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Aktuell VfB Stuttgart

Gruseliger Einbruch des VfB Stuttgart beim Geisterspiel

Herber Rückschlag im Aufstiegsrennen. Abschlussschwäche wie vor Coronapause

Haben Gesprächsbedarf: Philipp Förster vom VfB Stuttgart diskutiert mit Schiedsrichter Sascha Stegemann.  FOTO: DPA
Haben Gesprächsbedarf: Philipp Förster vom VfB Stuttgart diskutiert mit Schiedsrichter Sascha Stegemann. FOTO: DPA
Haben Gesprächsbedarf: Philipp Förster vom VfB Stuttgart diskutiert mit Schiedsrichter Sascha Stegemann. FOTO: DPA

WIESBADEN. Es ist der erste Auftritt beider Mannschaften nach der zweimonatigen Corona-Zwangspause. Es ist der historische, skurrile und umstrittene Neustart der 2. Fußball-Bundesliga – ohne Fans aber mit vielen Auflagen. Es ist genau der Tag, an dem unter normalen Bedingungen eigentlich gegen 15.30 Uhr dem Meister die Trophäe überreicht worden wäre. Und es ist die gleiche Abschlussschwäche wie vor der Auszeit, durch die der VfB Stuttgart nun wieder auf Relegationstabellenplatz drei abrutscht.

In der Brita-Arena kassieren die Schwaben gestern, am nicht 34. sondern erst 26. Spieltag, beim SV Wehen Wiesbaden, wie im Hinspiel, eine für seine Aufstiegsambitionen angesichts der jeweiligen Unentschieden der Konkurrenten Bielefeld und Hamburg bittere 1:2 (0:0)-Niederlage. »Wir haben im Laufe der ersten Halbzeit den Punch und die Schärfe verloren«, wird VfB-Coach Pellegrino Matarazzo nach dem gruseligen Einbruch seiner Mannen sagen. Es hätte »viel mit Widerstandsfähigkeit zu tun«. In der dritten Minute der Nachspielzeit mit der letzten Aktion des Spiels erzielte Wiesbadens Phillip Tietz nach Handspiel der Gäste und Videoentscheid per Strafstoß den Siegtreffer für das Kellerkind. »Wir könnten eigentlich der Gewinner des Spieltags sein. Jetzt sind wir der Verlierer des Spieltags. Das tut weh«, meint Mario Gomez.

Spieler ohne Sicherheitsabstand

12.55 Uhr: Nach den Hausherren kommen auch die Spieler des VfB zum Warmmachen auf den Rasen. Angekündigt vom Stadionsprecher über die Lautsprecher, die für die ungewöhnliche Situation viel zu laut eingestellt sind. Allerdings ohne den üblichen, motivierenden Applaus der eigenen, zahlreich mitgereisten Fans. Jedoch auch ohne den vorgeschriebenen Sicherheitsabstand von 1,5 bis 2 Metern. Im Vergleich zum 1:1 am 9. März gegen Spitzenreiter Arminia Bielefeld stellt Matarazzo mit Marc Oliver Kempf (für Holger Badstuber) und Marcin Kaminski (erstmals nach seiner schweren Kreuzbandverletzung am ersten Spieltag beim 2:1 gegen Mit-Absteiger Hannover eingesetzt) eine neue Innenverteidigung. Nathaniel Phillips rückt für Pascal Stenzel auf die rechte Abwehrseite. Zudem kehrt Philipp Förster zurück ins Team. Er spielt im rechten Mittelfeld für Wataru Endo, der im Zentrum Orel Mangala verdrängt.

13.31 Uhr: Sascha Stegemann pfeift das auch für ihn erste Geisterspiel seiner Karriere vor nahezu leeren Rängen an. Auf der Tribüne, die in Corona-Zeiten von der Deutschen Fußball Liga (DFL) zur »Zone 2« gemacht wurde, verlieren sich keine 50 Personen – Vereinsverantwortliche, Medienschaffende und Sicherheitspersonal. Es fühlt sich ganz komisch an. Und es stellt sich die Frage: Was ist Fußball ohne Fans wert? Deutlich hörbar feuert VfB-Keeper Gregor Kobel seine Vorderleute an mit den Worten: »Jungs, von Anfang an hoch motiviert.«

13.35 Uhr: In der vierten Spielminute muss sein Gegenüber Heinz Lindner auf der Torlinie mit einem Klassereflex gegen Gomez retten. Kurze Zeit später lässt der Stuttgarter Torjäger den Ball im Netz zappeln, steht dabei aber im Abseits (7.). Auch Kobel muss auf der anderen Seite ein erstes Mal sein Können beweisen (9.). Was im Normalfall wegen der Zuschauerkulisse nicht zu hören ist: Die Spieler geben sich gegenseitig ständig und lautstark Anweisungen.

14.16 Uhr: Zur Halbzeit lässt sich feststellen, dass die Gäste als Aufstiegsaspirant erwartungsgemäß mehr von der Partie hatten. Es ist allerdings auch zu konstatieren, dass – wie so oft in der Vergangenheit – zu wenig dabei herauskommt. Fakt ist ebenfalls, dass die Spieler auf beiden Seiten keine einzige Sekunde gebraucht haben, um sich an die vermeintlich ungewohnten Gegebenheiten zu gewöhnen. Es wird genauso in die Zweikämpfe gegangen, dabei gegrätscht und am Trikot gezogen wie bei einer »normalen« Begegnung.

14.35 Uhr: Als Manuel Schäffler, Doppeltorschütze beim 2:1-Hinspielsieg, in der 50. Spielminute das 1:0 erzielt, gerät schlagartig in Vergessenheit, dass der Torjubel eigentlich nur dezent und corona-regelkonform ablaufen sollte. In Sekundenschnelle bildet sich eine Traube aus neun Wehen-Spielern. Mit Gelb bestraft, wie etwa das Trikotausziehen, wird dies nicht, weil die DFL zwar Sanktionen niedergeschrieben hat, allerdings wie im Fall des unerlaubten Einkaufsbummels von Augsburgs Trainer Heiko Herrlich bislang noch unklar ist, wer diese ausspricht. Nicolas Gonzalez erzielt kurz vor dem Ende nach wilden Angriffen des VfB zumindest noch den nur dezent gefeierten 1:1-Ausgleich (83.), ehe VfB-Sportdirektor Sven Mislintat im Zusammenhang mit dem Handelfmeter gut hörbar von einer »kompletten Verarsche« spricht.

Fazit: So darf Profifußball nicht ablaufen. Ein Event, das durch die Fans erst zu etwas Großem wird, verliert angesichts der Geisterspiel-Atmosphäre seinen Reiz. Und deshalb rechtfertigen auch einzig und allein die finanziellen Nöte der wirtschaftlich von den Fernsehgeldern abhängigen Vereine diese Maßnahme, die immer mehr auf Kritik stößt. Und auch die Frage, ob das ganze Szenario als sportlich fair bezeichnet werden kann, beantwortet einem nach wie vor keiner. Die wird aber sicherlich aufkommen, wenn der Spielbetrieb wegen zu vieler positiver Coronafälle doch noch abgebrochen wird. (GEA)