Moskau (dpa) - Von Einsicht und Anerkennung der Schuld keine Spur: Russland legt Einspruch gegen die von der Welt-Anti-Doping-Agentur verhängten Sperre für Olympische Spiele und Weltmeisterschaften bis 2023 ein. Dies entschied der Aufsichtsrat der Anti-Doping-Agentur Rusada.
»Der Ball liegt jetzt im Feld der Wada. Wir werden das auf dem rechtlichen Feld klären«, sagte der Leiter des Gremiums, Alexander Iljew, in Moskau. Binnen 15 Tagen soll die Berufung beim Internationalen Sportgerichtshof eingereicht werden.
Kremlchef Wladimir Putin hatte die harten Wada-Sanktionen gegen Russland erneut als »ungerecht« zurückgewiesen. Das Land werde für ein und denselben Verstoß mehrfach bestraft, kritisierte er am Donnerstag bei einer Pressekonferenz in Moskau. »Es ist nicht nur unfair, sondern entspricht auch nicht dem gesunden Menschenverstand und dem Gesetz«, betonte der Präsident. »Jede Bestrafung sollte individuell sein.« Die Mehrheit der Sportler in Russland sei sauber. Russland werde deshalb alles dafür tun, damit seine Sportler bei den Olympischen Spielen unter ihrer nationalen Flagge antreten könnten.
»Es wäre wünschenswert gewesen, dass die Entscheidung der Wada von der Rusada akzeptiert und umgehend umgesetzt wird«, hieß es in einer Mitteilung der deutschen Nationalen Anti-Doping-Agentur. »Für die sauberen Sportler ist es der denkbar schlechteste Weg, da die Entscheidung nun weiter aufgeschoben wird.« So könnte die Rodel-WM im Februar nach der Cas-Anrufung noch im russischen Sotschi ausgetragen werden, falls das Urteil bis dahin nicht rechtskräftig sein sollte.
Auch der Deutsche Olympische Sportbund hat kein Verständnis für die russische Haltung. »Es kam wie es kommen musste: Dieser juristische Schritt sendet das völlig falsche Signal und kostet den russischen Sport erneut massiv an Glaubwürdigkeit, weil er nicht von notwendiger Einsicht, sondern von mangelndem Problembewusstsein zeugt«, kritisierte DOSB-Präsident Alfons Hörmann. Es müsse nun so schnell und fair wie möglich Klarheit geschaffen werden, wer bei den Sommerspielen in Tokio 2020 an den Start gehen dürfe. »Eine Zulassung in letzter Minute darf sich nicht wiederholen«, betonte Hörmann.
Dass der Sportgerichtshof den Protest abweisen wird, davon ist Jonathan Taylor überzeugt. »Erwarte ich, dass die Entscheidung des Cas sich von der der Wada-Exekutive unterscheidet?«, lautete die rhetorische Frage des Leiters der unabhängigen Prüfkommission, die die Strafen empfohlen hatte. Die Antwort: »Nein, das tue ich nicht.«
Auch Juri Ganus, der Leiter der Rusada und starker Kritiker des russischen Sportsystems und der Politiker, sieht pikanterweise ebenfalls keine Chance auf einen Sieg beim Cas. Der Grund: Russland hat die im April 2018 in Kraft gesetzten neugefassten internationalen Standards mit den verschärften Sanktionsmöglichkeiten auch gebilligt.
Das Wada-Exekutivkomitee hatte am 9. Dezember in Lausanne als Konsequenz auf die Manipulation von Dopingdaten aus dem Moskauer Analyselabor beschlossen, Russland für vier Jahre auszuschließen. Demnach dürfen russische Sportler nur als neutrale Athleten ohne Nationalflagge an Olympia, WM und größeren Veranstaltungen teilnehmen. Außerdem darf Russland bis 2023 weder Gastgeber sein, noch sich für eine Ausrichtung großer Wettkämpfe bewerben.
Die Fußball-EM 2020 mit Spielen in St. Petersburg und das dortige Champions-League-Finale 2021 sind nicht betroffen, weil es sich nach Wada-Definition nur um regionale Ereignisse handelt.
Die an die Wada Anfang des Jahres übergebenen Dopingdaten erwiesen sich anhand forensischer Untersuchungen als »weder vollständig noch vollständig authentisch«. Hunderte von mutmaßlich nachteiligen Analyseergebnissen seien laut Wada gelöscht oder geändert sowie 145 mutmaßliche Doping-Fälle dabei vertuscht oder verfälscht worden.