SOTSCHI. Nur nicht noch einmal so etwas wie in Frankreich. Immer dabei, aber nie getroffen. Das nagte schon am Selbstbewusstsein, aber aus dem Tief der Europameisterschaft 2016 hat sich Thomas Müller längst herausgearbeitet. Vor der Weltmeisterschaft in Russland war der Mann vom FC Bayern einer, der mit vielen Erwartungen befrachtet war. Deshalb reagierte er nach dem blamablen 0:1 gegen Mexiko im Luschniki-Stadion besonders enttäuscht, auch noch einen Tag später: »Das ist nicht unser Anspruch, das war nicht das, was wir uns vorgestellt haben.«
»Wir haben uns extremen Druck auferlegt, jetzt müssen wir gewinnen. Die Krux am Ballbesitzfußball ist, dass man gegen konterstarke Mannschaften Probleme bekommen kann«, analysierte der 28-Jährige zutreffend. Die Frage ist, warum man das nicht vorher in die Spielplanung einbezogen hat? Müller: »Es ist schwer, die richtigen Worte zu finden, um die Gemüter zu beruhigen und gleichzeitig das Spiel korrekt zu analysieren.« Alles nicht so einfach mit dem Fußball.
Miroslav Klose, der einzige Spieler weltweit, der es bei vier Turnieren immer bis ins Halbfinale schaffte und mit 16 Treffern erfolgreichster Torjäger bei Weltturnieren ist, sagte vor Moskau: »Ich finde Thomas Müller super, von mir aus kann er ruhig zehn Kisten machen in Russland.« Hintergrund der gewagten Prognose. Müller erzielte bei seinen ersten beiden Turnieren in Südafrika 2010 und Brasilien 2014 jeweils fünf Tore. Das gelang Klose, der nach der WM in den Trainerstab des FC Bayern wechselt, 2002 und 2006.
Danach sieht es für Müller momentan nicht aus, es gibt schon welche, die sagen, er sei außer Form. »Uns ist es weder gelungen, unser Spiel kontrolliert aufzubauen, noch große Chancen herauszuarbeiten.« Das Spiel gegen Mexiko lief gar nicht. Oder an den Deutschen vorbei. Müller: »Viel zu viele Passfehler, wir müssen am Spielaufbau arbeiten, aber es nutzt nichts. Wir müssen nach vorne schauen.« Ein WM-Eröffnungsspiel verlor eine deutsche Mannschaft zuletzt 1982 in Spanien (1:2 gegen Algerien). Am Ende unterlag sie im Finale chancenlos mit 1:3 gegen Italien. Thomas Müller beschwört den Teamgeist, der gegen Mexiko fehlte, der aber bei allen erfolgreichen Turnieren immer für die deutsche Mannschaft sprach. »Wir haben in der Vorbereitung schließlich nicht auf der faulen Haut gelegen, wir haben gearbeitet, auch, wenn uns das nach diesem Auftaktspiel nur wenige glauben.« Zweifel hat Müller trotzdem nicht. Die hatte er noch nie. Wer mit dem Fußballspielen Geld verdient, sollte sie auch nicht zulassen. Und wenn die Tageszeitungen kritisch werden, Thomas Müller regt das nicht auf: »Die Kritik ist gerechtfertigt. Wenn du als Angreifer ein Tor erzielst, bis du ein Guter, wenn nicht, eben nicht.« Am Tag nach der Niederlage flogen im Mannschaftsquartier die Ehefrauen ein. Am Dienstag ging es Richtung Sotschi.
Schweden mit guten Standards
Jetzt geht es gegen Schweden. Die Skandinavier gewannen gegen Südkorea am Montag mit 1:0 durch ein Elfmeter-Tor von Andreas Granqvist. »Wir bereiten uns professionell auf das Spiel vor.« Das darf man von einem Weltmeister auch erwarten. »Aber das, was im Training am Reißbrett gut funktioniert, funktioniert auf dem Spielfeld nicht immer«, sagt Müller, der auf ein Tor hofft, und darauf, dass die Mannschaft gewinnt und es ins Achtelfinale schafft. Zumindest das, auch wenn es da vermutlich gegen Brasilien geht. Aber wer weiß das schon?
Leicht wird es am Samstag in Sotschi auch gegen Schweden nicht, eine Mannschaft mit guten Standards, einem spielerisch guten Mittelfeld um Emil Forsberg von RB Leipzig. Und einer soliden Defensive. »Die werden um den eigenen Strafraum herum orientiert sein«, vermutet Müller. Wie das oft so ist, wenn man gegen den Weltmeister spielt. Auch, wenn der das erste Spiel der Mission Titelverteidigung verloren hat. »Es macht den Fußball nun einmal aus, dass er nicht ausrechenbar ist«, fällt dem passionierten Golfspieler Müller noch ein. Er erwartet keine grundsätzlich andere Aufstellung des Bundestrainers. Auch Löw hatte gesagt, das 0:1 gegen Mexiko sei kein Grund, nun alles über den Haufen zu werfen: »Das werden wir sicher nicht tun.« (GEA)