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Jelinek-Stück über das Ibiza-Video in Wien gefeiert

Das Ibiza-Video hat Österreich kräftig durchgeschüttelt. Literatur-Nobelpreisträgerin Elfriede Jelinek bringt das Thema nun auf die Theaterbühne - wortgewaltig, komplex, in seiner Aussage aber mehr als deutlich.

»Schwarzwasser«
Aufhänger für das Stück »Schwarzwasser« ist das Ibiza-Video, das für ein politisches Beben in Österreich gesorgt hatte. Foto: Matthias Horn/BURGTHEATER/APA/dpa
Aufhänger für das Stück »Schwarzwasser« ist das Ibiza-Video, das für ein politisches Beben in Österreich gesorgt hatte. Foto: Matthias Horn/BURGTHEATER/APA/dpa

Wien (dpa) - Der Joker, Batmans verrückter Gegenspieler, ist ein mordender Irrer. In der jüngsten, für elf Oscars nominierten Verfilmung mit Joaquin Phoenix in der Hauptrolle wird er zudem zu einem Symbol für Ungerechtigkeit, der Joker wird hier immer mehr von der Gesellschaft verstoßen, ehe er den Verstand verliert.

Auf der Bühne des Wiener Akademietheaters steht am Donnerstagabend nun Schauspieler Martin Wuttke (57, »Tatort« Leipzig), kurzzeitig geschminkt als eben jener Joker, in einem Stück über das Ibiza-Video und den Rechtspopulismus. Und er jammert - jammert das Gejammere eines Rechtspopulisten, der sich doch mal wieder nur als Opfer sieht.

Allein das Arrangement dieser Szene sagt sehr viel darüber aus, wie Nobelpreisträgerin Elfriede Jelinek (73) und der deutsche Regisseur Robert Borgmann in »Schwarzwasser« mit dem sich ausbreitenden Keim des Rechtspopulismus ins Gericht gehen. Die Uraufführung im Wiener Akademietheater, einer Spielstätte des Burgtheaters, wurde vom Publikum mit Jubel und Applaus gefeiert.

Aufhänger des Stücks ist das Ibiza-Video, das im Mai 2019 ein politisches Beben in Österreich auslöste und wohl als eines der wichtigsten filmischen Dokumente in die Geschichte des Landes eingehen wird. Auf den Aufnahmen wirkt Ex-FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache im Sommer 2017 anfällig für Korruption und zeigt sich bereit, das halbe Land an eine vermeintliche russische Oligarchen-Nichte zu verscherbeln. Als das heimlich gefilmte Video veröffentlicht wurde, zerbrach die damalige rechtskonservative Regierung, und Straches Karriere erhielt einen mächtigen Dämpfer. Seit der Veröffentlichung des Videos inszeniert er sich als Opfer einer kriminellen Intrige gegen ihn.

Jelinek greift das Thema auf, spielt immer wieder auf prägnante Szenen aus dem Video an (etwa auf Straches Ex-Parteifreund Johann Gudenus in Schussposition), vermeidet dabei aber klare Rollenzuschreibungen, Namen und eine Handlung. Stattdessen wird das Stück von langen Monologen und Sprachkonstrukten getragen, in denen vor allem Martin Wuttke immer wieder den richtigen Ton trifft und glänzen kann.

Auch seine Schauspielkollegen liefern: Felix Kammerer (24) und Christoph Luser geben immer wieder charmant, glaubwürdig und unterhaltend zwei skrupellose Politiker mit feschen Sprüchen ab (»Sie können alles kosten, gehören wird es ihnen nicht«), Caroline Peters (48, »Mord mit Aussicht«) überzeugt in verschiedenen Rollen. Die vier Darsteller geben dem Stück mit ihren starken Leistungen verschiedenste Farben: Mal ist es Satire, mal bedauert man sich selbst, letztlich wird aber auch oft gewarnt. Denn, so eine von Jelineks wichtigen Aussagen: »Der Keim wurde irgendwann mal eingeschleppt, und jetzt bleibt er uns.«

Zusammengefasst ist »Schwarzwasser« aber auch ein wilder Rundumschlag gegen konservative und rechte Politik, eine Bestandsaufnahme, die bekannte Muster freilegt, ohne neue Analysen zu präsentieren. Indirekt wird auch Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz scharf kritisiert und immer wieder als junger Gott bezeichnet, dem alle verfallen sind. »Die Sanftmut dieses jungen Gottes ist gespielt«, sagt Caroline Peters im Kostüm eines pinken Gorillas. »Einer von uns, aber doch besser.«

Regisseur Robert Borgmann hat das alles in ein aufwendiges und vor allem zu Beginn etwas überfrachtetes Bühnenbild gepackt, das die Zuschauer mit der Aufschrift »eintritt macht frei« begrüßt. Die Darsteller friert er im Verlauf des Abends immer wieder zu eindrucksvollen Standbildern ein, die entziffert werden wollen.

»Man kann das ja nicht übertreffen, nicht einmal parodieren oder lächerlich machen«, schrieb Jelinek im Programmheft über das Ibiza-Video. Doch an vielen kleinen Stellen gelingt ihr und Borgmann genau das. Die Literatur-Nobelpreisträgerin arbeitet sich in dem Stück an den Gegensätzen der Rechtspopulisten ab, die sich bei ihr im Machtrausch verlieren, das halbe Land verscherbeln wollen und gleichzeitig als jammernde Opfer ihre vermeintliche Unschuld beteuern. Das alles kommt bei Jelinek furchtbar komplex daher - der kräftige Applaus ist aber doch verdient.

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