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Trumps heikler Auftakt ins Wahljahr

Die Tötung von Irans Top-General könnte die USA in einen Krieg schlittern lassen. Zehn Monate vor der US-Wahl droht eine Spirale der Gewalt, deren Ende nicht absehbar ist. Die Demokraten kritisieren das Handeln Trumps scharf - und stellen bereits sehr unbequeme Fragen.

Donald Trump
Wahlkämpfer Trump will die »endlosen« Kriege im Nahen Osten beenden und die US-Soldaten endlich nach Hause bringen. Präsident Trump hat immer mehr Truppen in die Region geschickt. Foto: Evan Vucci/AP/dpa
Wahlkämpfer Trump will die »endlosen« Kriege im Nahen Osten beenden und die US-Soldaten endlich nach Hause bringen. Präsident Trump hat immer mehr Truppen in die Region geschickt. Foto: Evan Vucci/AP/dpa

Washington (dpa) - Die USA wollen in Wahrheit nur Frieden: So stellt es zumindest Präsident Donald Trump dar, obwohl er die USA mit der Anordnung eines Luftangriffs im Irak gerade an den Rand eines Kriegs manövriert hat.

Am Samstag trauerten im Iran und im Irak Tausende um den von US-Kräften getöteten iranischen Top-General Ghassem Soleimani. Danach wird die Wut kommen - der Iran hat bereits »schwere Rache« angekündigt. Trumps Luftangriff hat eine Eskalationsspirale angestoßen, die nur schwer zu stoppen sein dürfte. Einige Experten sprechen vom riskantesten Manöver amerikanischer Nahost-Politik seit dem Einmarsch im Irak 2003 - und das zehn Monate vor der US-Wahl.

Als Wahlkämpfer vertritt Trump schon seit 2016 eine klare Botschaft: Er will die »endlosen« Kriege im Nahen Osten beenden und die US-Soldaten endlich nach Hause bringen. Doch als Präsident hat er immer mehr Truppen in die Region geschickt, um den Iran im Zaum zu halten. Allein diese Woche ordnete er die Verlegung von rund 4000 zusätzlichen Soldaten an. Obwohl der Republikaner Trump sich gerne als starker Oberkommandierender darstellt, überlässt er die Ankündigung der Entsendung neuer Truppen seinen Ministern: Mit Blick auf die Präsidentenwahl im November scheint er keine leicht im Internet verbreitbaren Videoschnipsel zu wollen, die zeigen, wie er immer mehr Soldaten in den Nahen Osten beordert.

Zum Auftakt des Wahljahres kann Trump eigentlich nichts weniger gebrauchen als einen Krieg mit Nachrichten über gefallene Soldaten und steigende Ölpreise. Doch nach der Tötung Soleimanis in der Nacht zum Freitag droht eine Spirale der Gewalt: Teheran könnte als Vergeltung US-Soldaten oder amerikanische Staatsbürger töten, Trump wäre dann unter Zugzwang, noch härter zurückzuschlagen.

Genauso ist es in den vergangenen Tagen gewesen: Vom Iran unterstützte schiitische Milizen im Irak griffen einen Militärstützpunkt an, ein Amerikaner kam dabei ums Leben. Es folgten fünf US-Luftangriffe, bei denen mindestens 25 Kämpfer der Miliz starben. Dann versuchten deren Anhänger, mit Gewalt die US-Botschaft in Bagdad zu stürmen. Die Supermacht USA wirkte plötzlich verwundbar, per Hubschrauber wurden eilig Soldaten als Verstärkung eingeflogen. Dann kam die Retourkutsche: Der US-Luftangriff auf General Soleimani, der einer der wichtigsten Vertreter des iranischen Regimes war.

Die Fakten deuten auf eine weitere Eskalation hin, bei Trump klingt das allerdings ganz anders: »Wir haben gehandelt, um einen Krieg zu beenden«, sagte Trump am Freitag im US-Bundesstaat Florida zur Begründung des Luftangriffs auf Soleimani. »Wir haben nicht gehandelt, um einen Krieg zu beginnen.« Nach Darstellung der US-Regierung verfolgte Soleimani unmittelbar bevorstehende »finstere« Anschlagspläne auf US-Ziele. Konkrete Details gab die Regierung allerdings nicht preis. Demokratische Abgeordnete im US-Kongress melden bereits ernsthafte Zweifel an dieser Darstellung an.

