TÜBINGEN. Danny Jansson geht als Trainer der Tigers in seine dritte Saison. »Wir arbeiten an allen Ecken und Enden, dass es weiterhin vorwärts geht«, so der 43-Jährige.
GEA: Sie wirken sehr gelassen. Es macht den Eindruck, als ob Sie nach der erlangten Vize-Meisterschaft in der vergangenen Saison nur wenig aus der Ruhe bringen kann.
Danny Jansson: Tatsächlich bin ich alles andere als gelassen. Es beginnt jetzt alles wieder bei null. Und es muss uns klar sein, dass wir im vergangenen Frühjahr nur um ein Haar nicht mal die Play-offs erreicht haben. Wie hatten sechs, acht Spiele fast schon verloren und haben es am Ende doch noch geschafft, diese siegreich zu gestalten. Die Marge ist also ziemlich klein. Was mich ein wenig entspannter macht, ist die Tatsache, dass es einfacher ist, eine Mannschaft zu trainieren, die man schon sehr gut kennt. Wir können da weitermachen, wo wir in der vergangenen Saison aufgehört haben.
Hat das Team in der Vorbereitung die Erwartungen erfüllt?
Jansson: Vorbereitung ist Vorbereitung, aber ich glaube, wir stehen ziemlich genau da, wo wir zu diesem Zeitpunkt sein wollten. Es gibt noch viel zu tun, aber: Eins nach dem anderen. Wir haben weiter an uns gearbeitet. Das Wichtigste ist, dass die Jungs respektvoll miteinander umgehen und hart für den Erfolg arbeiten. Die Neuen haben sich schon ziemlich gut integriert. Das wird schon alles.
Insgesamt machen Sie den Eindruck, als hätten Sie Spaß bei der Arbeit. Richtig?
Jansson: Ja. Auf alle Fälle. Wir haben eine richtig tolle Mannschaft, mit der wir da arbeiten. Wir trainieren richtig intensiv. Insofern genieße ich im Moment das Leben.
Haben Sie als Trainer einer professionellen Mannschaft eigentlich einen Traumjob?
Jansson: Traumjob weiß ich nicht. Aber mein Traum als Trainer wäre es, eines Tages ein Team zu coachen, wie Mike Krzyzewski das mit dem Team USA bei den Olympischen Spielen 2012 in London tun konnte. (lächelt) Ich glaube, dass er während des gesamten Turniers nicht ein einziges Mal seinen Platz auf der Trainerbank verlassen musste. Wenn’s mal nicht so gut gelaufen ist, hat er in Richtung Spielerbank geschaut und fünf neue Jungs gebracht. Und dann saßen da wieder Spieler wie Kobe Bryant, Kevin Durant und Carmelo Anthony auf der Bank. Das muss schon ziemlich cool gewesen sein.
Welchen Eindruck haben Sie von Ihrem neuen Team?
Jansson: Wir konnten viele Spieler halten. Es ist um einiges einfacher, wenn man sich schon kennt. Wir waren sehr variabel in der vergangenen Saison, und ich glaube, das sind wir wieder. Die meisten Spieler können mindestens auf zwei Positionen eingesetzt werden. Dadurch haben wir die Möglichkeit, gut durchwechseln zu können. Das gibt uns sehr viel Flexibilität."Wir sind noch nicht bereit für
die Bundesliga"
Mit welchen Erwartungen gehen Sie in die neue Runde?
Jansson: Wir sind eine junge Mannschaft. Da ist eine Vorhersage echt schwer. Ich kann nur sagen, was ich immer sage: Wir denken von Training zu Training und von Spiel zu Spiel.
Wer sind die Favoriten?
Jansson: Auch das ist schwer zu sagen. Um ehrlich zu sein: Das ist mein drittes Jahr hier bei den Tigers, und noch nie war eine Prognose so schwer. Nahezu hinter jedem Verein steht ein Fragezeichen. Auch bei Gießen, Jena und Vechta. Dann gibt es immer die eine oder andere Überraschung – positiv wie negativ.
Was zeichnet Ihr Team aus?
Jansson: Wir bauen unsere Identität immer auf Intensität auf. Aggressive Defensive und eine uneigennützige Ballbewegung in der Offensive. Damit sind wir schon in der Vorsaison ziemlich gut gefahren.
Welche Schwächen sehen Sie?
Jansson: Uns fehlt es vielleicht ein wenig an Erfahrung, weil wir kaum alte Hasen im Team haben. Zu einem jungen Team gehört immer dazu, dass Fehler gemacht werden. Wenn man der Jugend und damit verbunden mangelnde Erfahrung als Schwäche bezeichnen möchte, dann wird das bei uns so sein. Wir werden wohl Fehler machen.
»Sind genau da, wo wir hingehören«
Sie haben mit Ryan Mikesell, Isaiah Crawley und Joanic Grüttner Bacoul drei Schlüsselspieler verloren. Ist das ein großer Nachteil?
Jansson: Es ist natürlich ein Nachteil, Spieler mit solch einem Leistungsniveau zu verlieren. Auf der anderen Seite gehört das nun mal einfach dazu. Es ist völlig unrealistisch, einen Spieler wie zum Beispiel Ryan Mikesell halten zu wollen, der jetzt bei seinem neuen Verein das Vierfache verdient. Es wird die Herausforderung sein zu sehen, ob wir unser Niveau auch ohne Ryan halten können.
Ist das Team durch die Abgänge schwächer einzuschätzen?
Jansson: Klar! Aber die Spieler, die wir halten konnten, haben sich im Laufe der vergangenen Runde alle weiterentwickelt. Und dann haben wir ja auch drei Neue hinzugewonnen. Es wird sich zeigen, wie die uns weiterbringen werden.
