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Nico Schulz schockt Oranje: Niederlande – Deutschland 2:3

Löw überrascht mit Aufstellung und wird belohnt. Siegtreffer in der Schlussminute

Trifft entscheidend gegen die Niederlande zum 3:2: Nico Schulz (rechts). FOTO: DPA
Trifft entscheidend gegen die Niederlande zum 3:2: Nico Schulz (rechts). FOTO: DPA
Trifft entscheidend gegen die Niederlande zum 3:2: Nico Schulz (rechts). FOTO: DPA

AMSTERDAM. Joachim Löw hatte sich weit aus dem Fenster gelehnt. Er habe ein »gutes Gefühl«, verkündete der Bundestrainer vor dem wichtigsten Spiel des Jahres. Ein Satz, der ihm mit Sicherheit um die Ohren geflogen wäre, hätte das deutsche Fußball-Nationalteam im ersten Europameisterschafts-Qualifikationsspiel bei den Niederlanden einen Fehlstart erlebt. Doch die Ahnung Löws trog nicht. Der 3:2 (2:0)-Erfolg war ein Wechsel auf die Zukunft. Eine Zukunft, die für Löw nun wieder eine viel rosigere Perspektive hat.

Sage keiner, Löw könne im 14. Jahr als verantwortlicher Coach nicht noch überraschen. Wer fest davon ausgegangen war, der Südbadener würde in der Startformation mit seinen Offensiv-Assen Marco Reus, Julian Brandt und Timo Werner loslegen, traute seinen Augen nicht. Das Trio saß in der Johan-Cruyff-Arena zunächst auf der Bank. Stattdessen sollten Leon Goretzka, Serge Gnabry und Leroy Sané der »Oranjes«-Abwehr einheizen. »Wir haben viel Kontrolle gehabt, die erste Halbzeit war klasse. Im zweiten Durchgang haben wir das Niveau nicht halten können«, sagte Löw erleichtert.

Niederlande verblüfft

Auch die Niederlande schien ob dieser Aufstellungs-Variante verblüfft und zeigte in den ersten Minuten gehörigen Respekt vor dem Erzrivalen. Das machten sich die Gäste zunutze. Sané legte los wie die Feuerwehr. Noch keine zwei Minuten waren gespielt, da hatte Gnabry nach einem Doppelpass die Führung auf dem Fuß, scheiterte aber am reaktionsschnellen Jasper Cillessen im holländischen Tor. Besser machte es Manchester-City-Jungstar Sané, der nach einem öffnenden Pass von Toni Kroos und einem perfekten Zuspiel von Nico Schulz – einer von sechs Veränderungen gegenüber der Serbien-Partie – mit links ins lange Eck zur deutschen 1:0-Führung traf (15.). Zweite Chance, erstes Tor – solche Quoten haben beim Löw-Team seit dem Weltmeisterschafts-Debakel und der Nations-League-Pleite Seltenheitswert.

Das wirkte selbstbewusst, couragiert, ganz so, als hätte es diese Tiefschläge gar nicht gegeben. Bis dahin war von den Niederländern, die noch in der der Nations League einen 3:0-Erfolg und ein 2:2 gegen die deutsche Mannschaft geholt hatten, auffallend wenig zu sehen. Erst nach mehr als 20 Minuten bekam Manuel Neuer Arbeit. Denn so spielfreudig und schnörkellos Deutschland auch offensiv agierte, ihre Defensive war alles andere als sattelfest. Fast scheint es so, als könne Löw bei den Verteidigern aufstellen, wen und wie er will, die Defizite lassen sich dadurch derzeit nicht beheben. Gerade dieser Mannschaftsteil braucht noch reichlich Zeit, bis er wieder die Stabilität und Kompaktheit hat, um höhere Ziele anpeilen zu können. Matthias Ginter kam gleich zwei Mal zu spät. Doch Manuel Neuer, in den vergangenen Monaten immer wieder kritisiert, zeigte gegen Ryan Babel vor allem in der 25. Minute alte Klasse. Zwei Minuten später hatte er Glück, dass der Niederländer ihn aus vier Metern anschoss.

Aber der Sonntag war ja die Wiedergeburt der Offensivstärke. Da klappten Dinge, die man lange nicht mehr beim Weltmeister von 2014 gesehen hat. So kurvte Gnabry in Arjen-Robben-Manier von links außen in die Mitte und jagte das Leder zum 0:2 in den Winkel (35.). Ein heißer Kandidat für das Tor des Monats. Auch der aus Pfäffingen stammende Thilo Kehrer (39.) und kurz darauf erneut Sané hatten weitere gute Chancen.

Die Enttäuschung bei den Gastgebern war groß. »Oranje« wurde von seinen Fans mit Pfiffen in die Halbzeitpause geschickt. Das zeigte Wirkung. Wieder mal mit einem Standard verkürzten die Gastgeber. Diesmal allerdings nicht durch FC Liverpools Star Virgil van Dijk, sondern durch den Kopfball von Innenverteidiger Matthijs de Ligt stand es 1:2 (48.). Nun zogen die Holländer ein Powerplay auf. Als die deutsche Innenverteidigung den Ball nicht wegbekam, traf Memphis Depay flach ins Eck zum Ausgleich. Nach 63 Minuten war wieder alles offen. Das deutsche Team wackelte bedenklich. Entlastungsangriffe verpufften meist frühzeitig, lediglich Gnabry schaffte es noch, einen Konter auszuspielen, doch sein Schuss war zu ungefährlich.

Jetzt galt es, erfahrene Kräfte zu bringen, um die Nerven zu beruhigen und nach einer glorreichen ersten Halbzeit nicht am Ende mit leeren Händen dazustehen. Ilkay Gündogan ersetzte Leon Goretzka, Marco Reus kam für Gnabry. Reus war dann auch am Siegtor beteiligt. Seinen Pass versenkte der starke Nico Schulz mit links zum 3:2 in der 90. Minute. Serge Gnabry: »Super, in Amsterdam zu gewinnen. Wir haben eine fantastische erste Halbzeit gespielt und kann kriegen wir die Gegentore, aber am Ende hat es dann doch gereicht.« (GEA)

spielstatistik

spielstatistik

Niederlande – Deutschland   2:3 (0:2) Niederlande: Cillessen – Dumfries, de Ligt, van Dijk, Blind – Wijnaldum, de Roon (90. de Jong), de Jong – Promes, Depay, Babel (46. Bergwijn) Deutschland: Neuer – Ginter, Süle, Rüdiger – Kehrer, Kimmich, Schulz – Goretzka (70. Gündogan), Kroos – Sane, Gnabry (88. Reus) Tore: 0:1 Sané (15.), 0:2 Gnabry (34.), 1:2 De Ligt (48.), 2:2 Depay (63.), 2:3 Schulz (90.)

Schiedsrichter

: Gil Manzano (Spanien) Zuschauer: 52 000 (ausverkauft)