Hinter der Tötung Soleimanis, vor der Trumps Vorgänger George W. Bush und Barack Obama zurückgeschreckt sein sollen, dürfte noch mehr gesteckt haben. Trump sah sich im Iran-Konflikt von manchen Republikanern mit der Kritik konfrontiert, zu nachsichtig zu sein. Irans Provokationen in der Straße von Hormus blieben unbeantwortet, nach dem Abschuss einer US-Drohne sagte Trump im vergangenen Jahr einen Gegenschlag nach eigener Darstellung in letzter Minute ab. Selbst ein großangelegter Angriff auf Ölanlagen in Saudi-Arabien im September blieb in militärischer Hinsicht ungesühnt - Trumps Regierung verlegte aber nochmals mehr Soldaten in den Nahen Osten.

Die fortlaufende Verschärfung von US-Sanktionen gegen Teheran nach der einseitigen Aufkündigung des Atomabkommens hat bislang vor allem dazu geführt, dass die Spannungen immer weiter zunahmen. Manche Experten sehen Teherans aggressivere Haltung sogar als Ergebnis von Trumps Politik des »maximalen Drucks« auf den Iran. Die Sanktionen hätten eine Wirtschaftskrise ausgelöst, der Iran stehe mit dem Rücken zur Wand und habe deshalb begonnen, um sich zu schlagen - so die Logik.

Die Regierung müsse »noch beweisen, dass die Kampagne des «maximalen Drucks» irgendetwas erreicht hat außer gefährlichere und tödlichere Reaktionen des Irans auszulösen und die Wahrscheinlichkeit eines Kriegs zu erhöhen«, erklärte der Vorsitzende des Geheimdienstausschusses im Repräsentantenhaus, der Demokrat Adam Schiff, am Donnerstag (Ortszeit), nachdem er von der Regierung über den Einsatz gegen Soleimani unterrichtet worden war. Die Frage, wieso Soleimani jetzt getötet wurde, obwohl Vorgängerregierungen es abgelehnt hatten, müsse noch beantwortet werden, forderte Schiff.

Andere führende Demokraten kritisieren, Trumps Handeln lasse das Land ohne Zustimmung des Parlaments in einen Krieg schlittern. Die Zuspitzung des Iran-Konflikts hat für Trump jedoch - so zynisch es klingen mag - auch einen positiven Nebeneffekt: Sie lenkt von der innenpolitischen Gemengelage ab, in der Trump erheblich unter Druck steht. Als dritter Präsident in der US-Geschichte muss er sich bald einem Amtsenthebungsverfahren im Senat (Impeachment) stellen.

Die Eskalation könnte auch Irans Innenpolitik dramatisch verändern, vor allem in Bezug auf das Atomprogramm. Infolge der einseitigen Aufkündigung des Abkommens durch Trump hatte Teheran zuletzt langsam damit begonnen, sein Atomprogramm wieder hochzufahren. Nun dürften die Bestrebungen wohl mit mehr Nachdruck vorangetrieben werden, um eine Abschreckung gegen noch weitergehender US-Angriffe zu haben. Das von Europa weiter hochgehaltene Atomabkommen von 2015 - mit dem ein Wettrüsten im Nahen Osten verhindert werden sollte - sei damit wohl endgültig hinfällig, schrieb am Freitag etwa Iran-Experte Ali Vaez der Denkfabrik International Crisis Group.

Der Luftangriff auf Soleimani kam wenige Monate nach der Tötung des Anführers der Terrormiliz Islamischer Staat, Abu Bakr al-Bagdadi. »Unter meiner Führung ist Amerikas Politik gegenüber Terroristen eindeutig«, brüstete sich Trump am Freitag. »Wir werden Euch ausfindig machen, wir werden Euch auslöschen«, droht er. »Die Welt wird ein sichererer Ort ohne diese Monster sein.«

Unmittelbar in der Schusslinie könnten nun die rund 5000 US-Soldaten im Irak stehen. Der Iran könnte die Truppen dort mit Hilfe verbündeter Milizen angreifen. In dem Krisenland könnte damit erneut Chaos und Gewalt einkehren. Aber auch in anderen Ländern - darunter Israel, Syrien, Saudi-Arabien oder Bahrain - könnten die Iraner zuschlagen. Wie sehr die Lage militärisch eskalieren wird, wie viele Menschen bei Vergeltungsakten ums Leben kommen werden, ist nicht absehbar. Bei Trumps Wählern kommt seine harte Haltung bislang gut an. Doch ob sie seinen Kurs auch noch gutheißen werden, wenn Särge von US-Soldaten in die USA gebracht werden, wird sich zeigen.

Vaez-Tweet, Englisch

Atlantic Council Analyse nach Soleimanis Tod, Englisch

Trumps Erklärung nach der Tötung Soleimanis