AUGSBURG. Heute Abend startet die Fußball-Bundesliga in die Rückrunde. Wir erzählen 18 Geschichten zu 18 Clubs: Vom heißesten Transfer, dem coolsten Stürmer, dem Houdini der Trainergilde und dem »Wilden Klaus«.
- RB Leipzig
Wenn da nicht dieser Robert Lewandowski wäre. Oder der Flick Hansi. Generell einfach der FC Bayern. Dann, ja dann, würden sich sämtliche Gespräche in der Liga um den torwütigen Timo Werner und dessen ganz offensichtlich genialen Trainer Julian Nagelsmann drehen. Der Coach, der diese Ruckzuck-Mannschaft ruckzuck zu einem Ballspiel-Ensemble erzogen hat. Prognose: Am 16. Mai werden sich viele Gespräche um die Bayern drehen – die am 34. Spieltag zum ersten Mal seit 2012 nicht auf Rang eins stehen. Weil sich dort die Leipziger für ihre erste Meisterschaft feiern lassen.
- Borussia Mönchengladbach
Wenn da nicht dieser Timo Werner wäre. Oder der Julian Nagelsmann. Dann, ja dann, wäre Borussia Mönchengladbach nach den ersten 17 Spielen tatsächlich als Herbstmeister ins Ziel eingelaufen. Und jeder würde darüber sprechen, dass Marco Rose aus den chronisch unter Wert verkauften Gladbachern einen Titelkandidaten gemacht hat – und am Ende sogar den ersten Meistertitel seit 44 Jahren holen könnte. Prognose: Mönchengladbach wird nicht einbrechen – alleine schon deshalb, weil man vorsorglich aus Pokal und Europacup ausgeschieden ist. Zum Titel reicht es aber noch nicht.
- FC Bayern
Bis zum Ende solle die Mannschaft um alle drei Titel mitspielen, forderte Sportdirektor Hasan Salihamidzic. Dann verloren die Münchner 2:5 gegen den 1. FC Nürnberg. In der Breite ist der Kader zu dünn. Möglicherweise ist die nähere Zukunft der Münchner ja doch von einem Neuzugang abhängig. Auch wenn Salihamidzic genau das verneint. So aber reicht es weder für Champions League noch für die Meisterschaft. Prognose: Den Pokal kennen die Münchner bislang als Zugabe – diesmal wird er zum Trostpreis.
- Borussia Dortmund
Im Sommer noch als Klassenprimus gestartet, geriet der BVB zum Hinrundenende immer mehr zum Sitzenbleiber. Die Meisterschaft scheint angesichts von sieben Punkten Rückstand unwahrscheinlich, statt mit der Herbstmeisterschaft ging es, wie Teammanager Sebastian Kehl sagte, »mit einem Scheiß-Gefühl in die Pause«. Nun soll ein 19-Jähriger der Hoffnungsträger sein: Erling Braut Haaland. Der Norweger ist als der Mittelstürmer eingeplant, der dem Kader bislang gefehlt hat. Ob dem Teenager gleich all das gelingt, was seine Vorgänger Paco Alcacer und Mario Götze versemmelt haben – fraglich. Prognose: Für die Königsklasse reicht es beim BVB.
- FC Schalke 04
Der Wechsel zum FC Bayern sollte für Schalke-Torwart Alexander Nübel der nächste Schritt sein – bislang hat der feststehende Wechsel ihn vor allem befreit: zuerst von seinem Kapitänsamt, dann wohl von seinem Stammplatz. Gut möglich, dass die Personalie in der Rückrunde noch für Ärger sorgt. Mit Michael Gregoritsch kam ein weiterer Schwer-Erziehbarer in die bisweilen verhaltensauffällige Ballsportgruppe S04 dazu – gut, dass Trainer David Wagner auch ausgebildeter Pädagoge ist. Prognose: Ein Hauch von »Fack ju Göhte« in Gelsenkirchen: Das kann nur in die Europa League führen.
