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Was die Sanktionen gegen Nord Stream 2 bedeuten

Das gab es zuletzt im Kalten Krieg: Die USA wollen eine Pipeline zwischen Russland und Deutschland mit Sanktionen angreifen. Verhindern können sie das Projekt wohl nicht mehr. Die Konsequenzen für die deutsch-amerikanischen Beziehungen wären aber gravierend.

Sanktionen gegen Gaspipeline
Noch ist die Pipeline Nord Stream 2 eine Baustelle. Foto: Stefan Sauer/dpa-Zentralbild/dpa
Noch ist die Pipeline Nord Stream 2 eine Baustelle. Foto: Stefan Sauer/dpa-Zentralbild/dpa

Berlin/Moskau/Washington (dpa) - Kurz vor der Fertigstellung der umstrittenen Pipeline Nord Stream 2 will der US-Kongress die Arbeiten in der Ostsee mit Sanktionen stoppen.

In Deutschland stößt das auf heftige Kritik. Die Ukraine, durch die russisches Gas nach Europa gepumpt wurde, freut sich über den Vorstoß aus Washington. Was mögliche Strafmaßnahmen für das deutsch-russische Projekt bedeuten:

Warum sind die USA gegen Nord Stream 2?

Bei der Ablehnung von Nord Stream 2 herrscht seltene Einigkeit in der sonst zerstrittenen politischen Landschaft in den USA. Sowohl Präsident Donald Trump als auch die Demokraten und die Republikaner im Kongress sind gegen das Projekt. Sie argumentieren, dass sich Deutschland in Abhängigkeit von Russland begeben würde. Im »Gesetz zum Schutz von Europas Energiesicherheit« heißt es, die Beziehungen zu Europa und Deutschland seien entscheidend für die nationalen Sicherheitsinteressen der USA. Die USA sollten sich daher gegen jeden Versuch stellen, diese Beziehungen zu schwächen. Kritiker verweisen allerdings darauf, dass die USA ihr eigenes Flüssiggas in Europa verkaufen wollen - das teurer als das russische Pipeline-Gas ist.

Was für Sanktionen sieht das Gesetz vor?

Die Sanktionen richten sich gegen die Betreiberfirmen der hochspezialisierten Schiffe, die die Pipelines verlegen - das Ziel ist, dass diese Firmen sich aus dem Projekt zurückziehen. Der US-Außenminister soll in Absprache mit dem Finanzminister dem Kongress binnen 60 Tagen berichten, welche Schiffe eingesetzt werden und welche Firmen diese Schiffe zur Verfügung gestellt haben. Gegen Manager der Firmen und deren Hauptaktionäre mit Kontrollmehrheit sollen Einreiseverbote in die USA verhängt werden. Transaktionen der Betroffenen, die sich auf ihren Besitz oder ihre geschäftlichen Interessen in den USA beziehen, sollen blockiert werden können.

Wie ist der weitere Zeitplan der USA?

Die Sanktionen sind durch einen Verfahrenstrick auf den Weg gebracht worden, der in den USA nicht unüblich ist: Das Sanktionsgesetz wurde in ein Gesetzespaket zum Verteidigungshaushalt (NDAA) eingefügt, auf das sich das von den Demokraten kontrollierte Repräsentantenhaus und der von Trumps Republikanern kontrollierte Senat geeinigt haben. Nach dem Repräsentantenhaus muss der Senat dem Paket zustimmen.

Erwartet wird, dass das nächste Woche geschieht. Dann muss Trump seine Unterschrift unter das fast 3500 Seiten umfassende Gesetzespaket setzen. Das Weiße Haus hat das NDAA bereits begrüßt, weil dort viele Punkte enthalten sind, die Trump gefordert hat - etwa eine höhere Vergütung für Soldaten. Trump schrieb auf Twitter: »Ich werde dieses historische Verteidigungsgesetz sofort unterzeichnen!«

Was bedeuten die Sanktionen für die deutsch-amerikanischen Beziehungen?

