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Baerbock und Roth übergeben Benin-Bronzen an Nigeria

Eine international beachtete Rückgabe markiert ein neues Kapitel in der Aufarbeitung des deutschen Kolonialismus. Zwei Ministerinnen übergeben in Nigeria wertvolle Benin-Bronzen. Es soll nur ein Anfang sein.

Rückgabe von Raubkunst
Alhaji Lai Mohammed (r), Minister für Information und Kultur in Nigeria, mit Außneministerin Annalena Baerbock (l.) und Nigerias Außenminister Geoffrey Onyeama in Abuja. Foto: Annette Riedl
Alhaji Lai Mohammed (r), Minister für Information und Kultur in Nigeria, mit Außneministerin Annalena Baerbock (l.) und Nigerias Außenminister Geoffrey Onyeama in Abuja.
Foto: Annette Riedl

In einem als »Wendepunkt internationaler Kulturpolitik« bezeichneten Schritt haben Außenministerin Annalena Baerbock und Kulturstaatsministerin Claudia Roth am Dienstag in der nigerianischen Hauptstadt Abuja 20 wertvolle Benin-Bronzen an das afrikanische Land zurückgegeben.

Die in Kolonialzeiten geraubten Kunstwerke gehörten lange Zeit zu Beständen von Museen in Berlin, Hamburg, Köln, Stuttgart und Dresden/Leipzig. Die Grünen-Politikerinnen wurden beim Festakt in Nigeria von den Spitzen mehrerer Museen begleitet.

Die Rückgabe zeige die »Bereitschaft, das eigene Handeln kritisch zu bewerten« mit einem »offenen Ohr für die Sorgen derjenigen, die Opfer kolonialer Grausamkeiten waren«, sagte Baerbock während der Zeremonie. Dies sei besonders wichtig für die Menschen in Nigeria, »weil es nicht nur Kunststücke sind, nicht nur kulturelles Erbe, sondern auch ein Stück von Identität«.

Ein erster Schritt

Nigerias Bitte um Rückgabe sei lange Zeit ignoriert worden. Dies sei nun ein erster Schritt. »Es sind ja viele, viele Bronzen, die gestohlen worden sind. Deswegen werden auch viele Bronzen zurückkommen«, sagte Baerbock.

Mehr als 1100 der Arbeiten aus dem Palast des damaligen Königreichs Benin, das heute zu Nigeria gehört, waren bisher in rund 20 deutschen Museen zu finden. Die Objekte, die neben Bronze auch aus Elfenbein und anderen Materialien gefertigt sind, stammen größtenteils aus britischen Plünderungen im Jahr 1897.

»Es war falsch, sie zu nehmen, und es war falsch, sie zu behalten«, sagte Baerbock. »Dies ist eine Geschichte des europäischen Kolonialismus. Es ist eine Geschichte, in der unser Land eine dunkle Rolle spielte und in verschiedenen Teilen Afrikas großes Leid verursachte.«

Die Ministerin würdigte die Rolle der Museumsträger. »Sie haben die Übertragung des Eigentums an den Bronzen ermöglicht und die bahnbrechenden Verträge mit Nigeria geschlossen.« Die fünf Museen und ihre Träger hatten vor den Rückgaben bereits die Eigentumsrechte an sämtlichen Benin-Bronzen übertragen. Dabei waren auch Abkommen zu Leihgaben geschlossen worden, damit einige der Kunstschätze weiter in Deutschland gezeigt werden können.

Ein Kunstpavillon für die Bronzen

»Das Besondere an diesem Prozess war für uns das Vertrauen unserer nigerianischen Partner, die unsere Werte und unseren Glauben an Respekt und offenen Dialog teilen«, sagte Baerbock. Kunst solle zugänglich sein, deshalb beteilige sich Deutschland am Bau eines Kunstpavillons im Bundesstaat Edo, wo die Bronzen ausgestellt werden sollen. »Das Entscheidende ist: Sie wissen, dass sie Ihnen gehören. Und Sie wissen, wo sie sind.«

Roth sprach von einem »historischen Moment, der nicht nur unsere beiden Länder, sondern auch unsere Kontinente miteinander verbindet«. Die Begegnung sei getragen von Respekt, Interesse und dem Wunsch, voneinander zu lernen. »Wir wollen lernen aus der Auseinandersetzung mit unserer Kolonialgeschichte und wir wollen Verantwortung übernehmen«, sagte Roth. »Nur so wird unsere koloniale Vergangenheit Teil unserer Erinnerungskultur und das Erinnern an vergangenes Unrecht eine Verpflichtung für eine gerechtere Gegenwart.«

Dieser erste konkrete Schritt solle »die Scham darüber nicht verschleiern, dass Nigerias Wunsch nach einer Rückgabe jahrzehntelang ignoriert oder zurückgewiesen wurde.« Deutschland habe zu lange die Augen verschlossen »vor dem Unrecht, das mit diesen Bronzen verbunden blieb, die so lange in unseren Museen gezeigt wurden oder in Depots lagerten«.

»Wendepunkt in der internationalen Kulturpolitik«

Roth sprach von einem »Wendepunkt in der internationalen Kulturpolitik« und Auftakt für weitere Rückgaben. »Was heute beginnt, ist kein Schlussstrich, es ist ein Beginn. Der Beginn künftiger Kooperationen und eines stärkeren Kulturaustauschs.«

Nigerias Kulturminister Lai Mohammed dankte für die Rückgaben. »Noch vor 20 oder sogar 10 Jahren, hätte niemand die Rückkehr dieser Bronzen nach Nigeria vorausahnen können, weil die Hindernisse für eine Rückführung unüberwindbar schienen.« Deutschland sei nicht bei Ankündigungen einer Rückgabe geblieben, die Verhandlungen seien nicht einfach gewesen. »Nigeria, Afrika und in der Tat alle Menschen werden sich immer an diesen Moment in der Geschichte der Menschheit erinnern und ihn in Ehren halten, als Deutschland an unserer Seite stand.«

Mohammed hofft, dass der Ausstellungspavillon Benin-City zu einem Dreh- und Angelpunkt der Kulturszene wird. Er appellierte an alle Institutionen weltweit, Museen wie das British Museum und Sammler, Kulturgüter seines Landes zurückzugeben. »Sie müssen verstehen, dass viele dieser kulturellen Objekte nicht einfach Kunstwerke für uns sind, sondern den wahren Kern unseres Seins ausmachen.« Es gehe bei den Stücken um die Kultur und das Erbe Nigerias. »Sie gehören hierher und nirgendwo sonst hin.«

Der nigerianische Außenminister Geoffrey Onyeama begrüßte die Rückführung als Zeichen der guten Beziehung beider Länder. Nigeria erhebe zwar Anspruch auf die Objekte und wolle sie dort sehen, wo sie hingehörten. Dennoch sehe Nigeria die Benin-Bronzen in einem weiteren Zusammenhang aller Menschen. »Sie sind ein gemeinschaftliches Vermögen der Menschheit.«

© dpa-infocom, dpa:221220-99-970455/8