STUTTGART. Unmittelbar nach dem Spiel war Gregor Kobel »noch ein bisschen schlecht drauf«. Doch der Keeper des VfB Stuttgart war sich nach der 0:2 (0:0)-Niederlage im Duell der beiden Aufsteiger gegen Arminia Bielefeld zum Saisonfinale der Fußball-Bundesliga durchaus bewusst über das Geleistete. »Grundsätzlich muss man sagen: Das war eine super Saison. Ich bin superstolz auf die Mannschaft.« Er und seine Vorderleute haben auch schwierige Zeiten durchgemacht – nicht nur wegen des Verletzungspechs zum Ende der Runde. »Aber wir haben trotzdem immer weiter Gas gegeben.«
Der Schweizer wusste im Laufe der Saison mit seiner Leistung so sehr zu überzeugen, dass er zum Nationaltorhüter befördert wurde. Und mittlerweile von absoluten Spitzenclubs umworben wird. So bestätigte Kobel das gewaltige Interesse vom Ligarivalen Borussia Dortmund, der in der nächsten Saison genau wie die offenbar ebenfalls interessierten Leipziger in der Champions League spielen werden. »Jetzt, wo die Saison vorbei ist, werde ich mich damit beschäftigen. Dortmund ist auf jeden Fall ein Thema«, sagte der 23-Jährige, der mit 117 gehaltenen Torschüssen vom Fachmagazin Kicker am Besten (2,86) von allen VfB-Spielern benotet wurde.
Sven Mislintat bezifferte die Chancen auf einen Verbleib mit »50:50«. Kobel steht noch bis 2024 beim VfB unter Vertrag. Zu einer möglichen Ablösesumme meinte der Stuttgarter Sportdirektor: »15 Millionen Euro sind jetzt nicht verkehrt.« Vor einem Jahr hatten die Stuttgarter nach einer Leihgebühr von 500 000 Euro für die Zweitliga-Saison eine Ablöse von 4 Mio. Euro an Hoffenheim überwiesen. Somit würde der Netto-Transferüberschuss von 65 Mio. seit Mislintats Amtsantritt im Mai 2019 bei einem Wechsel von Kobel noch weiter steigen. »So versuchen wir, als Club sukzessive weiter zu wachsen«, erklärte der 48-Jährige.
15 Bundesliga-Debütanten
Das ist die neue Philosophie unter »Diamantenauge« Mislintat. Er lässt nach dieser Saison die Routiniers Gonzalo Castro sowie Marcin Kaminski und vielleicht auch Marc Oliver Kempf und eben Kobel ziehen, um hoffnungsvollen Talenten und potenziellen Leistungsträgern die Chancen zum nächsten Schritt auf der Karriereleiter zu geben. Den haben die meisten der sage und schreibe 15 Bundesliga-Debütanten beim VfB in der nun abgelaufenen Runde definitiv gemacht. »Unterm Strich steht eine positive Saison hinter uns«, meinte Cheftrainer Pellegrino Matarazzo nicht nur deshalb.
Hatten seine Spieler zum Saisonauftakt gegen den SC Freiburg (2:3) noch gehörig Lehrgeld gezahlt und beim Hinspiel in Bielefeld (0:3) ihre schwächste Begegnung abgeliefert, so waren die zusammen vier Niederlagen gegen diese beiden Teams die einzigen, die sich der am Ende Neuntplatzierte gegen Clubs leistete, die in der Tabelle hinter den Schwaben stehen. Auch wenn der vor dem Saisonfinale noch mögliche Rang sieben und damit der Einzug in die neu kreierte Europa Conference League nicht erreicht wurde, zeigte sich Matarazzo »zufrieden« angesichts des durchaus attraktiven Fußballs, den sein junges Team über weite Strecken zeigte. »Was die Mannschaft ausgezeichnet hat, ist die Tatsache, dass sie in entscheidenden Phasen das Momentum immer auf ihre Seite holen konnte«, so der 43-Jährige.
45 Punkte bei einem Torverhältnis von 56:55 ist ein achtbarer Erfolg. Zumal der Aufsteiger zu keinem Zeitpunkt auch nur annähernd in Abstiegsgefahr schwebte. Nach dem Wiederaufstieg in der Saison 2017/2018 war der VfB mit 51 Punkten und 36:36 Toren übrigens tatsächlich Siebter. Der europäische Wettbewerb blieb damals allerdings auch verwehrt, weil der achtplatzierte Eintracht Frankfurt das DFB-Pokalfinale gegen den FC Bayern München mit 3:1 für sich entschied und damit in die Europa League einzog. Ein verwandelter Foulelfmeter von Fabian Klos (66.) sowie das 2:0 durch Ritsu Doan bescherte dem Mit-Aufsteiger um den Honauer Sven Schipplock am Samstagnachmittag den Last-Minute-Ligaverbleib. Der VfB ist aber trotz dieser Niederlage erstmals seit der Saison 2011/2012 wieder die Nummer eins im Ländle. (GEA)