- Bayer Leverkusen
Drei bis fünf Punkte habe man liegen lassen in der Vorrunde, sagt Boss Rudi Völler. Mit Kai Havertz hing das vielleicht größte Talent des europäischen Fußballs in der Vorrunde beträchtlich durch. In der Champions League: Raus in der Vorrunde. Und was wollen die Leverkusener machen? Den im Sommer auslaufenden Vertrag mit Trainer Peter Bosz vorzeitig verlängern. Prognose: Einträchtig geht es an der Champions League vorbei.
- TSG Hoffenheim
Wer gegen Dortmund und Bayern gewinnt, sollte in der Tabelle weiter oben stehen. Wer gegen Mainz und Augsburg verliert, steht allerdings normalerweise auf einem Abstiegsplatz. Der ehemalige Kapitän Kevin Vogt ist in der Rückrunde kein Mitglied mehr der Hoffenheimer Achterbahn-Truppe. Er wechselte nach Bremen. Prognose: Hoffenheim landet vor Vogt.
- SC Freiburg
Der »Hidden Champion« des deutschen Fußballs: Bundestrainer samt Co-Trainer, DFB-Präsident und dienstältester Bundesliga-Coach – sie alle sind Freiburger. Dass die Stadt auch bald einen Europapokalteilnehmer stellt – gut möglich. Staatsmännisch-vorbildlich geht's auf dem Rasen jedenfalls schon mal zu: Nur Dortmund verursachte weniger Fouls. Prognose: Freiburg gelingt eine dicke Überraschung.
- VfL Wolfsburg
Wolfsburg ist das deutsche Las Vegas, nur ohne Casinos, Elvis-Hochzeitskapellen oder David Copperfield. Aber eben doch auch eine Stadt im Nirgendwo. Stattdessen hat die niedersächsische Metropole die Illusionisten des VfL Wolfsburg zu bieten. Bekanntestes Showelement: Aus wenig viel machen. Schlechtester Sturm der Liga, dafür die beste Defensive – nirgendwo fallen pro Spiel weniger Tore als beim VfL. Das reicht für Platz neun – irgendwo im Nirgendwo. Prognose: Houdini-Trainer Oliver Glasner lässt Erinnerungen an seine Mannschaft nach und nach verblassen – und keiner vermisst irgendwas.
- FC Augsburg
Der FCA ist vor dem Tor bislang mit der Eiseskälte eines Auftragskillers zu Werke gegangen: Die Mannschaft von Trainer Martin Schmidt gab die zweitwenigsten Torschüsse aller Bundesliga-Teams ab (182, nur Hertha war mit 169 Versuchen noch sparsamer) – und hat trotzdem die sechstmeisten Tore der Liga erzielt (28). Kein anderer Club ist so effektiv. Vor allem Florian Niederlechner (er benötigte nur lächerliche 44 Schüsse für acht Tore) hat die Lizenz zum Jubeln. Prognose: Bleibt Niederlechner fit und der FCA eiskalt, hat der Club keine Abstiegssorgen.
- Union Berlin
Die Alte Försterei schien zum »Alten-Haus« der Bundesliga zu werden. Ihren Karriere-Höhepunkt hatten Christian Gentner, Neven Subotic und Anthony Ujah schon vor einiger Zeit gehabt. Weil aber in der romantischen Geschichte vom Underdog und den verrückt-liebenswerten Fans einfach alles gelingt, machen sich nicht etwa Geschwindigkeitsdefizite der Senioren bemerkbar, sondern ihre Erfahrung. Prognose: In jeder Liebesgeschichte gibt es auch schwierige Zeiten. Es reicht aber für’s Happy End: Klassenerhalt.
