SANTIAGO DE CHILE. Schon seit einer Woche ist das deutsche Bahnrad-Team in Santiago de Chile. Um sich zu akklimatisieren und das Oval kennenzulernen, auf dem ab diesem Mittwoch die Medaillen bei der Weltmeisterschaft vergeben werden. Franziska Brauße war als einzige des Verfolgungs-Vierers schon einmal in der Hauptstadt des südamerikanischen Landes. 2017 trat die Eningerin beim Weltcup an. So lange Flugreisen seien nicht unbedingt ihr Ding, sagt die 26-Jährige. Aber damals war das Team in einem Hotel etwas außerhalb untergebracht, so dass sich die Eindrücke nicht auf die Halle und die Bahn beschränkten. »Wir haben ein bisschen etwas von der Umgebung gesehen, als wir ab und zu auf den Straßen trainierten«, erinnert sie sich.
Ab Donnerstag liegt der Fokus voll und ganz auf den Titelkämpfen. Dann steht die Mannschafts-Verfolgung im Programm, am Samstag folgt der Einer. Ein zusätzlicher Start im Zeitfahren - bei der Europameisterschaft wurde sie hier Vierte - ist nicht möglich, da Zeitfahren und Einer-Verfolgung am gleichen Tag ausgetragen werden. Bei dieser Konstellation hat die Einer-Verfolgung klare Priorität. Die Zielsetzung liegt auf der Hand: »Ich würde gerne mit einer Medaille nach Hause kommen«, sagt die Mannschafts-Olympiasiegerin von Tokio. Zumal das Gesetz der Serie - gerade im Einzel - dafür spricht. Bei der WM 2020 in Berlin gewann sie Bronze, es folgte ein Jahr später Silber, 2022 dann der Gold-Triumph. Im Vorjahr in Kopenhagen musste sie sich mit dem vierten Platz begnügen. »Nach der Wahrscheinlichkeit müsste es wieder nach oben gehen«, lächelt Brauße.
Höhentrainingslager in Livigno
Und mit dem Team ist immer etwas drin. Bei der WM im Vorjahr gab's Silber für das Quartett, auch bei der Europameisterschaft in Zolder (Belgien) vor acht Monaten sprang Platz zwei heraus. »Wir sind auf einem guten Weg und sehr motiviert für die WM. Es ist von der Tagesform abhängig«, sagt Brauße, die mit dem Team im September ein Trainingslager im knapp 2.000 Meter hoch gelegenen Livigno (Italien) bestritt und vor dem Abflug nach Santiago mit der Nationalmannschaft in Frankfurt/Oder trainierte.
Gerade auf den Plätzen drei bis sechs liegen die Nationen sehr dicht beieinander. Außer Brauße wurden für die Verfolgungs-Crew Lisa Klein und Mieke Kröger - die beiden Teamkolleginnen beim Olympiasieg 2021 - sowie Laura Süßemilch, Lena Charlotte Reißner und Messane Bräutigam nominiert. Besonders vom Youngster ist die gebürtige Metzingerin beeindruckt. Es sei »ganz cool«, wie schnell Messane den Anschluss gefunden habe, sagt Brauße.
Seit diesem Jahr müssen die Frauen in der Einer-Verfolgung statt wie zuvor 3.000 Meter nun 4.000 Meter zurücklegen. Das hatte eine Umstellung zur Folge. Die Trainingsintervalle sind länger geworden. Der Start werde unwichtiger, schildert Brauße einen Unterschied. Stattdessen hilft es viel, »lange die gleiche Wattzahl fahren zu können. Man kann auf dem letzten Kilometer viel verlieren«.
Straße und Bahn die passende Kombination
Außer auf der Bahn ist Brauße aber auch im Straßenradrennsport im Einsatz: »Ich glaube, ich brauche die Kombination von beidem.« Weil das Ceratizit Pro Cycling Team, für das Brauße seit sechs Jahren fährt, den Hauptsponsor am Saisonende verliert, konnten sich die Profi-Fahrerinnen nach einem anderen Team umschauen. Das Gehalt wird nach Aussage von Brauße bis Dezember weitergezahlt. Stand jetzt hat das Bahnrad-Ass, das bei der deutschen Meisterschaft in der Einer- und Mannschafts-Verfolgung die Titel holte, noch keinen Vertrag bei einem anderen Rennstall für die neue Straßen-Saison. Ihr Management führt noch Gespräche. Was sich aber abzeichnet: »Ich werde weiter international Straßen-Rennen bestreiten, eventuell aber nicht in der World Tour«, berichtet Brauße.
Bei der Straßen-Europameisterschaft in Frankreich wurde sie 19. im Zeitfahren und zusammen mit Klein und Kröger Vierte mit dem Mixed-Team. »Eine Medaille wäre schön gewesen«, sagt sie über das verpasste Edelmetall. Allerdings hatte die deutsche Mannschaft schlechte Karten, nachdem der erkrankte Louis Leidert bereits nach 300 Metern wieder vom Rad stieg. Bei der Bahn-Weltmeisterschaft sind die Chancen auf eine Medaille deutlich größer. Zumal es ja, wie schon gesagt, das Gesetz der Serie gibt... (GEA)

