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Mit »Adrenalinfaktor«: Erste Berlinale für neue Doppelspitze

Johnny Depp, Hillary Clinton, Helen Mirren - die Gästeliste für die Internationalen Filmfestspiele ist lang. Am nächsten Donnerstag geht es los in Berlin. Und eine große Frage wird sein: Wie schlägt sich die neue Führungsspitze?

Carlo Chatrian + Mariette Rissenbeek
Carlo Chatrian und Mariette Rissenbeek freuen sich, dass es endlich losgeht. Foto: Jens Kalaene/dpa-Zentralbild/dpa
Carlo Chatrian und Mariette Rissenbeek freuen sich, dass es endlich losgeht. Foto: Jens Kalaene/dpa-Zentralbild/dpa

Berlin (dpa) - Mit Filmfestivals ist das so eine Sache. Monatelang wird hinter den Kulissen gearbeitet - und einmal im Jahr bekommt dann auch der Rest der Welt etwas mit. So ist das auch mit der Berlinale.

Am nächsten Donnerstag (20. Februar) beginnen die Internationalen Filmfestspiele. Angekündigt sind Stars wie Johnny Depp, Helen Mirren und Willem Dafoe, außerdem US-Politikerin Hillary Clinton.

»Wir freuen uns, dass es jetzt los geht«, sagt der künstlerische Festivalleiter Carlo Chatrian. Erstmals leiten der Italiener und die Niederländerin Mariette Rissenbeek die Berlinale. Auch Rissenbeek sagt, sie seien beide im positiven Sinnen aufgeregt, »da wir so lange daran gearbeitet haben, um alles vorzubereiten«.

Seit Sommer sind die beiden im Amt und ihr Start war nicht gerade einfach. Nach Schließung eines Kinos am Potsdamer Platz musste Ersatz her. Es gab Debatten über Jeremy Irons als Jurypräsidenten wegen früherer Äußerungen von ihm etwa zum Umgang mit Frauen. Und am Tag der Programmverkündung erschien ein Zeitungsartikel, der die Berlinale zwingt, sich mit der Vergangenheit ihres früheren Festivalleiters Alfred Bauer zu beschäftigen.

Nach Recherchen der »Zeit« soll Bauer früher ein »hochrangiger Funktionär der NS-Filmbürokratie« gewesen sein. Bis zuletzt verlieh die Berlinale den Alfred-Bauer-Preis, geschaffen nach Bauers Tod in den 1980ern. Die Berlinale will die Auszeichnung nun aussetzen und Bauers Vergangenheit mit externer Hilfe untersuchen lassen.

Auch wenn Chatrian und Rissenbeek als Führungsspitze neu sind - in der Filmwelt haben sie schon lange einen Namen. Chatrian leitete zuvor das Festival in Locarno und Rissenbeek war Geschäftsführerin von German Films, der Auslandsvertretung des deutschen Films. Er wirkt oft leidenschaftlich und gilt als absoluter Filmfreak, sie wirkt stets entspannt und freundlich.

Aber was werden beide machen aus der Berlinale, die neben Cannes und Venedig zu den wichtigsten Filmfestivals der Welt gehört? In der Vergangenheit gab es oft Debatten über die Filmauswahl und die Größe des Festivals. Zu viele schlechte Filme, meinten die einen. Zu unübersichtlich, sagten die anderen. Und überhaupt zu wenige Stars. Ein Dilemma, vor dem auch der frühere Direktor Dieter Kosslick oft stand.

Die neue Doppelspitze ändert nun ein paar Dinge. Chatrian hat den Wettbewerb reformiert und dort die Kategorie »außer Konkurrenz« abgeschafft. Das bringt mehr Klarheit. Die großen Namen finden sich nun eher außerhalb des Wettbewerbs. Die Berlinale-Plakate zeigen keine echten Bären mehr, sondern haben was von Bauhaus.

Dass Chatrian allerdings auch einen zweiten Wettbewerb geschaffen hat, sorgt mitunter für Skepsis. Diese neue Reihe namens »Encounters« soll für »ästhetisch und strukturell wagemutige Arbeiten« stehen. Ob das Konzept aufgeht? Immerhin verspricht auch der Wettbewerb viel Filmkunst, und zudem gibt es die experimentelle Forum-Reihe. Warum genau es da noch eine weitere Reihe braucht?

Im Wettbewerb um den Goldenen Bären jedenfalls sind auch zwei deutsche Regisseure dabei: Christian Petzold mit »Undine« und Burhan Qurbanis Neuverfilmung von »Berlin Alexanderplatz«. 18 Filme konkurrieren um die Bären-Auszeichnungen. Dazu gehören auch Filme von Abel Ferrara, Sally Potter, Hong Sangsoo und Rithy Panh.

Ob der iranische Regisseur Mohammed Rassulof kommen kann, steht noch nicht fest. »Wir bezweifeln, dass Mohammed Rassulof eine Reisegenehmigung von den iranischen Behörden erhält«, teilt die Berlinale mit. Skandalpotenzial hat diesmal die Filmreihe »DAU« des russischen Regisseurs Ilja Chrschanowski. Teile des Projekts dürfen in Russland nicht im Kino gezeigt oder auf DVD verkauft werden. Ein in Berlin geplantes DAU-Kunstprojekt hatte in Deutschland 2018 abgesagt werden, weil die nötigen Genehmigungen fehlten.

Eröffnet wird die Berlinale mit der Romanverfilmung »My Salinger Year« des Regisseurs Philippe Falardeau. Sigourney Weaver (»Alien«) spielt darin eine Agentin des Schriftstellers J. D. Salinger. Erstmals wird der Eröffnungsabend auch in vier Kinos in Deutschland übertragen. Die Moderation übernimmt nicht mehr Anke Engelke, sondern Schauspieler Samuel Finzi.

Rund 340 Filme will die Berlinale bis 1. März zeigen, im vergangenen Jahr wurden rund 335.000 Tickets für die Vorstellungen verkauft. Außerdem treffen sich Filmvertreter zum Beispiel auf dem European Film Market. Wegen des neuartigen Coronavirus waren zunächst weniger Besucher aus China erwartet worden: »Wir hatten uns auf Stornierungen einiger Festival- und Marktbesucher eingestellt. Die aktuellen Zahlen deuten aber keine eklatanten Einbrüche an«, teilte das Festival mit.

Die neuen Festivalchefs Chatrian und Rissenbeek wollen jeden Tag mehrfach auf dem roten Teppich stehen. »Ich hoffe, dass das Publikum gut auf die Filme reagiert. Und - das weiß ich noch aus meiner Zeit in Locarno - das gibt mir dann viel Energie zurück«, sagt Chatrian der Deutschen Presse-Agentur. Außerdem gebe es da noch diesen »Adrenalinfaktor«, der dafür sorge, dass man schneller sei als sonst.

Den Vorgänger der beiden, Dieter Kosslick, konnte man jedenfalls an seinem roten Schal erkennen. Und an seinem typischen Hut. Aber auch Chatrian ist sich sicher, dass man ihn entdeckt. »Also wenn Sie jemanden sehen, der nicht stillhalten kann - das ist nämlich mein Problem -, dann erkennen Sie mich schon nach dem ersten Tag.«

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