Wie groß ist der Konkurrenzkampf innerhalb des Teams?
Jansson: Du Jungs haben schon in der Vergangenheit um jede Einsatzminute hart gekämpft. Daran hat sich nichts geändert. Das tut den Trainingseinheiten gut.
Haben Stolz und Verteidigung also nach wie vor oberste Priorität?
Jansson: Definitiv! Mit Blick auf die Statistiken waren wir nach Trier die Mannschaft, die die zweitwenigsten Punkte des Gegners zugelassen hat. Bei der Feldwurfquote waren wir, glaube ich, die Nummer eins in der Liga. In beiden Fällen wollen wir wieder mindestens unter den ersten Drei sein. Bei den Assists waren wir die Nummer zwei. Auch das wollen wir zumindest wiederholen. Es wird für uns nach wie vor darum gehen, einen Ballverlust beim Gegner zu erzwingen. Nach dem Ballgewinn greifen wir dann schnellstmöglich an. Daran wird sich nichts ändern.»Wir werden in dieser Saison die Gejagten sein«
War das gute Abschneiden in der vergangenen Saison auch deshalb möglich, weil Sie mit der Mannschaft als kompletter Underdog ins Rennen gegangen sind?
Jansson: Das kann durchaus sein. Wir müssen uns im Klaren sein, dass wir in dieser Saison einer der Gejagten sind. Niemand wird uns mehr unterschätzen. Alle werden sie 100 Prozent gegen uns geben. Das macht es deutlich schwerer für uns. Und das wird auch die große Herausforderung. Der Erfolg der Vorsaison war aber keineswegs unverdient. Wir können stolz auf das Erreichte sein. Es ist wie geplant gelaufen. Das passiert nicht allzu oft.
Wie bitter war es dann, das Play-off-Finale zu verlieren?
Jansson: Das war schon hart. Wir wollten die Meisterschaft unbedingt gewinnen. Am Ende war Rostock einfach besser. Da waren wir schon enttäuscht. Auf der anderen Seite kann man ja auch nicht alles auf einmal erreichen. Das zeigt, dass es immer noch was zu tun gibt.
Dass Sie aus wirtschaftlichen Gründen nicht aufsteigen konnten, obwohl die sportliche Voraussetzung durch den Final-Einzug gegeben war, ist Ihnen egal?
Jansson: Das hat mich nicht gestört. Wir haben das schon zu Beginn der vergangenen Saison gewusst und diese Entscheidung frühzeitig getroffen, keinen Lizenzantrag für die Bundesliga zu stellen. Uns hat das im März oder April nicht mehr überrascht. Wie man es auch drehen und wenden will: Wir sind auch jetzt noch nicht bereit für die BBL. Dias Team nicht, die Organisation nicht, die Voraussetzungen im Umfeld nicht. Und auch das Geld dazu fehlt noch. Man stelle sich nur vor, wir sollten mit unserem aktuellen Budget einen Kader zusammenstellen, der mit dem FC Bayern, Alba Berlin, Bonn, Ludwigsburg oder Ulm mithalten soll. Wir sind gerade genau da, wo wir hingehören. Und wir arbeiten an allen Ecken und Enden, dass es weiterhin vorwärts geht, um früher oder später in der Situation zu sein, vielleicht doch wieder in die BBL aufsteigen zu können.
Sie werden also nicht die Geduld mit den Tigers verlieren, wenn Sie im nächsten Frühsommer vor derselben Situation stehen?
Jansson: Jetzt müssen erst einmal die 34 Spiele der Hauptrunde bestritten werden. Mit einem jungen Team, das von allen gejagt werden wird. Und zu allererst geht es um das Spiel am Samstag gegen Kirchheim.
Sie gehen in ihre dritte Saison mit den Tigers. Wie hat sich der Verein seit Sommer 2020 weiterentwickelt?
Jansson: Das ist eine lustige Frage. Ich habe den Eindruck, dass – egal was man tut – ein Teil von einem immer unzufrieden ist. Es heißt ja auch, dass man nur glücklich ist, wenn man irgendwie unglücklich ist. Wenn dann mal wieder alles schlecht ist, muss man aber einfach mal kurz innehalten und schauen, was sich alles weiterentwickelt hat.
Sie wollen als Team und Organisation weiter wachsen. Woran lässt sich das festmachen?
Jansson: Ein ganz großer Schritt nach vorne ist Eric Detlev, der dem gesamten Verein als Sportdirektor mit seiner gewaltigen Basketball-Expertise guttut. Auch in Sachen Kraftraum läuft es mittlerweile ganz gut, obwohl wir immer noch keinen eigenen haben. Ich habe zwei Assistenten. Das ist eine Person im Trainerteam mehr. Jascha Maus hat sich in seinem ersten Jahr als Leiter der Geschäftsstelle gut entwickelt und ist bereit, seine neue Rolle als General Manager auszufüllen. Unsere Kultur hat sich weiterentwickelt. Und wir haben so etwas wie ein Erfolgsrezept gefunden. Nicht schlecht, oder?
Sie haben über 30 Nachwuchsspieler zu Profis gemacht, sagen aber über sich selbst, dass Sie zu wenig Geduld haben. Wie passt das zusammen?
Jansson: Da muss man unterscheiden. Wenn es in der Halle darum geht, dass etwas nicht klappt, weil die Spieler nicht bei der Sache sind, (lächelt) dann bin ich in 0,3 Sekunden von 0 auf 100 und kann schon auch mal explodieren. Aber insgesamt habe ich natürlich sehr viel Geduld, wenn es um die Entwicklung von Spielern geht. Wie gesagt: Das sind zweierlei Stiefel. Und das passt auch so. (GEA)