Berlin (dpa) – Nach dem frustrierenden Schlusspunkt seiner einmaligen Karriere in der Nationalmannschaft suchte Georg Grozer Trost bei seinen Töchtern. Leana und Doreen begleiteten ihren ernüchterten Papa nach dem schmerzhaften Aus in der Olympia-Qualifikation zurück in die Kabine.
So kurz vor dem Sehnsuchtsziel Tokio wurde die XXL-Figur des deutschen Volleyballs ausgebremst und blieb nach der Finalniederlage von Berlin gegen hervorragende Franzosen fassungslos zurück. »Ich hätte ihm einen Abschied mit einer Medaille in Tokio gewünscht«, sagte Kapitän Lukas Kampa nach dem klaren 0:3 am Freitagabend.
Grozer verneigte sich nach dem geplatzten Olympia-Traum ein letztes Mal vor dem Berliner Publikum und verschwand ohne Redebedürfnis in den Katakomben der Max-Schmeling-Halle. »Es ist hart, dass so eine Persönlichkeit geht«, sagte Außenangreifer Christian Fromm. »Es tut mir bloß so leid, dass es mit so einem Spiel enden muss.«
Der »Hammerschorsch«, wie Grozer aufgrund seiner Schlagkraft kumpelhaft und zugleich auch etwas ehrfürchtig genannt wurde, hatte schon weit vor dem Berliner Turnier seinen Abschied aus der Nationalmannschaft spätestens nach Tokio angekündigt. Dass es für den 35 Jahre alten Diagonalangreifer schon vor Tokio so weit ist, war vor allem für ihn selbst niederschmetternd.
Der ohnehin schon an der rechten Wade angeschlagene Modellathlet war im ersten Satz nach dem gerade einmal zweiten Punkt der Partie am Netz unglücklich auf dem Fuß von Mittelblocker Nicolas Le Goff aufgekommen. Grozer sank zu Boden, fasste sich ans rechte Knie, rappelte sich langsam wieder auf und stemmte sich anschließend gegen sein internationales Karriereende. Mit 20 Punkten war er wie so oft in seiner Laufbahn bester deutscher Angreifer.
»Danke, dass er so viele Bälle versenkt hat. Es war mir eine Ehre und eine Freude, ihn so lange begleiten zu dürfen, ihm so lange die Bälle zuspielen zu dürfen«, sagte Kampa über seinen Kumpel. »Er hat großen Anteil an den Medaillen und Erfolgen, die wir zusammen gefeiert haben.« Kein anderer Spieler hat den deutschen Volleyball so geprägt wie Grozer. Sternstunden wie WM-Bronze 2014 – die zweite deutsche WM-Medaille überhaupt – und EM-Silber 2017 – die erste deutsche EM-Medaille überhaupt – wären ohne ihn nicht möglich gewesen. In beiden entscheidenden Partien war er bester deutscher Angreifer.
Grozer hinterlässt keine Lücke in der Nationalmannschaft – es ist ein Krater. Das Ende seiner Ära bedeutet einen Umbruch. »Wir müssen den jüngeren Jungs die Chance geben«, sagte Nationaltrainer Andrea Giani über die vage geäußerte Hoffnung, Grozer könne vielleicht doch noch einmal weiter machen. Der Vertrag des Italieners läuft in diesem Jahr aus, er will erstmal mit dem Präsidenten über seine Zukunft reden. Für Kampa (33) ist die Zukunft nach eigener Aussage »im Moment« noch »komplett offen«. Sein hohes Pensum in der Nationalmannschaft seit dem Einstieg 2008 werde er allerdings »so nicht mehr schaffen.«
Eine Zeitrechnung ohne Galionsfigur Grozer ist auch für den Verband ein Problem. Der Angreifer stand für Spektakel und Emotionen – seine Gattung ist rar. »Man hat gesehen, dass immer wieder Leute kommen, die man gerade nicht auf dem Schirm hat«, sagte Kampa zuversichtlich. »Wir haben schon viele junge Wilde dabei, die inzwischen Erfahrung gesammelt haben und die jetzt in die Fußstapfen treten müssen«, sagte Außenangreifer Christian Fromm und fügte an: »In vier Jahren sehen wir zu, dass wir endlich wieder das Ticket holen.«