Augsburg (dpa) - Mit dem Spielball als wertvoller Trophäe unter dem Arm schritt Erling Haaland nach seinem Mega-Debüt mit Dreierpack stolz durch die Katakomben des Augsburger Stadions.
»Wenn ich ehrlich bin, habe ich nicht von drei Toren geträumt, sondern von zweien - und das war schön«, sagte der erst 19 Jahre alte Norweger. Nicht nur mit der irren Tor-Show, sondern auch mit seiner coolen, unbekümmerten Art erstaunte Haaland nach dem 5:3 sogar die Chefs von Borussia Dortmund. »Ein Traum-Debüt. Ich habe kurz mit ihm gesprochen, und er hat gesagt: Das ist der Grund, warum Ihr mich gekauft habt«, berichtete Sportdirektor Michael Zorc mit einem lauten Lachen. »Und das stimmt.«
1:3 lag der bis dato enttäuschende BVB beim FC Augsburg zurück - dann kam Urgewalt Haaland. Drei Tore, die für einen Fußball-Teenie imponierende Körpersprache und eine beeindruckende Kaltschnäuzigkeit im Abschluss verhinderten den Rückschlag zum Rückrundenstart der Bundesliga. »Ein fantastischer Einstand. Er ist ein superbelebendes Element«, stellte Lizenzspielerchef Sebastian Kehl zufrieden fest.
Wie einst Pierre-Emerick Aubameyang beim Debüt im Jahr 2013 - ebenfalls gegen Augsburg - traf Haaland beim Borussia-Start gleich dreifach. Wie Robert Lewandowski (2011) und der nun vor dem Abschied stehende Paco Alcácer (2018) bejubelte er seinen ersten Dreierpack, richtig, gegen Augsburg. »Ich wollte so viel positive Energie wie möglich reinbringen und das Spiel drehen«, beschrieb es der Modellathlet. Reihenweise lobten ihn Gegner wie Teamkollegen. »Tolle Verpflichtung, toller Junge und ich hoffe, er wird noch viel Spaß mit uns haben«, sagte 2014er Weltmeister Mats Hummels über die neue Bundesliga-Attraktion.
20 Millionen Euro zahlte der BVB im Winter an Red Bull Salzburg für das Sturmjuwel, das so viele europäische Topclubs liebend gern verpflichtet hätten. Doch Haaland und sein Vater, der frühere Premier-League-Profi Alf-Inge Haaland, sahen nach dem Fußball-Biotop Salzburg, aus dem schon Liverpools Sadio Mané zum Weltstar aufstieg, das Karrieresprungbrett Dortmund als perfekte nächste Entwicklungsstufe an. Ein Stück ist Haaland damit der Gegenentwurf zu Wunderknabe Martin Ödegaard. Der Landsmann wechselte mit 16 zu Real Madrid und wartet fünf Jahre später noch auf den großen Durchbruch.
»Wahnsinnig viel Geld« hätte Haaland bei einem Wechsel zu Cristiano Ronaldos Juventus Turin oder zu Manchester United verdienen können, verriet der frühere norwegische Bundesliga-Profi und Haaland-Kenner Jan Aage Fjörtoft am Samstag in Augsburg. »Manchester United ist in Norwegen wie Allah, Gott und Buddha gemeinsam, trotzdem denken die nach, wo er sich besser entwickeln kann«, sagte der Sky-Experte in typisch blumiger Ausdrucksweise. »Ich habe nichts gegen schöne Frauen, große Autos oder Tattoos, aber dieser Junge ist anders. Der will Fußball spielen, Fußball lernen, Fußball studieren.«
Acht Tore in der laufenden Champions-League-Saison, jetzt drei zum Bundesliga-Debüt - bei seinem märchenhaften Aufstieg scheint die Mischung aus Babyface und Dolph Lundgren in dessen Rolle als Boxer Ivan Drago durch nichts zu stoppen zu sein. »Man hat spüren können, mit wie viel Überzeugung er auf den Platz gegangen ist. Er bringt ein ganz neues Element ins Spiel«, sagte Augsburgs Manager Stefan Reuter. Die Tore von Florian Niederlechner (2) und Marco Richter waren für sein erst mutiges und dann übermütiges Team zu wenig.
»Mit ihm hat Dortmund ein anderes Instrument im Orchester«, schwärmte der Ex-Frankfurter Fjörtoft. »Irgendwie haben sie eine neue Waffe.« Gewohnt zurückhaltender analysierte Trainer Lucien Favre. »Er will lernen, er ist aufnahmefähig, hat eine top Mentalität und hat mit 19 viel Potenzial«, sagte der Fußball-Fachmann über den Super-Joker.
Bei aller Freude über Haaland: Favre war ziemlich angefressen wegen der mangelhaften Defensivarbeit seines Ensembles. Den Toren von Haaland (3), Julian Brandt und Jadon Sancho standen beim Tabellenvierten drei ernüchternde Gegentreffer gegenüber. »Das macht mir Sorgen. So wirst du am Ende nicht deine Ziele erreichen«, warnte Zorc.
Der Sportdirektor ließ durchblicken, dass »Rohdiamant« Haaland in seinem bis 2024 datierten Vertrag eine Ausstiegsklausel haben könnte. »Wenn man weiß, wer alles noch im Boot war, diktiert man nicht die Bedingungen«, erklärte Zorc vielsagend. Was der Verzicht auf Alcácer am Samstag für die Zukunft des Spaniers bedeutet, verriet Zorc nicht. Mehr und mehr zeichnet sich aber eine Rückkehr in die Heimat ab.
Lange soll dagegen Haaland noch die BVB-Fans jubeln lassen. »Heiland Haaland« oder »Haallelujah« wurde der Jungstar schon überschwänglich sakral gepriesen. Doch selbst am »absolut fantastischen« Einstandstag, wie es der Shootingstar selbst umschrieb, wirkte er wunderbar geerdet. Und alles glückte auch ihm nicht. Beim Weg aus dem Stadion verlief er sich.