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Berlinale: Konfrontation mit der Vergangenheit

Eigentlich soll die Berlinale 2020 einen frischen Neuanfang bringen - doch angesichts von NS-Vorwürfen gegen einen früheren Leiter sieht sich das Filmfestival mit seiner Vergangenheit konfrontiert.

Berlinale - NS-Vorwürfe zu Bauer-Preis
Der ehemalige Berlinale-Festspielleiter Alfred Bauer (1971). Foto: Konrad Giehr/dpa
Der ehemalige Berlinale-Festspielleiter Alfred Bauer (1971). Foto: Konrad Giehr/dpa

Berlin (dpa) - Es waren nur wenige Stunden. Noch am Morgen stellte die Berlinale ihr Festivalprogramm vor, kurz darauf erschien ein Zeitungsbericht. »Die Zeit« berichtete am Mittwochnachmittag, der erste Berlinale-Leiter Alfred Bauer sei ein »hochrangiger Funktionär der NS-Filmbürokratie« gewesen.

Seitdem wird die Berlinale mit ihrer Vergangenheit konfrontiert, drei Wochen vor Festivalbeginn. Alfred Bauer war der Mann, der die Filmfestspiele von 1951 bis 1976 leitete. Die Berlinale in West-Berlin war damals auch ein Kind des Kalten Kriegs.

Heute zählt sie neben Cannes und Venedig zu den wichtigsten Filmfestivals der Welt. Nach Bauers Tod wurde eine Auszeichnung nach ihm benannt: Seit 1987 wurde der Alfred-Bauer-Preis vergeben, zuletzt als eine von mehreren Bären-Auszeichnungen im Wettbewerb.

Die »Zeit« berichtete nun, Bauer habe während des Nationalsozialismus für die Reichsfilmintendanz gearbeitet, später soll er seine Rolle verschwiegen haben. Die Berlinale reagierte noch am Abend: In dem Artikel würden Quellen zitiert, die die Rolle Bauers in der nationalsozialistischen Filmpolitik neu beleuchteten.

Die »Interpretation dieser Quellen« lege nahe, dass er »bedeutende Positionen in der NS-Zeit« inne gehabt habe, teilte die Berlinale mit. Der Alfred-Bauer-Preis soll nun nicht mehr verliehen und die Festivalgeschichte »mit externer fachwissenschaftlicher Unterstützung« aufgearbeitet werden.

Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) stellte sich hinter die Berlinale-Leitung. »Wenn diese für uns alle neuen Erkenntnisse sich erhärten sollten, ist es selbstverständlich, dass man den Namen Alfred Bauer im Zusammenhang mit der Berlinale so nicht mehr nutzt«, sagte Grütters der Deutschen Presse-Agentur. »Dann wird es künftig auch keinen nach Alfred Bauer benannten Preis mehr geben.«

»Die Berlinale-Direktion lässt jetzt ein wissenschaftliches Gutachten erstellen, das die aufgekommenen Informationen noch einmal bewertet«, sagte Grütters. »Wenn das so ist, wie es in der glaubwürdigen Darstellung aussieht, dann werden die notwendigen Konsequenzen gezogen. Das haben die Berlinale-Leiter Mariette Rissenbeek und Carlo Chatrian sehr angemessen und konsequent deutlich gemacht.«

Die Niederländern Rissenbeek und der Italiener Chatrian stehen seit dem Sommer an der Spitze des Filmfestivals. Die Berlinale, die am 20. Februar eröffnet wird, wird ihre erste als Direktorenduo sein. Die Filmfestspiele finden dieses Jahr zum 70. Mal statt. Eine Jubiläumsausgabe also, die mit ihren Anfängen konfrontiert wird.

Auch eine Buchveröffentlichung der Deutschen Kinemathek zur Person Bauers wird verschoben. Ihr Autor habe Bauers Tätigkeit im Nationalsozialismus »im Wesentlichen so geschildert, wie sie jetzt bekannt geworden ist«, sagte der künstlerische Direktor, Rainer Rother, der »Süddeutschen Zeitung« (Freitag).

An zwei Stellen solle die Publikation aber wegen »Ungeschicklichkeiten bei der Darstellung« von Quellen überarbeitet und mit neuen Quellen ergänzt werden, sagte Rother. Das Buch sollte ursprünglich am 24. Februar vorgestellt werden.

»Die Aufarbeitung der nationalsozialistischen Vergangenheit ist Teil unseres nationalen Selbstverständnisses – das gilt nicht nur für die Politik, sondern auch für wichtige gesellschaftliche Akteure«, sagte Grütters. Für sie zeigt der Vorgang, »dass uns unsere Vergangenheit immer wieder einholt. Darauf muss man konsequent und ganz eindeutig reagieren, das hat die Berlinale-Leitung getan«.