Frankfurt/M. (dpa) - Fritz Keller lächelt in die Kamera. Zum Jahreswechsel wünschte der DFB-Präsident in einem auf der Internetseite des Deutschen Fußball-Bundes veröffentlichten Grußwort »alles Gute für 2020«.
Die zentrale Aussage zur Entwicklung der Nationalmannschaft lautet: »So kann es weitergehen.« Für den 62-Jährigen gilt das Gleiche - am 5. Januar ist Keller 100 Tage im Amt, und es waren im Vergleich ziemlich ruhige erste Monate.
Zwar kämpfte der von WM-Aus, WM-Affäre und Uhren-Geschenk geschüttelte DFB auch in den vergangenen Wochen mit Aufregern. Ilkay Gündogan und Emre Can setzten bei Instagram ein falsches »Like«, im Amateurfußball sorgten Angriffe auf Schiedsrichter für erschreckende Bilder. Keller überstand die ersten Prüfungen seiner Amtszeit aber ohne Fehltritte. Der Winzer aus dem Breisgau etablierte eine neue Linie an der DFB-Spitze.
Statt direkt vor die TV-Kameras zu treten, äußerte sich der frühere Präsident des Bundesligisten SC Freiburg in überlegten, längeren Stellungnahmen. Für einen ganzseitigen Namensbeitrag in der Tageszeitung »Die Welt« nach Gündogans und Cans Reaktion auf den Salut-Jubel türkischer Nationalspieler wählte er die durchaus bemerkenswerte Überschrift: »Wir sind alle überfordert«. Keller, der auffallend oft den Frauenfußball hervorhebt, erscheint authentisch. Auch wenn manche Formulierungen wie vor Silvester im »kicker«-Beitrag und einen Tag später im Neujahrsgruß durch den bis ins Detail abgestimmten Stil wenig nahbar wirken.
Keller war am 27. September in Frankfurt/Main angetreten, um »Glaubwürdigkeit und Vertrauen« für den DFB zurückzugewinnen. Der Verband, der in der Bankenmetropole gerade eine über 100 Millionen Euro teure Akademie für eine glänzende Zukunft baut, war wegen Kellers Vorgänger Reinhard Grindel in die nächste Krise getaumelt. Der einstige Bundestagsabgeordnete für die CDU hatte sich durch eine unbedacht von einem Funktionärsfreund angenommene Luxus-Uhr disqualifiziert. Gesucht wurde anschließend ein Gegenentwurf zum auch in der FIFA und UEFA aktiven Grindel. Gefunden hat ihn der DFB - allerdings wenig transparent - im Breisgau.
»Der DFB muss ein seriöser Anwalt, Dienstleister und Lobbyist sein«, sagte Keller beim Wahl-Bundestag des Verbandes. »Wir sind eine Integrationsmaschine, das letzte Lagerfeuer der Gesellschaft.« Seine eigene Rolle ist neu, der DFB-Präsident kann deutlich weniger Einfluss nehmen. Er hat durch eine Strukturreform im Gegensatz zu seinen Vorgängern keine Richtlinienkompetenzen für die Verbandspolitik. Grindel war auch und vor allem an seiner Machtfülle gescheitert.
»Ich werde reingrätschen, wenn es was zum Reingrätschen gibt«, versprach Keller dennoch. In die FIFA und UEFA wird der 62-Jährige nicht entsandt werden, im Europa-Verband geht sein Vize Rainer Koch von einer Wahl ins Exekutivkomitee im kommenden März aus. Bei den großen politischen Themen im Weltverband hielt sich der DFB ohnehin zuletzt zurück. Die populäre Positionierung in der »Bild«-Zeitung gegen die Katar-WM 2022 (»in vielerlei Hinsicht eine ganz schlechte Entscheidung«) fiel Keller in den ersten Monaten trotzdem leicht.
2020 werden auf den neuen DFB-Präsidenten neue Herausforderungen zukommen. Allen voran das sportliche Abschneiden der Nationalmannschaft bei der paneuropäischen EM wird darüber entscheiden, wie schnell sich der DFB weiter von den Krisenjahren erholen kann. Chef des Sportlichen ist allerdings Direktor Oliver Bierhoff, der Keller jüngst im »kicker« als »aktiven Präsidenten« bezeichnet hatte. »Er ist an den sportlichen Themen sehr interessiert, auf ehrliche und direkte Weise, das finde ich angenehm«, sagte Bierhoff. So könnte es weitergehen.