Oberstdorf (dpa) - Derbe Kraftausdrücke sind bei Markus Eisenbichler in diesen Tagen nicht die Ausnahme, sondern die Regel.
Beim 28 Jahre alten Bayern läuft es an den Skisprungschanzen dieser Welt wahlweise »scheiße« oder »beschissen«, wie er selbst gerne und oft auch in ungeschliffenem Dialekt ausspricht. Und ausgerechnet jetzt, wenn Ergebnisse, Form und das nötige Selbstvertrauen fehlen, steht die bedeutende und prestigeträchtige 68. Vierschanzentournee auf dem Programm. Zum Auftakt an diesem Sonntag (17.30 Uhr/ARD und Eurosport) in Oberstdorf gilt der Vorjahreszweite Eisenbichler nicht mal als Geheimtipp - er ist nach schwierigen Wochen nur ein Außenseiter.
Der Naturbursche aus dem oberbayerischen Siegsdorf versucht, das Tief zehn Monate nach seinem Karriere-Höhepunkt mit dreimal WM-Gold in Seefeld nicht zu sehr an sich herankommen zu lassen. »Ich bin eigentlich ganz positiv. Körperlich bin ich fit, mit dem Springen, das wird schon wieder werden«, sagte »Eisei« in einer Mischung aus Hoffen und Zweckoptimismus. Der große deutsche Leistungsträger ist in dieser Saison bisher nicht er, sondern sein Zimmerkollege und Freund Karl Geiger, der beständig stark unter die besten Fünf springt.
Eisenbichlers Malaise auf der Schanze zu erklären, fällt schwer. Der Deutsche schloss den vergangenen Winter mit seinem ersten Einzelsieg im Weltcup überhaupt ab und wollte nun endlich konstanter werden. Die einzige Konstante vor dem großen Saisonhöhepunkt in Deutschland und Österreich ist nun allerdings die Inkonstanz. Die Platzierungen seit dem Saisonstart waren bei Eisenbichler: 50, 23, 31, 36, 15, 23 und 41. Im Gesamtweltcup liegt er hinter Skisprung-Nobodys wie Naoki Nakamura aus Japan oder dem Norweger Robin Pedersen.
Und jetzt die Tournee? Was Zuschauer und Experten als mieses Timing sehen, betracht der selbst ernannte »Gefühlsspringer« Eisenbichler als echte Chance. »Die hohe Dichte der Wettkämpfe kommt mir entgegen. Ich glaube, dass mir das gut tut, um wieder Sicherheit zu kriegen. Ich gehe so in die Tournee rein wie letztes Jahr und will gut performen. Was rauskommt, kommt raus«, sagte Eisenbichler in Engelberg. Im vergangenen Jahr reichte es nicht nur zu Gesamtrang zwei, sondern auch zu spektakulären Schanzen-Duellen mit Japans Ryoyu Kobayashi, der schließlich doch alle vier Wettkämpfe für sich entschied.
Der neue Bundestrainer Stefan Horngacher wird nicht müde, seinem eigentlich als Top-Springer eingeplanten Athleten das Vertrauen auszusprechen und Geduld zu predigen. »Ihm fehlt es nicht an Selbstvertrauen, sondern ein bisschen an Sicherheit. Es ist noch nicht aus einem Guss bei ihm«, sagte der Tiroler, der akribisch arbeitet und langfristig denkt. »Druck macht man sich immer nur selbst. Da haben wir das geringste Problem. Wir wissen, was wir machen. Wir haben einen Plan, wie wir skispringen«, sagte Horngacher.
Der gestiegene Rummel um ihn ist für Eisenbichler keine Ausrede für das sportliche Tief. Viele Termine im Sommer sagte er einfach ab, groß habe sich sein Leben nicht verändert, berichtete er. Viel mehr hapere es am Selbstbewusstsein und am richtigen Timing beim Absprung, berichtete der Skispringer.
Doch wenn einer dafür bekannt ist, Rückschlage wegzustecken und stärker zurückzukommen, dann ist es Eisenbichler. 2018 wurde er bei Olympia nicht für das Silber-Team berücksichtigt, im Deutschen Haus zeigte er darauf trotz aller Enttäuschung einen Schuhplattler vom Feinsten. Zwölf Monate später war er in Seefeld der Skisprung-König mit drei WM-Titeln. Und seinen Schuhplattler, den hat »Eisei« auch zuletzt im Krisenzustand wieder aufgeführt: bei der Ehrung der Sportler des Jahres in Baden-Baden.
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