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Das Desaster des VfB Stuttgart nimmt Form an

Der dritte Bundesliga-Abstieg zeichnet sich ab. Tore von Gentner und Gomez reichen nicht

Enttäuscht: (von links) Christian Gentner, Emiliano Insua und Daniel Didavi.  FOTO: EIBNER
Enttäuscht: (von links) Christian Gentner, Emiliano Insua und Daniel Didavi. FOTO: EIBNER
Enttäuscht: (von links) Christian Gentner, Emiliano Insua und Daniel Didavi. FOTO: EIBNER

STUTTGART. Überall steht Relegation, wo man auch hinschaut in der Arena. Auf grauem Grund. Grau in grau, als wäre die Stimmung in Stuttgart endgültig im Keller. Nach dem 2:2 (1:1) gegen den 1. FC Union Berlin im ersten Spiel der Relegation gibt es zwar noch Hoffnung für den VfB, aber sie ist noch geringer als ohnehin befürchtet. Der dritte Abstieg aus der Fußball-Bundesliga könnte im Rückspiel am kommenden Montag in Berlin zur Gewissheit werden, das Desaster nimmt konkrete Formen an, wenn in Köpenick nicht noch ein Wunder geschieht.

Die Stuttgarter Führung durch Kapitän Christian Gentner in der 41. Minute glich Suleiman Abdullahi schon im direkten Gegenzug aus. Das 2:1 durch den eingewechselten Mario Gomez schien die Weichen auf Sieg zu stellen (51.), aber nach dem Kopfballtor von Marvin Friedrich (68.) deutet bei »Eisern Union« jetzt alles auf den erstmaligen historischen Aufstieg in die Fußball-Bundesliga.

»Das haben wir uns sicherlich anders vorgestellt. Trotzdem ist erst Halbzeit. Wir müssen am Montag in Berlin einfach gewinnen. Das ist ein ganz packendes Finale, das wir für uns entscheiden müssen«, sagte Stuttgarts Interimstrainer Nico Willig. »Schlussendlich war es eine tolle Leistung von uns. Es war wichtig, dass wir das 1:0 schnell ausgeglichen haben. Das hat dem Team für den Rest des Spiels Mut gegeben«, jubelte Union-Coach Urs Fischer.

Viel Relegationserfahrung

»Mit 28 Punkten steigst du normalerweise ab, deshalb bin ich froh, dass wir in der Relegation antreten dürfen«, sagt Daniel Didavi. »Ein erneuter Abstieg wäre für den Verein eine Katastrophe.« Das wissen alle. Und davor haben auch alle Angst. Angefangen bei Präsident Wolfgang Dietrich, für den die Mitgliederversammlung im Juli ohnehin ungemütlich werden wird. »28 Punkte nach 34 Spielen ist absolut katastrophal, aber ich glaube, dass Nico Willig die Mannschaft wieder in die Spur gebracht hat.« Der Interimstrainer holte aus vier Spielen sieben Punkte.

Didavi hat Relegationserfahrung mit dem VfL Wolfsburg gesammelt: »Ich habe wegen diesen beiden Spielen jedenfalls keine schlaflosen Nächte.« Mario Gomez, der in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung offen und ehrlich zugab, längst nicht mehr die Form früherer Tage zu erreichen, aber »ich muss auch nicht mehr die Welt retten«, stand auch gegen Union Berlin nicht in der Startformation. Wie zuletzt eigentlich nie. Der Ex-Nationalspieler sieht sich inzwischen eher in der Rolle des Motivators für die jüngeren Spieler. Kapitän Christian Gentner ist da offenbar anderer Meinung: »Wir werden Mario noch brauchen, das weiß ich.« Und auch der Trainer hat keinerlei Zweifel an Gomez. »Alle wissen, was sie an Mario haben, wir brauchen ihn«, sagt Willig. Und ließ ihn zunächst wieder auf der Bank.

Gegen den Zweitligadritten startete der VfB druckvoll, wurde von Union aber stets hoch angelaufen, es konnte sich kaum Kombinationsfußball entwickeln. Willig stellte ultimativ offensiv auf mit Didavi, Chadrac Akolo, Anastasios Donis und Nicolas Gonzalez. Defensiv nominierte der Interimscoach vor Ron-Robert Zieler das Beste, was er hat. Emiliano Insua und Benjamin Pavard auf den Außenpositionen, Marc-Oliver Kempf und Ozan Kabak in der Innenverteidigung. Und für die Verbindung der beiden Blöcke zeichneten Gonzalo Castro und Kapitän Christian Gentner verantwortlich. Insbesondere Castro hatte VfB-Ikone Guido Buchwald zuletzt als einen Profi bezeichnet, der »seinen Zenit überschritten hat«.

Der VfB bemühte sich, kam aber bis auf ganz wenige Ausnahmen nie wirklich gefährlich in den Berliner Strafraum. Donis (11.) scheiterte ebenso wie Gonzalez (12.). Mitte des ersten Durchgangs spielte Union fast ebenbürtig, Sebastian Andersson hatte in der 22. Minute die größte Chance, Zieler parierte aber gewohnt sicher. Gefährlich wurde es für Union nur, wenn sich die schnellen Stuttgarter Außenspieler einmal durchsetzen konnten. Und durch Standardsituationen, ansonsten zeigte sich aber kein Klassenunterschied.

Unruheherd Andersson

Union verteidigte vor 58 619 Zuschauern gewohnt sicher und blieb vor allem durch Andersson auch in der Offensive gefährlich. Dem VfB gelang es zu selten, dem Zweitligisten spielerisch gefährlich zu werden. Union agierte aufmerksam, die Mannschaft von Trainer Urs Fischer erlaubte sich so gut wie keinen Fehler und wirkte technisch und taktisch sehr gut vorbereitet. Aber in der 41. Minute ging der VfB dann trotzdem in Führung. Donis setzte sich auf dem rechten Flügel überragend durch, passte in den Strafraum und Gentner verwandelte sicher. Aber schon im direkten Gegenzug nach dem Anstoß glichen die Berliner aus. Kempf verlor nach einem langen Ball aus der gegnerischen Hälfte ein Kopfballduell gegen Andersson, der Ball gelangte zu Suleiman Abdullahi und der verwandelte eiskalt zum wichtigen 1:1 (42.).

Im zweiten Durchgang das gleiche Bild. Der VfB machte das Spiel, jetzt aber mit Mario Gomez für Didavi, und das machte sich schon nach fünf Minuten bezahlt. Gomez nahm den Ball im Halbfeld auf, stürmte mit Ball in den gegnerischen Strafraum und traf zum 2:1 (51.). Aber Union schaffte durch Friedrich wieder den Ausgleich. In der 79. Minute verhinderte eine Glanzparade von Zieler ein Tor von Andersson. Danach Pfiffe, Hohngelächter, Verzweiflung. Und ein Rest von Hoffnung. (GEA)