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Musiker und der Rücktritt vom Rücktritt

Heino macht Schluss. Nach Jahrzehnten voller blauer Enziane und schwarzbrauner Haselnüsse bereitet er mit einem letzten Album und einer letzten Tour seinen endgültigen Bühnenabschied vor. Doch das haben schon ganz andere versprochen.

Heino
Heino will seine Karriere beenden. Foto: Ina Fassbender
Heino will seine Karriere beenden. Foto: Ina Fassbender

Berlin (dpa) - »und Tschüss«: Heino hört auf. Noch ein Album im November, dann wird er im Dezember 80 Jahre alt und dann noch eine große Tournee im Frühjahr 2019. Aber dann soll Schluss sein - dieses Mal wirklich.

Denn Heino selbst ist das beste Beispiel dafür, dass eine solche Ankündigung nicht zwangsläufig das tatsächliche Karriereende bedeuten muss - sondern manchmal sogar das genaue Gegenteil. Seinen größten Erfolg hatte er schließlich mit seinem Album »Mit freundlichen Grüßen« aus dem Jahr 2013 und Cover-Versionen von Ärzte- oder Rammstein-Songs. Und das war ganze acht Jahre nach seinem ersten Rücktritt im Jahr 2005.

Die Spice Girls
Die Spice Girls mit Geri Halliwell (l-r), Emma Bunton, Melanie Chisholm, Melanie Brown bei der Abschlussfeier der Olympischen Spiele 2012. Foto: Marius Becker
Die Spice Girls mit Geri Halliwell (l-r), Emma Bunton, Melanie Chisholm, Melanie Brown bei der Abschlussfeier der Olympischen Spiele 2012. Foto: Marius Becker

»Das mit Heino war eine sehr spannende Sache«, sagt Hans Schmucker, Sprecher von GfK Entertainment, dem Herausgeber der deutschen Musik-Charts. »Er hat es damals ja zum ersten Mal überhaupt in seiner Karriere auf Platz eins geschafft.« »Mehr Comeback kann man eigentlich nicht verlangen«, sagt der Musikexperte Ernst Hofacker, Autor des Buches »1967: Als Pop unsere Welt für immer veränderte«.

Auf Heinos neuem Album »und Tschüss« gibt es ein Duett mit Wolfgang Petry. Noch so einer, der eigentlich längst weg sein wollte. Der gemeinsame Song von Heino und Wolle heißt: »Ich atme«.

Guns N' Roses
Axl Rose (l) und Gitarrist Slash (Saul Hudson) 2017 bei einem Konzert in Sacramento. Foto: Kc Alfred/ZUMA Wire/
Axl Rose (l) und Gitarrist Slash (Saul Hudson) 2017 bei einem Konzert in Sacramento. Foto: Kc Alfred/ZUMA Wire/

»Ein Künstler ist ein Künstler und der hört nicht mit 65 auf«, sagt Hofacker. »Es gibt viele Gründe dafür: Ego und Eitelkeit des Künstlers, die ja auch Voraussetzung sind für den Job insgesamt - und Ehrgeiz.«

Und das gilt wohl nicht nur für Howard Carpendale, den musikalischen Meister der seehofer'schen Disziplin des Rücktritts vom Rücktritt, sondern zieht sich durch alle Genres - und die Musikgeschichte. »Die Mutter aller Comebacks sind die von Frank Sinatra und Elvis«, sagt Hofacker. »Die wurden beide ja erst nach einer Pause zu den Künstlern, als die sie uns heute in Erinnerung geblieben sind.«

Farin Urlaub und Bela B hatten sich Ende der 1980er Jahre so zerstritten, dass sie sich nicht vorstellen konnten, auch nur noch ein einziges Mal wieder zusammen auf der Bühne zu stehen. Nur rund fünf Jahre später, im Jahr 1993, erschien dann das legendäre »Ärzte«-Album »Bestie in Menschengestalt« mit »Schrei nach Liebe«.

Das Comeback der Ärzte gehört nach Angaben von GfK Entertainment - wie auch das von Cat Stevens, der nach einer Pause von drei Jahrzehnten als Yusuf zurückkam - zu den erfolgreichsten in der Geschichte der deutschen Charts. »Die Bestie in Menschengestalt« hielt sich dort 54 Wochen. Sieben weitere Studio-Alben der Ärzte folgten bis heute.

