REUTLINGEN. In diesem Jahr wurde er bisher mit Lob überschüttet. Julian Nagelsmann hatte die Nationalmannschaft aus dem Jammertal herausgeholt und mit seinem Offensiv-Fußball eine neue Euphorie in Fußball-Deutschland entfacht. Doch nun hat der Bundestrainer selbst die Weiche falsch gestellt. Das unnötige 1:1 gegen Ungarn geht auf seine Kappe. Eine Rotation von gleich neun Spielern kann nicht nur als Zeichen mangelnden Respekts vor dem Gegner aufgefasst werden. In einem Test-Länderspiel wäre diese Maßnahme noch nachvollziehbar gewesen. Doch hatte die Partie Wettbewerbs-Charakter, auch wenn der Gruppensieg in der Nations League zuvor bereits feststand.
Gerade erst hatte die Nationalelf mit der 7:0-Gala gegen Bosnien-Herzegowina für Begeisterung gesorgt, da legt der Coach auch schon ohne Not die Bremse ein. In einem Heimspiel hätte er es wohl kaum gewagt, die Stars Kai Havertz, Jamal Musiala und Florian Wirtz zunächst auf die Bank zu setzen. Das ganze Jahr war immer wieder betont worden, wie wichtig es sei, dranzubleiben, um das verjüngte Team nach dem Abschied von Ilkay Gündogan, Thomas Müller, Toni Kroos und Manuel Neuer weiter einzuspielen. Erstaunlich genug nun die Abkehr von dieser Devise. Anstatt sich Selbstvertrauen auf dem Weg zur Weltmeisterschaft zu holen, folgte der völlig überflüssige Dämpfer. Der Erkenntnisgewinn über die B-Elf dürfte zudem gering ausgefallen sein.
Noch im Lernprozess
Es wird beim Nationalteam immer von der Gier gesprochen, gewinnen zu wollen. Dann allerdings muss der Bundestrainer mit seiner Aufstellung vorangehen und schon dadurch dokumentieren, wie wichtig ein Spiel ist. Abenteuer wie jetzt in Budapest bringen die Mannschaft nicht weiter. Offenbar ist Nagelsmanns Lernprozess noch nicht abgeschlossen. (GEA)