Sie könnten zur größten Belastungsprobe seit dem Amtsantritt Trumps für das ohnehin schon schwer angeschlagene Verhältnis beider Länder werden. Der US-Präsident hat Deutschland immer wieder attackiert, vor allem wegen des deutschen Handelsüberschusses und vergleichsweise geringer Verteidigungsausgaben der stärksten Wirtschaftsmacht Europas. Dass die USA nun versuchen, ein wirtschaftliches Projekt eines Bündnispartners mit Sanktionen zu torpedieren, bedeutet aber eine neue Dimension. Die Reaktion von Außenminister Heiko Maas (SPD) fiel dafür noch verhältnismäßig moderat aus. »Eingriffe von außen und Sanktionen mit extraterritorialer Wirkung lehnen wir grundsätzlich ab«, sagte er. Deutlicher wurde Bundestagsvizepräsident Thomas Oppermann (SPD). Er sprach von einer »negativen Zäsur in den deutsch-amerikanischen Beziehungen«.

Hat es so etwas überhaupt schon mal gegeben?

Ja, aber zuletzt im Kalten Krieg. So versuchte der damalige US-Präsident Ronald Reagan Anfang der 1980er Jahre die Pipeline von der sibirischen Jamal-Halbinsel nach Europa mit Sanktionen zu stoppen. Vergeblich: Die mehr als 4000 Kilometer lange Leitung wurde Ende der 90er Jahre fertiggestellt.

Kann das umstrittene Projekt noch gestoppt werden?

In Moskau glaubte zuletzt niemand ernsthaft, dass die Amerikaner die Pipeline noch verhindern könnten. Das betonte Außenminister Sergej Lawrow erst am Dienstag bei seinem Besuch in Washington. Allerdings könnten die Sanktionen dazu führen, dass die Pipeline teurer und später fertig wird als geplant. Ursprünglich sollten die letzten Leitungen Ende des Jahres verlegt sein. Der russische Vize-Regierungschef Dmitri Kosak meinte kürzlich, dass die Pipeline erst Mitte 2020 voll funktionsfähig sein wird.

In Moskau hieß es zuletzt auch, man finde notfalls andere Wege, um die letzten Meter für die Leitungen durch die Ostsee zu verlegen. Dann könnten zum Beispiel eigene Firmen einspringen.

Warum freut sich die Ukraine über mögliche Sanktionen?

Regierungschef Alexej Gontscharuk sprach von »guten Nachrichten«. Bislang schickt Russland einen Großteil seines Erdgases über die Ukraine. Das Land befürchtet, mit Nord Stream 2 als Transitland überflüssig zu werden. Damit würden dann auch wichtige Einnahmen für das wirtschaftlich klamme Land wegbrechen. Kremlchef Wladimir Putin sicherte zuletzt aber zu, dass Russland weiter Gas nach Europa durch die Ukraine pumpen wolle. Die Verhandlungen dazu ziehen sich aber in die Länge. Russland hat von Januar bis November 81,5 Milliarden Kubikmeter Erdgas über die Ukraine nach Westen transportiert.

Wie groß ist denn die europäische Abhängigkeit vom russischen Erdgas?

Aktuelle Daten zu deutschen und europäischen Erdgasimporten sind schwer zu bekommen. Der Anteil von russischem Gas auf dem EU-Energiemarkt ist 2018 nach früheren Angaben des russischen Energieriesen Gazprom im Vergleich zum Vorjahr um zwei Punkte auf 36,7 Prozent gewachsen. 201,8 Milliarden Kubikmeter sind demnach im vorigen Jahr nach Europa exportiert worden. Für Deutschland dürfte der Anteil nach Branchenschätzungen höher sein. »Wie in der Vergangenheit bezieht Deutschland große Mengen aus Russland, den Niederlanden und Norwegen«, heißt es in einem im Februar veröffentlichten Bericht des Bundeswirtschaftsministeriums zur Versorgungssicherheit bei Erdgas.

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