Die Libertines um Pete Doherty und Carl Barât brauchten länger als Farin und Bela, bis sie wieder zueinanderfanden: ganze elf Jahre. Bei den Skandal-Brüdern Liam und Noel Gallagher hoffen Oasis-Fans dagegen heute noch auf die große Versöhnung.

Ozzy Osbourne
Ozzy Osbourne in Budapest 2016. Foto: Balazs Mohai
Ozzy Osbourne in Budapest 2016. Foto: Balazs Mohai

Apropos Versöhnung von Rocklegenden: »Not in this Lifetime« sagte Axl Rose einst auf die Frage, ob er sich vorstellen könnte, jemals wieder mit Slash auf der Bühne zu stehen. Nicht in diesem Leben. Knapp zwei Jahrzehnte später touren Guns 'N Roses heute wieder um die Welt - zwar ohne neue Songs, aber mit viel Nostalgie im Gepäck. Der passende Tour-Titel: »Not in this Lifetime«.

»Die waren ja in erster Linie bekannt dafür, dass sie ständig zerstritten waren und der Typ am Mikrofon absolut unberechenbar war. In diesem Fall würde ich darum sagen, dass es vor allem darum ging, sich nochmal eine großzügige Finanzspritze zu gönnen«, sagt Hofacker. »David Bowie hat mit seinem Comeback 2013 bewiesen, dass er seiner Karriere noch ein wichtiges künstlerisches Kapitel hinzufügen konnte - aber das ist eben nicht bei jedem Comeback der Fall.«

Ozzy Osbourne trieb seinen Fans die Tränen in die Augen, als er 2016 mit Black Sabbath seinen Abschied von der Bühne zelebrierte. Keine drei Jahre danach ist auch die letzte Träne getrocknet - und Ozzy wieder da. 2019 kommt er nochmal nach Deutschland. Das Motto seiner Tournee: »No More Tours 2«.

Auch bei Boybands ist das Comeback beliebt: Take That sind wieder da, ebenso Caught in the Act, wenn auch beide mit weniger - und dafür deutlich älteren - Boys als früher.

Eines der erfolgreichsten Comebacks der deutschen Albumgeschichte legte nach Angaben von GfK Entertainment die Kelly Family im vergangenen Jahr hin. Fast 20 Jahre nach ihrem letzten Nummer-eins-Album eroberten sie mit »We Got Love« im März 2017 wieder die Spitze der Charts. Daraufhin löste Angelo Kelly eine Wette ein und ließ sich wieder Locken machen. »Heute boomen solche Retro-Geschichten wie blöde«, sagt Hofacker. »Wer irgendwann mal einen Hit hatte und heute noch eine Gitarre halten kann, tritt wieder auf.«

Allgemein gilt: Je länger die Durststrecke, desto größer wohl das Echo auf die Rückkehr zur Bühne. Dass ABBA ihren Kulthits »Dancing Queen« oder »Mamma Mia« zwei neue hinzufügen wollen, machte im April dieses Jahres Schlagzeilen. Und dass die Spice Girls sich noch einmal zusammentun (wenn auch ohne David Beckhams Gattin Victoria), versetzte kürzlich nicht nur den Fan der ersten Stunde und heutigen Superstar Adele an den Rand der Verzückung. »Das ist immer auch eine Marketing-Geschichte«, sagt Hofacker.

Manchmal allerdings kann sie auch andere Reaktionen hervorrufen, die große Reunion. Als die übrig gebliebenen Nirvana-Musiker Dave Grohl und Krist Novoselić im Oktober dieses Jahres in Kalifornien zusammen auf der Bühne standen, gefiel das längst nicht allen Fans. Nirvana ohne den 1994 gestorbenen Kurt Cobain ist eben nicht Nirvana. Novoselić entschuldigte sich auf Twitter: »Wir haben versucht, Kurt für den Auftritt zu erreichen - aber wir sind nicht durchgekommen.«

Novoselić auf Twitter