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Die Abrechnung: VfB-Boss Dietrich zieht sich polternd zurück

Wolfgang Dietrich ist als Präsident des VfB Stuttgart zurückgetreten. Seine Generalabrechnung zum Abschied bereichert den Absteiger um ein weiteres Krisenkapitel. Wer nun auf den umstrittenen Ex-Unternehmer folgt, ist unklar.

Rücktritt
Tritt als Präsident des VfB Stuttgart zurück: Wolfgang Dietrich. Foto: Christoph Schmidt
Tritt als Präsident des VfB Stuttgart zurück: Wolfgang Dietrich. Foto: Christoph Schmidt

STUTTGART. Selbst im Moment seines Rücktritts blieb Wolfgang Dietrich trotzig. Mit einer persönlichen Generalabrechnung hat sich der 70-Jährige vom Präsidentenamt des krisengeplagten VfB Stuttgart zurückgezogen und gegen seine Widersacher nachgelegt.

»Ich kann und will nicht mehr verantwortlich für alles gemacht werden, was beim VfB Stuttgart berechtigt oder unberechtigt nicht gut funktioniert«, schrieb Dietrich auf seiner Facebook-Seite. »Ich lasse mir meine Würde und Ehre nicht von denjenigen nehmen, die ihre Macht lautstark und mit verbaler Gewalt demonstrieren.«

Damit überrumpelte der höchst umstrittene Ex-Unternehmer auch die Führungsriege des Fußball-Zweitligisten, der erst rund eine Stunde nach Dietrichs Statement eine Mini-Mitteilung auf seiner Homepage veröffentlichte. »Die Gremien des VfB Stuttgart respektieren und bedauern« den Entschluss von Dietrich, der gleichzeitig auch vom Aufsichtsratsvorsitz der Schwaben zurücktrat.

Dietrich sieht sich als Sündenbock und reagierte damit auf die am Sonntag wegen einer technischen Panne abgebrochene Mitgliederversammlung des VfB. Weil das WLAN im Stuttgarter Stadion nicht funktioniert hatte, konnte auch die Abstimmung über seine Abwahl nicht stattfinden. Nachdem Dietrich die Veranstaltung unter lautstarken Pfiffen und Protesten abgebrochen hatte, wurde er von Personenschützern aus dem Innenbereich des Stadions begleitet.

Was er auf der Mitgliederversammlung an »Feindseligkeit und Häme« erlebt habe, hätte er »nicht für möglich gehalten«, schrieb Dietrich. Er möchte »nicht mehr einer Organisation vorstehen, die weder willens ist, sich mit mir gemeinsam diesen Interessen entgegenzustellen, noch in der Lage, den einwandfrei funktionierenden Ablauf einer Mitgliederversammlung zu gewährleisten.« Dietrich war bei einigen Anhängern zuletzt so massiv in die Kritik geraten, dass einige von ihnen einen Abwahlantrag auf die Tagesordnung hatten setzen lassen.

Mit ihren Handys hätten sich die rund 4500 anwesenden Stimmberechtigten in ein extra dafür eingerichtetes WLAN einloggen sollen, um unter anderem über Dietrichs Zukunft abstimmen zu können. Trotz mehrfacher Versuche bekamen die anwesenden Techniker die Probleme nicht in den Griff. Dietrich war schon zuvor immer wieder verbal aus dem Publikum attackiert worden. Dass eine Einigung der schwer gespaltenen Fans des Traditionsclubs unter ihm noch möglich gewesen wäre, erschien im Laufe des Abends immer zweifelhafter.

Dennoch hätten ihn das Präsidium, Vereinsbeirat und Aufsichtsrat nach dem Abbruch der Versammlung gebeten, weiterzumachen. Dietrich war im Oktober 2016 eigentlich für vier Jahre gewählt worden, der Ärger einiger Fans wurde aber nicht erst durch den Abstieg immer größer. In der vergangenen Saison hatten sie regelmäßig mit Plakaten im Stadion gegen ihn demonstriert. Zuletzt hatte sogar die Kriminalpolizei Ermittlungen unter anderem aufgrund mutmaßlicher Todesdrohungen gegen Dietrich aufgenommen.

Seine Kritiker warfen Dietrich nicht nur die Verpflichtung des im vergangenen Februar wieder abberufenen Ex-Sportvorstands Michael Reschke vor. Auch Dietrichs frühere Verflechtungen mit dem Unternehmen Quattrex, das Fußballclubs und auch direkten Konkurrenten des VfB Kredite gewährt hatte, sorgte bei einigen Mitgliedern bis zuletzt für Fragezeichen und Ärger. Etwas überraschend war, dass der gesamte VfB-Vorstand um Sportchef Thomas Hitzlsperger auf der Mitgliederversammlung auf Plädoyers pro Dietrich verzichtet hatte.

Wie es nun an der Spitze des Traditionsclubs weitergeht, blieb zunächst offen. »Der Vereinsbeirat wird kurzfristig entsprechend seiner satzungsgemäßen Aufgaben zusammentreten, um eine kommissarische Besetzung des Präsidiums bis zur nächsten Mitgliederversammlung herbeizuführen«, heißt es in der VfB-Mitteilung. Da Vizepräsident Bernd Gaiser als einziges Präsidiumsmitglied übrig ist, dürfte er den Club zunächst führen. Wann die nächste Mitgliederversammlung stattfindet, ist noch unklar. (dpa)

Die Rücktrittserklärung des 70-Jährigen bei Facebook im Wortlaut:

"Sehr geehrte Damen und Herren, Liebe Mitglieder, Freunde und Fans des VfB Stuttgart,

den Ausgang einer Mitgliederversammlung wie am gestrigen Abend erlebt, hätte ich niemals für möglich gehalten. Was wir als Verein unseren anwesenden Mitgliedern hier zugemutet haben, ist fürchterlich. Die lückenlose Aufklärung der Umstände, (...) , muss oberste Priorität haben.

Allein ich werde nicht Teil dieser Aufklärung sein. Denn ich hätte auch den Grad an Feindseligkeit und Häme, wie am gestrigen Tag erlebt, nicht für möglich gehalten. Ich kann und will nicht mehr verantwortlich für alles gemacht werden, was beim VfB Stuttgart berechtigt oder unberechtigt nicht gut funktioniert.

Schon am gestrigen Abend haben mich das Präsidium, der Vereinsbeirat und der Aufsichtsrat gebeten, in jedem Fall im Amt zu bleiben.(...) Nichtsdestotrotz habe ich mich dazu entschlossen, heute mit sofortiger Wirkung (...) zurückzutreten.

Ich lasse mir meine Würde und Ehre nicht von denjenigen nehmen, die ihre Macht lautstark und mit verbaler Gewalt demonstrieren. Ebenso wenig wie von denen, die sich schon seit langem an den gut gefüllten Töpfen unseres Vereins bedienen wollen.

Auch kann und möchte ich nicht mehr einer Organisation vorstehen, die weder willens ist, sich mit mir gemeinsam diesen Interessen entgegenzustellen, noch in der Lage, den einwandfrei funktionierenden Ablauf einer Mitgliederversammlung zu gewährleisten. (...)

Der Vereinsführung und allen Gremien wünsche ich die Kraft und das wache Auge, nicht zuzulassen, dass Einzelne sich den VfB Stuttgart für ihre persönlichen oder wirtschaftlichen Interessen zunutze machen. (...)

Es war mir eine Ehre, diesem Verein dienen zu dürfen.

Wolfgang Dietrich"