AALBORG. Besuch aus der Heimat bekommt Juri Knorr recht häufig. Am Stadtrand von Aalborg hat der Star der deutschen Handball-Nationalmannschaft gemeinsam mit Freundin Friederike ein kleines Häuschen gemietet. »100 Quadratmeter, nichts Großes. Aber ein Garten ist dabei. Das freut auch den Hund«, sagt Knorr und lacht. Jeweils eine halbe Stunde ist es für ihn bis zur Nord- oder Ostsee, für einen Spaziergang am Strand hat er also stets die Qual der Wahl. »Das ist hier eine Urlaubsregion, aber trotzdem sehr ruhig«, freut sich der 25-Jährige über die entschleunigte dänische Lebensweise – und auch über jeden, der bei ihm hoch im Norden mal vorbeischaut.
Nationaltorwart David Späth, den er aus gemeinsamen Jahren beim Bundesligisten Rhein-Neckar Löwen kennt und zu einem echten Freund wurde, besuchte ihn bereits. Und natürlich seine Eltern Thomas und Franziska, die nach wie vor in Bad Schwartau bei Lübeck leben. Von dort aus sind es bis Aalborg rund 450 Kilometer. »Aber man kommt gut durch, das ist ein bisschen anders als in Deutschland«, scherzt Knorr, der vor dieser Saison von den Löwen zum dänischen Spitzenclub Aalborg Handbold wechselte.
Mit seinem neuen Verein ist der Mittelmann überragend in die Saison gestartet. Neun Siege in neun Spielen in der heimischen Liga, in der Gruppenphase der Champions League liegt Aalborg hinter dem deutschen Meister Füchse Berlin auf Platz zwei. Knorrs Rolle in der Mannschaft wird außerdem immer größer, weshalb er sich am Montag mit viel Selbstvertrauen auf den Weg nach München zur deutschen Nationalmannschaft machte.
Die Komfortzone verlassen
In dieser Woche stehen am Donnerstag (19.30 Uhr) in Nürnberg und am Sonntag (17.15 Uhr) in München zwei Länderspiele gegen Island an. »Ich freue mich, mit den Jungs am Tisch zu sitzen und Spaß zu haben. Vor allem verstehe ich auch alles«, flachst Knorr, der sich in seiner neuen dänischen Umgebung noch in der Findungsphase befindet. Dazu gehört vor allem die Sprache. Kommunikation ist bekanntlich der Schlüssel zum Glück. Der Ex-Löwe wusste, dass all das auf ihn zukommt. Aber er entschied sich bewusst dafür, die Komfortzone zu verlassen. Jetzt ist der Nationalspieler zwar näher an seiner norddeutschen Heimat, aber eben doch in einem anderen Land. Und das, betont der Spielmacher, sei eben ein Unterschied: »Ich musste erst einmal das Organisatorische verstehen.« Also das echte Leben in einem fremden Land.
Der Hype hat sich gelegt
Wie läuft das mit Versicherungen oder den Steuern? Es waren diese Fragen, die Knorr beschäftigten. Und wer ihn ein wenig kennt, der weiß: Er möchte das wirklich komplett verstehen. Denn alles, was sich der 25-Jährige vornimmt, hat er bislang mit voller Überzeugung gemacht. 100 Prozent sind für ihn kein Richtwert, sondern eine stetige Erwartung an sich selbst. Auf dem Feld. Und auch daneben. Wenngleich der sportliche Erfolg schon eine besondere Bedeutung hat. »Im Endeffekt ist mein Arbeitgeber ein Verein mit einem sehr hohen Anspruch. Das beschreibt meinen Alltag am besten«, sagt Knorr, für den es überspitzt gesagt mittlerweile zwei Handball-Welten gibt.
Wenn der gebürtige Flensburger am Donnerstag in Nürnberg für die Auswahl des Deutschen Handballbundes (DHB) auf dem Feld steht, wird er wieder der Liebling der Massen sein. Hier ist er nicht nur ein Spieler, sondern auch eine Marke. Hoch oben im dänischen Norden darf er vor allem ein Handballer sein. Ihm gefällt das. Längst hat er einen Weg für sich gefunden, mit dem ausgeprägten Interesse an seiner Person umzugehen.
Mal ganz abgesehen davon, dass sich mit dem Umzug nach Dänemark der Hype ohnehin gelegt hat. In Aalborg geht es wesentlich beschaulicher zu – obwohl die Dänen nach drei WM-Titeln und dem Olympiasieg ein wirklich handballverrücktes Volk sind. »Wenn ich durch die Stadt gehe, werde ich eigentlich nicht angesprochen«, berichtet Knorr, der in Aalborg Seite an Seite mit dem norwegischen Superstar Sander Sagosen oder dem dänischen Ausnahmekönner Thomas Arnoldsen spielt. »Jeder weiß, dass es auf seiner Position noch ein, zwei andere richtig gute Jungs gibt«, ist dem DHB-Ass vollkommen klar, dass er sich täglich neu beweisen muss. Momentan gelingt ihm genau das aber ganz gut. (GEA)

