Berlin (dpa) - Nur wenige Familiennamen wecken in Deutschland so viele Assoziationen wie von Weizsäcker. Dunkelste NS-Vergangenheit, Bekenntnis zur deutschen Verantwortung, wegweisende Wissenschaft und Politik.
All diese Elemente ranken sich um den früheren Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker (1920-2015) und seine Familie. Sein jüngster Sohn Fritz Eckhart Freiherr von Weizsäcker, ein Mediziner, wurde am Dienstagabend in Berlin während eines Vortrags bei einer Messerattacke getötet. Schon vorher zogen manche Vergleiche zu den Kennedys in den USA.
Fritz von Weizsäcker wurde 1960 in Essen nach drei Geschwistern in diese so bekannte Familie geboren. Sein Vater war von 1984 bis 1994 Bundespräsident, zuvor für die CDU Regierender Bürgermeister von Berlin (West). Seine Mutter ist die frühere deutsche First Lady Marianne von Weizsäcker (87).
Seine Eltern hatten 1953 geheiratet. Richard von Weizsäcker arbeitete damals als Jurist bei Mannesmann. Bis 1962 wohnte die Familie in Essen und Düsseldorf, zog dann nach Ingelheim und 1967 nach Bonn. Zu diesem Zeitpunkt hatte Richard von Weizsäcker bereits ein sehr dunkles Kapitel der Familiengeschichte hinter sich: Bei den NS-Prozessen in Nürnberg verteidigte der Jurist seinen Vater Ernst von Weizsäcker, der dort wegen Mitwirkung an Deportationen französischer Juden nach Auschwitz als Kriegsverbrecher verurteilt wurde.
Als Bundespräsident bezeichnete Richard von Weizsäcker 1985 in einer international beachteten Rede das Kriegsende nicht als eine Niederlage Deutschlands, sonders als »Tag der Befreiung vom menschenverachtenden System der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft«.
Fritz von Weizsäcker gehörte zu einer Generation, die sich auch kritisch mit der NS-Nähe mancher Familienmitglieder auseinandersetzte. Es müsse »alles glasklar geklärt« werden, zitiert ihn der Chronist Hans-Joachim Noack in seinem Buch »Die Weizsäckers«. Bis dahin sei er mit seinen Ahnen »komplett im Reinen« und wolle sich nicht zum »Chefankläger oder Strafverteidiger« machen. Kritik an der Familie, die untereinander nicht immer zimperlich ist, wehrt Fritz von Weizsäcker ab: »Wir sind zunächst einmal wir.«
Ein familiärer Schicksalsschlag war prägend für sein berufliches Leben. Laut Noack hoffte er, seinen bereits Ende der Siebzigerjahre an Krebs erkrankten Bruder Andreas vielleicht retten zu können. Fritz von Weizsäcker studierte Humanmedizin in Bonn und Heidelberg.
Die Karriere des Arztes verlief steil: Nach dem Facharzt für Innere Medizin und Gastroenterologie wurde er 2003 Professor für Innere Medizin an der Universität Freiburg. Zu seinen Stationen zählten neben Freiburg die Harvard Medical School in Boston und das Universitätsspital Zürich. Seit 2005 war von Weizsäcker Chefarzt der Abteilung Innere Medizin I an der Schlosspark-Klinik in Berlin-Charlottenburg.
Fritz von Weizsäcker galt als Experte für Leber- und Gallenwegserkrankungen. Die Humanmedizin bezeichnete er einmal in der »Welt« als »ideale Verbindung zwischen Wissenschaft und Menschennähe«. Nach Angaben des Portals Gesundheitsstadt Berlin, bei dem er im Vorstand saß, forschte von Weizsäcker lange Zeit auf dem Gebiet der Hepatologie, also der Physiologie und Pathologie von Leber und Gallenwegen, und der molekularen Virologie. Zu seinen Behandlungsschwerpunkten zählten demnach infektiöse Leberentzündungen wie Hepatitis B und C, Fettleber-Hepatitis sowie Fettleber. Um dieses Thema drehte sich auch sein Vortrag, bei dem er getötet wurde.
Politisch hatte sich Fritz von Weizsäcker der FDP verschrieben. Er trat der Partei während eines Fundraising-Dinners bei. Unter den 280 von einem Zwei-Sterne-Koch betreuten Gästen war auch der damalige Parteichef Guido Westerwelle. Der aktuelle Frontmann Christian Lindner twitterte vom Tod eines Freundes: »Ich bin fassungslos und muss meine Trauer teilen«.
Einer der Cousins ist der Umweltwissenschaftler und frühere SPD-Bundestagsabgeordnete Ernst Ulrich von Weizsäcker. »Ich fand ihn ganz wunderbar«, sagte von Weizsäcker der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. »Ich habe ihn ungewöhnlich lieb gehabt.«
Schwester Beatrice von Weizsäcker war die einzige aus dem engsten Familienkreis, die sich zu dem tragischen Tod öffentlich äußerte. »Wir können es weder fassen noch glauben«, twitterte die Publizistin. Auf ihrem Instagram-Account postete das Mitglied des Präsidiums des Deutschen Evangelischen Kirchentags noch in der Unglücksnacht ein Kreuz: »Gib' acht auf meinen Bruder«.
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