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Element of Crime: »Lange Nächte um die Ohren«

Die Nächte in Berlin sind nicht nur Klischee. Manche davon haben für Teile der Szene einen sehr melancholischen Klang. Die Musik dazu liefert Element of Crime, sehr verlässlich auch mit dem neuen Album.

Element of Crime
Sven Regener: Bei den Songtexten herrscht das Gesetz des Dschungels. Foto: Christophe Gateau
Sven Regener: Bei den Songtexten herrscht das Gesetz des Dschungels.
Foto: Christophe Gateau

Es riecht nach abgestandenem Bier. Irgendwo ist sicher auch eine Rotweinflasche umgefallen. Und knapp neben dem Aschenbecher glimmt eine Kippe. Fehlt nur noch etwas Musik. Nicht zu wild, bloß nicht laut. Leicht melancholisch könnte gut passen. Element of Crime zum Beispiel. Mit »Morgens um vier« liefert die Band einen wunderbaren Soundtrack für die Stunden irgendwo zwischen Absacker und Katerstimmung. Das Album kommt an diesem Freitag (7.4.) raus.

Die Bilder hat die Band mit den Videos für die beiden Singles »Unscharf mit Katze« sowie »Dann kommst du wieder« gleich mitgeliefert. Es wird gefeiert, geredet, an Bars gesessen, getrunken, geraucht. »Das passt auf eine Weise, weil die Band diese Art von Geschichte auch hat«, sagt Sänger Sven Regener der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. »Wir kommen aus diesem alten Westberliner Mauerstadt-Ding, aus einer Welt, wo man sich traditionell und immer schon lange Nächte um die Ohren haut.«

Fast vier Jahrzehnte ist die vom gebürtigen Bremer Regener gegründete Band inzwischen musikalisch in dieser Welt unterwegs. Neben dem Sänger, der auch als Schriftsteller etwa mit der Fortsetzungsgeschichte um »Herr Lehmann« erfolgreich ist, gehören noch Gitarrist Jakob Friderichs, Schlagzeuger Richard Pappik und seit vergangenem Jahr Markus Runzheimer am Bass dazu, der den gestorbenen Bassisten und Produzenten David Young ersetzte.

Runzheimer war schon länger Ersatzmann für Young. »Deshalb war das ein relativ fließender Übergang«, sagt Regener. Die zweite Position hält er für nicht mehr so wichtig. »Ein Musikproduzent spielt nach über 35 Jahren bei einer Band wie uns auch nicht mehr so eine übergroße Rolle«, sagt er. Anleitung für das Aufnehmen eines Albums sei nicht mehr notwendig. »Wir brauchen nur jemanden als zusätzliche Instanz, der uns eine Menge abnimmt und die Sache mit etwas mehr Distanz betrachtet.« Mit Patrick Meyer sei jemand gefunden, der gut passe und »die Band sehr gut kennt, versteht und schätzt - das ist das Wichtigste dabei«.

»Die Band lebt«

Die lange gemeinsame Zeit zeigt für Schlagzeuger Pappik, »dass die Band lebt und Lust hat weiterzumachen. Immer wieder, auch wenn es mal zwischendurch eine Pause gab.« Für Regener alles keine Absicht. »Auch das ist etwas, was man sich nicht vornimmt und sagt: Hey, wir wollen diese Band jetzt so lange wie möglich durch dieses Leben und die Welt prügeln. Nein, im Gegenteil, es ist eher komisch, dass das schon so lange läuft. Wir halten das gar nicht für einen Verdienst.«

Das 15. Studioalbum, darunter 2005 der wohl größte Erfolg »Mittelpunkt der Welt« mit dem Hit »Delmenhorst«, ist musikalisch dann auch keine Überraschung. Was bei Element of Crime nicht schlimm sein muss. Die Band liefert seit Jahren verlässlich gute Songs. Es geht ruhig zu, nicht zu laut, nicht zu schnell.

Der Stil erinnert häufig an Calexico. Gerade auch dann, wenn die wunderbar melancholischen Trompetensoli von Regener zu hören sind. Vor allem gibt es viel Gitarre, gern auch mal geslided. Dann klingt es manchmal nach Country, was es nicht ist. Dazu sind die Rock- und Popelemente zu beherrschend. Zehn Songs, rund 40 Minuten voll von gut hörbarer Musik.

Hinzu kommen Regeners Texte mit diesen mitunter unendlich wirkenden Sätzen, gern über mehrere musikalische Phrasen gestreckt. Etwa: »Liebe ist - wie schon Johannes Mario Simmel, sagst du, völlig richtig eines seiner besten Bücher nannte - nur ein Wort und das fehlt dir, sagst du, im Alltag nicht so sehr« in »Liebe ist nur ein Wort«. Es geht viel um Verlust (»Ohne Liebe geht es auch«), Zweisamkeit (»Nur der Anfang«), Rückkehr (»Dann kommst du wieder«), schräge Beobachtungen (»Morgens um vier«) oder den manchmal auch tieferen Sinn im Alltäglichen (»Wieder Sonntag«).

»Eine völlig ungeregelte Zone des Bewusstseins«

Für den 62-Jährigen unterscheidet sich das Schreiben der Songs klar vom großen Konzept eines Buches. Erste Ideen kämen immer spontan, wenn er sich lange genug mit einer Melodie beschäftigt habe. »Es ist eine völlig ungeregelte Zone des Bewusstseins. Daher ist es die reine Wildnis. Da herrscht das Gesetz des Dschungels, da überleben nur die stärksten Ideen.«

Texte und Musik müssen für die Band auch stärker sein als Krisen, wie etwa die Corona-Zeit. »Es gab immer irgendwelche Krisen, wenn wir Platten aufgenommen haben. Die Welt ist so«, sagt Regener. »Dennoch ist es wichtig, dass man Musik macht, dass man trotzdem Lieder entstehen lässt. Damit die Welt sich weiterdreht!«

© dpa-infocom, dpa:230404-99-204266/3