei dem konservativen US-Sender Fox News ab. Charlize Theron und Margot Robbie spielen ehrgeizige Moderatorinnen, die den Übergriffen ihres Bosses Roger Ailes ausgesetzt sind. Starke Rollen, die einen Oscar verdient hätten.