- Hertha BSC
Langweilig ist es jetzt wirklich nicht mehr bei der Hertha: Neu-Trainer Klinsmann brachte zu seinem Antritt eine Busladung aus Co-Trainern, Experten und Feng-Shui-Beratern mit. Die Ansprüche sind gewachsen: Ein »Big City Club« wolle man sein. Das zeigt sich auch am Performance Manager (ja, heißt wirklich so) Arne Friedrich. Der wurde im Trainingslager in Florida gefragt, ob das ganze Projekt nicht etwas größenwahnsinnig sei. Friedrichs lapidare Antwort: Ja, klar. Wörtlich lautet das so: »Wir wollen uns größenwahnsinnige Ziele stecken.« Verständlich, dass da nicht immer Zeit dafür ist, eine Trainerlizenz zu verlängern. Prognose: Die Rückrunde verspricht beste Unterhaltung – vor allem dann, wenn der »Big City Club« in Abstiegsnot gerät.
- Eintracht Frankfurt
Die einstige Büffelherde befindet sich an der Trophäenwand europäischer Großclubs. Die Hessen der Saison 2019/20 laufen nicht Gefahr, dass mit Geldbündeln nach ihnen geworfen wird. Prognose: Abwehrspieler Martin Hinteregger gewinnt die vereinsinterne Torjägerkanone.
- FSV Mainz 05
Ganz oder gar nicht – zwischendrin gibt es nicht in Mainz. Die einzige Mannschaft ohne Unentschieden verschrieb sich erst vollkommen Trainer Sandro Schwarz, bis es schließlich gar nicht mehr ging. Es übernahm mit Achim Beierlorzer ein Mann, der für Zwischentöne offen ist. Prognose: Es wird langweiliger in Mainz – aber es reicht für den Klassenerhalt.
- 1. FC Köln
Das Fazit von Armin Veh, bis Anfang November Geschäftsführer beim Aufsteiger, war eindeutig: »In Köln können sie Karneval feiern.« Das mit dem Fußball ist manchmal schwieriger. Doch wenn es nach den Kölnern gegangen wäre, hätte die Rückrunde diese Saison ausfallen sollen: In den fünf Spielen vor der Pause holte der Effzeh mehr Punkte als in den zwölf Partien davor. Prognose: Es reicht knapp für den Klassenerhalt.
- Fortuna Düsseldorf
Was machen die Düsseldorfer eigentlich, wenn sich Rouwen Hennings verletzt? Der hat elf der 18 Hinrunden-Treffer erzielt. Ohne den Stürmer würden schon die Planungen für die 2. Liga laufen. Prognose: Trainer Friedhelm Funkel lässt Hennings rund um die Uhr bewachen. Es reicht dennoch nicht.
- Werder Bremen
Man kann Claudio Pizarro einfach nicht böse sein. Werder-Manager Frank Baumann hat es versucht. Der wollte den quietschfidelen Sturm-Opa maßregeln, weil der aus dem USA-Urlaub ein Grinsebild mit Bierdose gepostet hatte. Passt halt nicht, wenn man mit der schlechtesten Abwehr auf einem Abstiegsplatz steht. Aber am Schluss hat der Peruaner seinen Manager doch um den Finger gewickelt. Prognose: Werder schafft den Klassenerhalt in der Relegation. Das entscheidende Tor gelingt Pizarro.
- SC Paderborn
Kaum zu glauben, aber in einer Statistik ist Paderborn top. Dafür ist die Nummer 8 verantwortlich. Klaus Gjasula sticht nicht nur heraus, weil er mit einem Helm spielt, sondern fleißig Karten sammelt: Zehn Verwarnungen in 18 Spielen holte der »Wilde Klaus«. Mit dem SCP verfolgt er ein ambitioniertes Projekt: Der Aufsteiger spielt nicht wie einer, sondern sucht sein Heil in der Offensive. Obwohl das bislang mäßig erfolgreich war, will niemand das ändern. Prognose: Paderborn bleibt sich treu: Seit sieben Jahren wechselt der Club jedes Jahr die Spielklasse. (GEA)