FRANKFURT/WOLVERHAMPTON. Den Anspruch für das nächste Großereignis der deutschen Frauen-Nationalmannschaft mit der EM in England (6. bis 31. Juli) formuliert Joti Chatzialexiou recht eindeutig. »Wir wollen um Titel spielen, nicht mitspielen.« Der Sportliche Leiter Nationalmannschaft macht vorab zur Bestandsaufnahme eine Rundreise der deutschen Fußballerinnen mit, die nach Stationen in Middlesbrough und Norwich nun zum Abschluss nach Wolverhampton führt, wo an diesem Mittwoch (20.30 Uhr/zdf.de) das wichtigste Spiel bei einem Vierländerturnier gegen den EM-Gastgeber England wartet.
Von einem »Appetizer auf die Euro« spricht die rechte Hand von DFB-Direktionsleiter Oliver Bierhoff – und seine Vorfreude teilt Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg uneingeschränkt, denn einen stimmungsvollen Härtetest in einem gut besuchten Stadion gab es in Pandemie-Zeiten noch gar nicht. »England zählt zum engsten Favoritenkreis für den EM-Titel. Wir freuen uns auch darauf, jetzt schon EM-Atmosphäre aufzusaugen«, sagt Voss-Tecklenburg. In den West Midlands wartet ein hoch motivierter Gegner, der mit der Rückendeckung von bis zu 20 000 Fans natürlich den Heimsieg beim neu erschaffenen »Arnold Clark Cup« einfahren will. Im Gegenzug erinnern sich die DFB-Auswahl besonders gerne an das letzte Prestigeduell auf der Insel.
Damals im November 2019, als in Wembley fast 80 000 Menschen zu Spottpreisen ein spektakuläres Länderspiel sahen, das Deutschland mit 2:1 gewann. Torhüterin Merle Frohms nennt es rückblickend immer noch einen »Höhepunkt der Karriere« – sie hielt damals als neue Nummer eins einen Elfmeter und möchte erneut die Kulisse »zum Schweigen bringen«. Auch Chatzialexiou wünscht sich einen solchen Motivationsschub.
Der 46-Jährige hält fest, dass andere Nationen den achtfachen Europameister Deutschland teilweise nicht nur eingeholt, »sondern in manchen Bereich vielleicht auch überholt« hätten. Die Spanierinnen, aber auch die Engländerinnen sind mit massiver Anschubhilfe ihres Verbandes auf der Überholspur. Umso wichtiger sei es, dass das deutsche Team anders als in den vielen einseitigen Qualifikationsspielen endlich gefordert würde: Es sei wichtig, »die Intensität zu spüren«, denn international wehe eben ein »rauerer Wind«. Gerade auf die Defensive, glaubt Chatzialexiou, »wird es bei der EM angekommen«.
Auch in Sachen Handlungsschnelligkeit hat er Defizite ausgemacht, die sich bei Frauen und Männern unter dem DFB-Dach gar nicht unterscheiden würden: »Der erste Kontakt mit dem Ball, die Auftaktbewegung, die technische Umsetzung.« Tatsächlich waren die vielen Ballverluste und unpräzisen Zuspiele gegen Spanien (1:1) und Kanada (0:1) ein Ärgernis. Voss-Tecklenburg nannte die fehlenden Automatismen eines von insgesamt 14 Absagen und Ausfällen zerzausten Kaders und fehlende Spielruhe als Gründe, »das hat auch mit dem Kopf zu tun.« Nach ihrem Dafürhalten hätte ihr Team »ein bisschen zu viel Aktionismus« an den Tag gelegt.
Weshalb die 54-Jährige mit ihrer Spielführerin Sara Däbritz die Köpfe zusammensteckte, um sich über die kommenden Schwerpunkte im Training auszutauschen. Chatzialexiou sieht den Verband in Sachen Datenerfassung in der Verantwortung Abhilfe zu schaffen, »dafür müssen wir auch Geld investieren«. Für manche Maßnahme könnte es bis zur EM-Endrunde jedoch bereits zu spät sein. (GEA)
GLEICHE BEZAHLUNG IN USA
Es ist ein historischer Tag: Nach jahrelangem Kampf erhalten die Fußballerinnen künftig vom Verband US Soccer alle die gleiche Bezahlung – »Equal Pay« ist Wirklichkeit geworden und zahlt sich in barer Münze aus. »Wenn wir gewinnen, gewinnen alle!« Dies sei »ein wunderbarer Tag«, twitterte US-Superstar Megan Rapinoe. 24 Millionen Dollar soll das Kompromisspaket schwer sein, 22 Mio. werden an die Spielerinnen ausgezahlt, der Rest geht in einen Fonds, der sie nach der Karriere unterstützt und Frauen- bzw. Mädchenfußball fördert. (SID)